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Unionsspitzen zu Ehe für alleSeehofer verärgert, Merkel traurig

Die Abstimmung über die Ehe für alle wird wohl nicht mehr zu verhindern sein. Unionspolitiker sind über das zügige Verfahren nicht sonderlich glücklich.

Grmpf Foto: dpa

Berlin/Augsburg afp/epd/dpa | Im Streit um die Einführung der Ehe für alle hat CSU-Chef Horst Seehofer das Vorgehen der SPD kritisiert. „Normalerweise ist das ein Koalitionsbruch“, sagte Seehofer der Augsburger Allgemeinen dazu, dass die Sozialdemokraten die Bundestagsabstimmung gemeinsam mit Grünen und Linken auf die Tagesordnung gesetzt hatten. Dies sei „unwürdig“.

Auch wenn am Freitag einzelne Abgeordnete seiner Partei für die Ehe für alle stimmen wüden, bleibe die Ehe zwischen Mann und Frau das Leitbild der CSU, sagte Seehofer: „Sie wird weiterhin im Zentrum unserer Gesellschafts- und Familienpolitik stehen.“ Der CSU-Chef kritisierte das Tempo, in dem das Gesetzesvorhaben vorangetrieben werde: „Man hätte das auch in aller Ruhe im Herbst machen können.“

Angela Merkel kritisierte in einem Interview mit der Wirtschaftswoche erstmals öffentlich das Vorgehen des Koalitionspartners SPD. „Mir ist es fremd, wie eine solche Entscheidung genau in dem Moment, als sich die realistische Aussicht auf ein fraktionsübergreifendes Vorgehen ergab, in eine parteipolitische Auseinandersetzung gezogen wurde.“ Dies sei „traurig, und es ist vor allem auch völlig unnötig“. Es gehe „um eine Entscheidung, die die tiefsten Überzeugungen von Menschen und die Ehe, einen Grundpfeiler unserer Gesellschaft berührt“. Jeder Abgeordnete solle deswegen in Respekt vor den unterschiedlichen Sichtweisen seinem Gewissen folgen können.

Die Kanzlerin war am Montagabend überraschend vom klaren Nein der CDU zur Ehe für alle abgerückt und hatte damit die aktuelle Entwicklung ins Rollen gebracht. Die SPD nahm ihre Äußerungen zum Anlass, eine schnelle Abstimmung gemeinsam mit Linken und Grünen durchzusetzen und die Union damit drei Monate vor der Wahl in die Enge zu treiben.

Die Mehrheit der Deutschen befürwortet die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Wie die Bild-Zeitung mit Verweis auf eine Insa-Umfrage vom Mittwoch berichtet, sind 74,7 Prozent der Befragten für die „Ehe für alle“, 19,8 Prozent sind dagegen. Zwei Drittel der 1.001 Befragten (65,9 Prozent) befürworten zudem ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Nur jeder Fünfte (22 Prozent) ist der Umfrage zufolge dagegen.

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21 Kommentare

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  • So was Dummes aber auch!

     

    Da fährt die SPD der Kanzlerin bei einer erneuten Trickserei ganz schön in die Parade. Und dabei hatte Merkel alles so schön geplant: Heute spielt sie die ach so aufgeschlossene Liberale, die sogar von Anhängern der Linken gewählt werden kann und nach der Wahl stellt sich leider, leider heraus, dass das Ganze bei einem Großteil ihrer eigenen Partei nicht durchsetzbar ist.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...ach bitte, lasst doch das 'gleichgeschlechtlich', 'verschiedengeschlechtlich', oder was auch immer, einfach weg. Eigentlich geht's doch 'nur' um die Ehe zwischen zwei MENSCHEN.

  • Vielleicht hätten Merkel und Seehofer schon vor Jahren den Koalitionsvertrag auch lesen sollen, den sie mit der SPD geschlossen haben.

     

    Ich zitiere hier nur mal aus der Präambel:

    „Wo Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen, wollen wir sie unterstützen.

    Unsere Gesellschaft braucht starke Familien. Deshalb wollen wir Ehe und

    Familie stärken. In einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft wollen wir gleiche Rechte

    für alle Bürgerinnen und Bürger.“

     

    Der Koalitionsvertrag umfasst die Zeit der Legislaturperiode und nicht irgendeinen Herbst danach und er hat auch naturgemäß nicht die „realistische Aussicht auf ein fraktionsübergreifendes Vorgehen“ zum Inhalt oder zur Bedingung.

  • Im Ernst jetzt. Die Union ist gerade mal seit 12 Jahren an der Regierung! Man muss es wirklich nicht übereilen. Gerade jetzt wo sie SO kurz davor standen, was zu tun... Spätestens im Herbst wären sie es angegangen. 2022. Vielleicht.

  • Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes haben Verfassungsrang. Dieses hat 2002 entschieden, daß Ehe eine auf Dauer angelegte Gemeinschaft nicht gleichgeschlechtlicher Personen ist und das diese Nichtgleichgeschlechtlichkeit ihr Wesensmerkmal ist. Wenn jemand das also verändern möchte, ist es mit einer Abstimmung im Bundestag nicht getan, sondern es muß eine Grundgesetzänderung her. Da unserer Regierung dieses Erfordernis ganz offenbar aber völlig egal ist, überlege auch ich mir mittlerweile, wie ich persönlich es mit dem Einhalten von Gesetzen so zu sehen habe, gell ? Was der Regierung recht, ist mir billig.

    • @Thomas Schöffel:

      Die Verfassung schützt Sie gegen die Willkür des Staates. Inwiefern muss Sie den die Verfassung beim Thema der Ehe für alle schützen?

      Fühlen Sie sich doch Gleichbehandlung benachteiligt?

    • @Thomas Schöffel:

      Auch das ist falsch. In Artikel 6 GG ist nicht definiert, was eine Ehe ist. Für die Eheöffnung ist daher auch keine Grundgesetzänderung notwendig, wie gern behauptet wird. Es genügt eine Klarstellung im Bürgerlichen Gesetzbuch (§1353 BGB), die im Bundestag mit einfacher Mehrheit beschlossen werden könnte.

       

      Die Ehe ist eine zivilrechtliche Institution, d.h. die staatliche Ehe. Daneben gibt es noch das, was wir im Kirchenrecht unter Ehe verstehen. Man sollte also nicht das kirchliche Recht mit dem staatlichen vermischen.

       

      Die Bedeutung und das Verständnis dafür, was unter einer Ehe zu verstehen ist, hat sich in der Geschichte immer verändert.

       

      Das betrifft sowohl die Vorstellung die die GG-Mütter und Väter 1949 unter Ehe verstanden (ganz sicher hatten die die allgemeingültige Ehe nicht im Kopf!) als auch die Ehevorstellung aus dem 17. oder 19. Jahrhundert.

       

      Lange Zeit ging es bei der Heirat um Statussicherung, Friedenssicherung. Erst seit dem 18. Jh. wird eine Liebeshochzeit als romantisches und auch bürgerliches Ideal gesehen. Eherecht ist also nicht etwas statisches!

       

      Die zu Recht von Rainer er B. zitierte Feststellung des Bundesverfassungsgerichts aus 2002 führte dann in den folgenden 15 Jahren bis heute zu einer stringenten BVerwG- Urteilssprechung Pro-Gleichstellung.

       

      Im einem der letzten Urteile, ich meine es war eines der zu den Adoptionsvarianten, sukzessiv oder Stiefkind, war dann der entscheidende Satz drin, nach der das Gericht eigentlich keine Notwendigkeit mehr gesehen hat eine Unterscheidung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft vorzunehmen.

       

      Zur Verwaltungsvereinfachung kann daher das Institut der Ehe auch auf Verbindungen gleichgeschlechtlicher Partner übertragen werden. So die Interpretation vieler Rechtsexperten.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Thomas Schöffel:

      "Das Grundgesetz selbst enthält keine Definition der Ehe, sondern setzt sie als besondere Form menschlichen Zusammenlebens voraus. Die Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Schutzes bedarf insoweit einer rechtlichen Regelung, die ausgestaltet und abgrenzt, welche Lebensgemeinschaft als Ehe den Schutz der Verfassung genießt."

    • @Thomas Schöffel:

      „Der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen.“

       

      BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Juli 2002

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @Rainer B.:

        ...weiter unten wird's noch interessanter

  • Naja, wenn die Mehrheit jetzt plötzlich zählt und man reaktionäre Dummheiten plötzlich abschafft dann kommt die CSU natürlich in Teufels Küche.

     

    Kann einem also schon Leid tun der Seehofer - muss aber nicht!

  • Gerade Horst Seehofer soll sich bloß nicht so anstellen. Wie oft hat nicht er seine Anliegen rücksichtlos durchgedrückt und die Koalitionspartner SPD, aber auch die CDU geradezu erpresst. Geschieht ihm völlig recht. Und die Trauer der Kanzlerin lässt meine Augen ebenfalls trocken.

  • Einfache Taktik wenn man dafür ist und dagegen erreicht man 100% der Zielgruppe...

     

    wie die CDU bei der Ehe für alle: Wenn wir später abstimmen ist es besser, oder übersetzt, man muss den Wähler nicht verprellen (zumindest denken die das der Wähler genauso konserativ, religiös verbohrt ist wie man selbst). Also am besten keine Position beziehen. Was uns die schwarzen Nullen gerade versuchen durch die Blume zu sagen ist doch folgendens: man ist dagegen, hält sich aber offen die Meinung zu ändern... wenn man dann mal abstimmt im Herbst, in irgend einem, vielleicht schon diesem, aber vielleicht auch nicht. Aber das Thema ist wichtig, drum schreibt man es wieder in den Koalitionsvertrag... ist ja quasi schon ne Tradition.

  • Seehofer hat recht ;-), das hätte mensch "auch in aller Ruhe im Herbst machen können".

     

    Z. B. im Herbst 2001.

     

    Ansonsten: Merkel abwählen und mit Martin Schulz als Kanzler in die Wahl einsteigen ... das wäre was.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Holterdipolter ? Der entsprechende Gesetzentwurf der Landesregierung von Rheinland-Pfalz datiert vom 02.06.2015 und fusst auf einem deckungsleichen Antrag aus dem Jahr 2013, der eine Mehrheit in der Länderkammer fand.

    https://www.welt.de/regionales/rheinland-pfalz-saarland/article141821953/Rheinland-Pfalz-macht-Druck-fuer-Homo-Ehe-per-Gesetz.html

     

    Die Entwürfe der Linken und Grünen dümpelten ebenfalls seit 2015 im Parlament.

     

    Der Deutsche Bundestag schreibt auf seiner Seite:

     

    "Weil der Rechtsausschuss ihre Gesetzentwürfe zur gleichgeschlechtlichen Ehe vor sich her schiebt, haben die Oppositionsfraktionen zur Geschäftsordnung gegriffen. Am Donnerstag, 18. Februar 2016, gab es nun eine Debatte im Plenum. (...) Wenn ein Gesetzentwurf in zehn Sitzungswochen nicht behandelt wird, ermöglicht es die Geschäftsordnung, eine solche Debatte zu erzwingen."

    http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw07-de-gleichgeschlechtliche-ehe/405868

     

    Die Debatte verlief fruchtlos, aus den Reihen von CDU/CSU (das sind die mit dem angeblich christlichen Weltbild), wurde um Geduld gebeten: "Lassen Sie uns Zeit."

     

    Nunmehr weitere 16 Monate Untätigkeit später, greinen die schwarzen Herrschaften herum und nennen die Herstellung menschen- und grundrechtsgemäßer Zustände "Fraktionsbruch."

     

    Frau Merkel schwadroniert von einem fraktionsübergreifenden Vorgehen, schliesst sich aber den Gesetzentwürfen nicht an, sondern gibt die Abstimmung frei (was das genaue Gegenteil ist).

     

    Somit haben sie (und ihre Parteifreunde) es verpasst, die ungeheuerliche Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung abzustellen. gleichzustellen.

  • Die CDU/ CSU hätte gerne mehr Zeit?! Es hat ohnehin schon lange genug gedauert, an diesen Punkt zu kommen. Man hätte dieses Thema nämlich eben NICHT im Herbst noch einmal aufgegriffen. Und wenn, wäre es wieder völlig zerredet worden. Also Daumen hoch für diesen Fortschritt!

    Aber, liebe taz´ler, bitte, bitte keine Informationen aus "Bild" in einem Artikel bringen. Sobald ich jemanden dieses bedruckte Klopapier zitieren sehe, ist die Information nicht mehr glaubwürdig.

  • Ich kann verstehen, dass viele in der CDU ueber diesen "Coup" nicht sehr gluecklich sind. Es gibt da allerdings nur eins zu zu sagen: Fucking deal with it.

  • ...vielleicht sollte die SPD nach der "Ehe für alle" einen Schritt weitergehen und Angela Merkel noch in dieser Legislaturperiode abwählen und Martin Schulz zum neuen Bundeskanzler wählen. Nur jetzt gibt es noch diese Stimmenmehrheit im Bundestag...

    • @Der Alleswisser:

      "Nur jetzt gibt es noch diese Stimmenmehrheit im Bundestag..."

       

      Nicht für Schulz.

      • @agerwiese:

        ...ich weiß, dass diese Wahl nicht kommen wird. Das Problemkind ist die SPD selbst. Wer die Nicht-Wahl von Andrea Ypsilanti (SPD) zur Ministerpräsidentin von Hessen noch erinnert, weiß, zu welchen verheerenden internen Desastern die SPD fähig ist...