Union streitet um Homo-Gleichstellung: Denkt denn keiner an die Kinder?
Der Chef der Unionsfraktion, Volker Kauder, will kein volles Adoptionsrecht für Homo-Paare. Parteifreunde reagieren empört.
BERLIN taz | Bevor sich CDU-Politiker im harmonieseligen Bundestagswahlkampf öffentlich per Pressemitteilung anraunzen, muss schon ein mittlerer Hammer passieren. Das jüngste Interview von Volker Kauder, Chef der Unionsfraktion im Bundestag, mit dem stark traditionsfamiliär orientierten christlichen Magazin pro gehörte nach Ansicht einiger Parteifreunde wohl in diese Kategorie.
Volker Kauder („Jesus Christus ist unser Maßstab“) machte der evangelikalen pro-Leserschaft – die man mit dieser Charakterisierung gewiss nicht beleidigt – ein Wahlversprechen, das Schwule und Lesben in der christlichen Partei selbst als Affront empfinden müssen. Das volle Adoptionsrecht für homosexuelle Paare könne mit der Union „in keiner Koalition vereinbart werden“, versicherte Kauder. Begründung für diesen Superlativ, der so tut, als sei die Union allein in der Regierungswelt: Beim Adoptionsrecht dürfe es ausschließlich um das Kindeswohl gehen. Doch nach den „Erkenntnissen der analytischen Psychotherapie“, welche auch immer er meinen könnte, sei es „für Kinder das Beste, wenn sie väterliches und mütterliches Prinzip erleben“.
Die Gruppe der Lesben- und Schwulen in der Union (LSU) reagierte empört. Kauder biedere sich mit seinen weder wissenschaftlich noch gesellschaftlich haltbaren Thesen zum Kindeswohl bei „christlichen Fundamentalisten an“, sagte LSU-Chef Alexander Vogt in einer schriftlichen Mitteilung an die Presse. Und: Diese Position des Fraktionschefs sei „nicht zukunftsfähig“ – denn: „Der Logik zufolge müsste man alleinerziehenden Eltern die Kinder wegnehmen und sie in Obhut von Pflegeeltern geben – das kann selbst Volker Kauder nicht ernsthaft wollen.“
„Selbst Volker Kauder nicht“? – So grüßen sich wohl echte Parteifreunde. Sicher ist: Der Streit wird der Union auch nach der Bundestagswahl in knapp drei Wochen erhalten bleiben. Denn ihre potenziellen KoalitionspartnerInnen – sowohl die FDP als auch SPD und die Grünen – versprechen dieser Tage den WählerInnen, die Gleichstellung von Homosexuellen beim Adoptionsrecht zügig voranzutreiben. Und auch das Bundesverfassungsgericht hat das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare auf der Agenda.
Zur Erinnerung: Bislang hat der traditionskonservative Mainstream in der CDU und noch stärker der CSU alles versucht, die rechtliche Gleichstellung Homosexueller zu sabotieren, wenigstens zu verschleppen. Alle bürgerrechtlichen Projekte mussten mithilfe des höchsten Gerichts in Karlsruhe durchgesetzt werden, hauptsächlich gegen die Parteien mit dem C – dem Verfassungsgericht beugte sich die seit 2005 wirkende Regierungspartei wenigstens teilweise. Inzwischen arbeiten in der Kanzlerinnenpartei auch Abgeordnete, die offen bekennen, die bürgerrechtlichen Anliegen der Lesben- und Schwulenbewegung zu teilen.
Kaufmann: „Nicht vorfestlegen“
Einer von ihnen ist Stefan Kaufmann, CDU-Direktkandidat in Stuttgart und dort Konkurrent von Grünenchef Cem Özdemir. Er äußerte zum Zank um das Adoptionsrecht von homosexuellen Paaren der taz gegenüber: „Es ist sinnvoll, sich in dieser strittigen Frage nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen und Vorfestlegungen zu vermeiden“, so der Unionsparlamentarier, seit 2009 im Bundestag und dort erster offen schwules Fraktionsmitglied seiner Partei im Bundestag.
Die Bemerkung des baden-württembergischen Kandidaten wird beim potenziellen Koalitionspartner der Union, der SPD, Gefallen finden. Auf die Bekundung Volker Kauders antworteten nämlich Johannes Kahrs, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Hamburg und Sprecher für schwul-lesbische Angelegenheiten, und Johannes Dittmar, Vorsitzender Schwusos, eindeutig: „Ein so diskriminierender und realitätsferner Standpunkt, wie ihn Herr Kauder vertritt, ist für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht hinnehmbar.“
Seine Thesen seien auch in dem von ihm anvisierten Kreis von Christen nicht mehrheitsfähig. „Die Mehrheit der evangelischen und auch der katholischen Gläubigen ist weitaus offener als Herr Kauder.“ Es sei darüber hinaus „gänzlich unverschämt“ und dreist, wenn Kauder sage, dass die Union „alles tun“ werde, um die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare zu verhindern.
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