Unicef-Studie zu Flüchtlingsunterkünften: Heime sind nicht kindgerecht

Zu eng, zu dreckig, zu unsicher – eine Studie sieht Mängel bei der Unterbringung minderjähriger Flüchtlinge in deutschen Heimen.

Kinder vor einer Unterkunft

„Kindheit im Wartezustand“ nennt Unicef seine Studie über die Situation von Minderjährigen in Flüchtlingsunterkünften Foto: dpa

BERLIN taz | Viele Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland sind keine sicheren Orte für Kinder. Zu diesem Schluss kommt eine Studie im Auftrag des UN-Kinderhilfswerks Unicef, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.

Demnach führe „fehlende Privatsphäre, nicht abschließbare Sanitäranlagen und das Miterleben von Gewalt und Konflikten“ zu einer erheblichen Behinderung der Integration, so Adam Naber, Sprecher des Bundesfachverbandes für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. und einer der Autoren der Studien.

Für die nicht-repräsentative Studie hat der Fachverband 447 haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern in Flüchtlingsunterkünften per online-Fragebögen interviewt.

Zwar lobt Unicef die Arbeit der Bundesrepublik bei der Bewältigung der sogenannten Flüchtlingskrise. Im internationalen Vergleich nehme die Deutschland sogar eine Vorreiterrolle ein.

Demnach leben die Kinder mit zu vielen, fremden Menschen auf zu engem Raum – teilweise „unter unzureichenden hygienische Bedingungen“

Doch viele Flüchtlingsunterkünfte seien nicht kindgerecht, so Mitautor Naber. Demnach leben die Kinder mit zu vielen, fremden Menschen auf zu engem Raum – teilweise „unter unzureichenden hygienische Bedingungen“. Zudem seien sie häufig Zeugen von Spannungen und Konflikten. Laut Studie sollen sogar zehn Prozent der Kinder selbst Opfer von verbaler und physischer Gewalt geworden sein.

Hinzu kämen die langen Wartezeiten bei den Asylverfahren, sagt Naber. Mit Inkrafttreten des ersten „Asylpakets“ 2015 ist die maximale Zeitspanne, die minderjährige Flüchtlinge in Massenunterkünften verbringen können, von drei auf sechs Monate verdoppelt worden.

Schulbesuch abhängig vom Bundesland

Integration könne so nicht gelingen, beanstanden die Autoren. Vor allem Kinder und Jugendliche aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten litten unter den Zuständen in Notaufnahmeeinrichtungen. Sie würden zusätzlich von anderen Mitbewohnern ausgegrenzt und diskriminiert.

Christian Schneider, Geschäftsführer von Unicef Deutschland kritisiert, dass es vom jeweiligen Bundesland abhängig sei, ob ein Kind einen Kindergarten oder eine Schule besuchen könne. Nur ein Drittel der befragten Mitarbeiter in Erstaufnahmeeinrichtungen bestätigte, dass die Kinder eine Regelschule besuchten. Teils erhielten die Kinder in der Unterkunft Unterricht, aber 20 Prozent der Mitarbeiter gaben an, dass die Mädchen und Jungen in ihren Einrichtungen gar keine Schulbildung erhielten. Auch die ärztliche Versorgung beispielsweise von Müttern mit Kleinkindern schwanke von Bundesland zu Bundesland.

Schneider hob hervor, dass jedes Kind, unabhängig davon, wo es herkommt, ein Recht auf den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung habe. Denn „gerade den Kindern die bestmögliche Starthilfe in Deutschland zu geben, ist eine gute, wenn nicht eine der wichtigsten Investitionen für unsere Gesellschaft“, sagt Schneider.

Deshalb fordern Unicef und der Bundesverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einheitliche Mindeststandards. Explizit fordern sie eine gesetzliche Regelung, die gewährleistet, dass Kinder mit ihren Familien möglichst zügig in eigene Wohnungen ziehen können und Zugang zu Bildungseinrichtungen erhalten.

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