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Unrechte Zwangseinweisung in Psychiatrie600.000 Euro für Justizopfer

Über sieben Jahre saß Gustl Mollath zu Unrecht in einer geschlossenen Anstalt. Jetzt entschädigt ihn das Land Bayern mit einer beachtlichen Summe.

Ein langer Kampf um Gerechtigkeit: Gustl Mollath 2013 Foto: Peter Kneffel/dpa/picture alliance

München taz | Gustl Mollath gegen den Freistaat Bayern. Klingt wie ein Kampf von David gegen Goliath, mit dem sich das Amtsgericht München seit März zu befassen hatte. Doch dass der Goliath nach der Vorgeschichte keinen gar so festen Stand hatte, war offensichtlich. Denn schließlich ist Mollath Bayerns, wenn nicht gar Deutschlands bekanntestes Justizopfer; dass ihm großes Unrecht widerfahren ist, ist unstrittig. Am Dienstag einigten sich Mollath und Freistaat nun auf eine gütliche Einigung: Mollath bekommt noch einmal 600.000 Euro, womit dann alle Ansprüche abgegolten sind.

Vor wenigen Tagen hat Mollath seinen 63. Geburtstag gefeiert. Siebeneinhalb dieser 63 Jahre, genau genommen 2747 Tage, saß Gustl Mollath in einer geschlossenen Anstalt – zu Unrecht. Ob er in der Einigung nun ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk sieht oder am Ende lediglich mürbe geworden war, dazu war zunächst nichts zu vernehmen.

Im Juni noch hatte Mollath einen Einigungsvorschlag des Gerichts in der jetzigen Höhe abgelehnt. Denn 600.000 Euro, das ist viel im Vergleich zu den bisher gezahlten 70.000 Euro – aber nur ein Drittel der von Mollath geforderten 1,8 Millionen. In dieser Summe wären unter anderem etwa 800.000 Euro Schmerzensgeld, 288.000 Euro Verdienstausfall und 90.000 Euro Anwaltskosten enthalten gewesen.

Mollath war 2006 nach einem Prozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth in die Psychiatrie eingewiesen worden. Ihm waren Gewalttätigkeiten gegen seine Frau, eine Bankerin, vorgeworfen worden. Unter anderem soll er sie geschlagen, getreten, gebissen und gewürgt haben. Weil er zudem selbst Strafanzeige gegen sie und weitere Mitarbeiter sowie Kunden der HypoVereinsbank gestellt hatte, bescheinigten ihm Gutachter eine Psychose.

Mollath hatte auf Steuerhinterziehung, Schwarzgeld- und Insidergeschäfte hingewiesen. Erst als im Jahr 2012 ein interner Revisionsbericht der HypoVereinsbank öffentlich und Mollaths Vorwürfe damit zum Teil bestätigt wurden, kam es zu einem Wiederaufnahmeverfahren, an dessen Ende Mollath im August 2014 freigesprochen wurde.

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10 Kommentare

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  • Diese Richter gehören mal ganz kräftig aus dem Amt geschasst !



    Wie lange brauche diese "Juristen" um Recht zu sprechen ?

    Und bitte nicht vergessen die damaligen Gutachter (die ja vereidigt waren) in Grund und Boden zu klagen.



    Meineid: mindestens zwei Jahre!



    Ach so, dass geht ja nicht ... Staatsanwälte sind ja auch Juristen. gleiche "schlagende Verbindung", gelle ...

  • & Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - Ja wie? -

    “ und btw.: taz.de/Unrechte-Zw...chiatrie/!5637040/



    Schön, dass er Wilhelm Schlötterer an seiner Seite hatte. www.zeit.de/angebo...schloetterer/index

    • @Lowandorder:

      Na, das ist doch mal ein guter Lesetipp für lange Winterabende - solange man noch nicht eingewiesen wurde und eine Oberschwester Ratched einem das Licht ausknipst.

  • Ich sach's mal so: Das ist Bayern. Da muss Mollaths Anwalt doch schon froh sein, dass er nicht vom Gericht einfach in eine geschlossene Anstalt eingewiesen wurde. (;-))

  • Das mag als "beachtliche Summe" gelten, ich finde das allerdings eher mager. Wenn man da die fast 100.000€ Anwaltskosten abzieht sind das um die 70.000€ pro Jahr.

    Davon muss man noch rund 40k€ Verdienstausfall abziehen, dann bleiben noch 30.000€ pro verlorenes Lebensjahr. Und da ist die Zeit nicht eingerechnet die er nachträglich für sein Recht kämpfen musste. Zumal Herr Mollath ja sicher auch noch unnötigerweise Medikamente nehmen musste, die auch gesundheitliche Nachwirkungen haben können. Mal von psychologischen Nachwirkungen garnicht zu reden.

    Durch den Verdienstausfall sind ihm dann sicher auch noch Rentenbeitragsjahre verlorengegangen, d.h. die Rente wird auch niedriger ausfallen als es der Normalfall wäre.

    Es klingt nach relativ viel Geld, ist es aber dann doch nicht. Ich halte das wirklich für die unterste vertretbare Grenze

    • @Yodel Diplom:

      Ging mir auch so durch den Kopf. Mit den Anwaltskosten sind ausserdem ja noch lange nicht alle Kosten, die so ein langwieriger Prozess für einen Kläger verursachen, beziffert. Dazwischen liegt ja ausserdem auch noch eine Scheidung von seiner damaligen Frau, mit allen wirtschaftlichen Konsequenzen. Diese hatte offenbar ihre Anschuldigungen und sonstigen Täuschungen mit dazu benutzt, die Ehe zu ihren Gunsten aufzulösen. 600.000 Euro sind hier nur die absolute Untergrenze dessen, was angemessen wäre. Mich würde auch mal interessieren, wieviel davon eigentlich seine damalige Frau, die ja seine Einweisung maßgeblich und mit beachtlicher krimineller Energie vorangetrieben hatte, davon letztlich mit zu schultern hat.

      • @Rainer B.:

        Ich habe gerade mal bei Wikipedia nachgelesen und die ehemalige Frau Mollath scheint 2017 verstorben zu sein. Was dann auch effektiv verhindert dass Hr. Mollath juristisch Dinge zurückfordern kann. Und belangt werden wird sie nun wohl auch eher nicht.

        • @Yodel Diplom:

          Oh! Davon hatte ich bislang noch gar nichts gehört.

  • Eine gute Nachricht, zweifellos. Die Frage ist nur, ob dies Einzelfallentscheidung tatsächlich als persönliches Geschenk an Herrn Mollath anzusehen ist, oder ob sie auch solchen Menschen helfen kann, die weniger Glück und weniger Durchhaltevermögen haben. Es gibt schließlich noch viele Davids hierzulande - und jede Menge Goliaths. Dass manche von ihnen auf tönernen Füßen stehen, hilft Leuten, die weniger Glück haben, leider rein gar nichts.

  • Endlich! Herzlichen Glückwunsch!