Union Progressiver Juden klagt: Beschwerde für Staatsvertrag
Liberale Juden pochen auf Gleichbehandlung mit dem Zentralrat der Juden. Jetzt haben sie eine Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.
Hauptunterschied zwischen der liberalen und der orthodoxen Strömung im Judentum ist die Gleichberechtigung der Geschlechter. In liberalen Gemeinden können Frauen alle Ämter einnehmen und im Gottesdienst sitzen Männer und Frauen bunt gemischt.
In Deutschland hat das liberale Judentum eigentlich seinen Ursprung, wurde jedoch im Faschismus ausgelöscht. Die jüdischen Gemeinden wurden nach dem Krieg überwiegend von „Displaced Persons“ aus Osteuropa wiederaufgebaut, die der orthodoxen Richtung anhingen und den Zentralrat dominierten und dominieren. Erst 1997 gründete sich die Union Progressiver Juden (UPJ).
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat mit der Bundesregierung 2003 einen Staatsvertrag über garantierte finanzielle Unterstützung ausgehandelt. So erhält der Zentralrat im Jahr 2024 rund 22 Millionen Euro aus dem Bundesetat. Davon sollen aber nur 189.000 Euro als institutionelle Förderung an die UPJ gehen, „weniger als ein Prozent“, wie die UPJ in ihrer Verfassungsbeschwerde kritisiert.
Laut der Klageschrift, die der taz vorliegt, vertritt der Zentralrat derzeit rund 94.000 Gläubige in 104 Gemeinden, während die UPJ rund 4.000 Gläubige in 19 Gemeinden organisiert. Die UPJ hält es deshalb für angemessen, wenn sie zwischen vier und fünfzehn Prozent der Staatszuwendungen erhielte.
Klage hat gute Chancen
Die UPJ verlangt mit ihrer Hauptforderung einen eigenen Staatsvertrag, so dass sie nicht auf die „willkürliche“ Weiterleitung von Gelder durch den Zentralrat angewiesen ist. Alternativ wäre die UPJ aber auch damit zufrieden, wenn der Staatsvertrag mit dem Zentralrat um eine inhaltlich präzise Weiterleitungspflicht von Zuwendungen in angemessener Höhe ergänzt wird.
Zwar habe eine Religionsgemeinschaft keinen originären Finanzierungsanspruch gegen den Staat. Wenn der Staat jedoch eine Religionsgemeinschaft finanziell fördere, ergebe sich aus der staatlichen Pflicht zur religiösen Neutralität ein Teilhabeanspruch anderer Religionsgemeinschaften, argumentiert Anwalt Christofer Lenz, der die Klage geschrieben hat.
Die Klage in Karlsruhe hat gute Chancen, weil sie sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2009 berufen kann. In einem ähnlichen Konflikt erklärten die Richter:innen damals, der Staat dürfe eine Religionsgemeinschaft nicht in ein „Abhängigkeitsverhältnis“ von einer anderen Religionsgemeinschaft bringen.
Die Lage hat sich 2023 allerdings verkompliziert, weil sich sieben der bis dahin 26 liberalen jüdischen Gemeinden von der UPJ lossagten und unter dem Dach des Zentralrats zum „Jüdisch liberal egalitären Verband“ (JLEV) zusammengeschlossen haben. Die UPJ warnte, der finanzstarke Zentralrat werbe ihr die Gemeinden ab.
Tatsächlich ist die Abspaltung aber auch eine Folge interner Konflikte, um den langjährigen UPJ-Vorsitzenden Walter Homolka, dem Machtmissbrauch vorgeworfen wurde.
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