Union und die Coronaregeln: Gutsherrenart beim FC Union

Bei der Feier der Fans am vergangenen Wochenende wurden erneut die Hygieneregeln missachtet. Der Umgang des Vereins damit nervt.

Unions-Fans feiern ihre Mannschaft ohne Abstand und Masken, Samstag, 22. Mai Foto: dpa

Eine Sause mit 4.000 Menschen hat Union Berlin am vergangenen Wochenende gefeiert, um die sensationelle Qualifikation der Männer für die Conference League zu begießen. Ja, es gibt sie noch, die Fans, die glücklich sind über die Teilnahme an einem völlig bedeutungslosen Format, das vor allem die Uefa reicher machen soll und wahrscheinlich in fünf Jahren wieder eingestampft wird. Einmal europäisch spielen ist der Traum, der Fans bis in die dritte Liga hinunter die mageren Jahre ertragen lässt.

Weniger freudig reagierten Medien, Politik und Breitensport darauf, dass ohne Masken und Abstand gefeiert wurde und der Klub am Treiben fröhlich teilnahm. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller kündigte ein „Nachspiel“ für Union an, und Thomas Härtel, Präsident des Landessportbunds Berlin, twitterte: „Und wir versuchen unter Einhaltung der Hygieneregeln den Amateur- und Breitensport zu öffnen!“

Nun kann man angesichts stark sinkender Infektionszahlen durchaus für mehr Lässigkeit plädieren. Die Fans im Stadion waren getestet, die Feier draußen. Nervtötend ist eher die dauerhafte Ignoranz von Union Berlin bei diesem Thema. Man wollte zu Beginn der Pandemie trotz eindringlicher Warnungen noch vor vollem Haus gegen den FC Bayern spielen. Dirk Zingler drängte im vergangenen Jahr permanent darauf, wieder Fans ins Stadion zu lassen. Der große Zampano des FCU interessierte sich nie besonders dafür, wie solidarisch das mit anderen Menschen ist, solange es Union guttun konnte.

Entsprechend klang die Erläuterung: „Wir spüren aber seit Wochen im Grunde genommen, […] dass die Menschen ein bisschen rausstreben aus der Situation.“ Deshalb, so Zingler weiter, „haben wir uns gestern dazu entschieden, um diesem Druck nochmal Raum zu geben“. Auf Deutsch: Dirk Zingler weiß, was das einfache Volk bewegt, und hat nach Gutsherrenart beschlossen, dass es jetzt auch mal reicht mit Verboten. Und sowieso, „sie hätten sich Zugang wahrscheinlich verschafft“. Kann man halt nichts machen.

Richtig ist, dass die Feierei – wenn nicht auf dem Union-Gelände – natürlich irgendwo anders stattgefunden hätte. Massenpartys und Massenwut gab es zum Ende der Männerfußballsaison nicht nur in Berlin, sondern allerorten, etwa beim Aufsteiger aus Bochum (7.000 Fans), beim Absteiger Werder Bremen (1.500 Fans), in Rostock und in Köln. Es ist unglaubwürdig, dass sich darüber jetzt alle empören, denn das war vor der Saison absehbar und wurde tausendfach prophezeit.

Der Fußball macht sein Geld mit Emotionen. Auf- und Abstieg und internationaler Wettbewerb dienen dazu, besonders viel davon und ergo Geld zu produzieren. Eine sensationelle Quali oder ein Titel kommt für viele Fans in der Bedeutung kurz nach dem Hochzeitstag oder der Geburt des Kindes. Den Massenrausch in einer emotionalen Extremsituation zu unterdrücken ist schwer. Wer diese Kultur ganz gezielt fördert, darf sich über die Ergebnisse nicht wundern.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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