Ungleichheit in der Arbeitswelt: Gute Jobs wirken bis ins Alter
Längere Lebensarbeitszeit verstärkt Ungleichheit, sagen Demografieforscher:innen. Besserverdienende können besser länger arbeiten.
Diese Koppelung könnte aber Ungleichheiten befördern. Denn es sind bisher schon vor allem besser verdienende Beschäftigte, die länger arbeiten. Dies geht aus einer neuen Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock hervor.
„Es wird länger gearbeitet, aber Geringverdienende sind dabei benachteiligt“, sagt Studienleiter Christian Dudel der taz. Laut der Erhebung hat die Lebensarbeitszeit in den vergangenen Jahrzehnten zugelegt. Westdeutsche Männer des Jahrgangs 1955, die in akademischen oder Leitungspositionen tätig waren, arbeiteten im Schnitt noch achteinhalb Jahre nach ihrem 55. Lebensjahr, bevor sie in den Ruhestand wechselten. Die westdeutschen Männer, die nur angelernte Jobs ausübten, waren hingegen nur noch fünf Jahre jenseits des 55. Lebensjahres berufstätig.
Bei ostdeutschen Männern und Frauen sowie bei westdeutschen Frauen waren die Lebensarbeitszeiten insgesamt kürzer als bei den westdeutschen Männern. Auch dort aber waren die gut Ausgebildeten auf höheren Positionen länger tätig als niedrig Qualifizierte in Helferjobs. Die Studie bezog sich auf Daten aus dem Mikrozensus von 1996 bis 2019. „Die Aufgabe für die Zukunft besteht darin, ein längeres Erwerbsleben zu ermöglichen, ohne aber die Ungleichheiten zwischen den verschiedenen Beschäftigtengruppen zu vergrößern“, sagt Dudel.
Warum genau die Menschen in angelernten Jobs früher ausschieden, ob der Grund eine Arbeitslosigkeit war, eine Krankheit oder eine Erwerbsminderungsrente oder eine Rente mit hohen Abschlägen, geht aus der Studie allerdings nicht hervor.
Aber bedeutet ein längeres Leben auch automatisch längere gesunde Arbeitsjahre? Man gehe davon aus, dass die Lebensarbeitszeit jenseits des 55. Lebensjahres zu 90 Prozent aus sogenannter „gesunder Lebensarbeitszeit“ und zu zehn Prozent aus „ungesunder Lebensarbeitszeit“ bestehe, sagte Dudel.
Unter „ungesunder Lebensarbeitszeit“ verstehe man dabei Berufsjahre, in denen die Beschäftigten im Alltag altersbedingt schon unter Einschränkungen leiden, aber immer noch berufstätig sind, so Dudel. Das Verhältnis zwischen „gesunder“ und „ungesunder“ Lebensarbeitszeit werde laut der Prognosen auch dann beibehalten, wenn sich die Lebenserwartung verlängere.
Weniger Geld, kürzeres Leben
Es gibt allerdings ebenfalls Ungleichheiten in der Lebenserwartung: Menschen mit niedrigen Einkommen haben eine kürzere Lebenserwartung und stehen daher auch kürzer im Rentenbezug. Nach Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) lag die mittlere Lebenserwartung von Männern der niedrigsten Einkommensgruppe bei Geburt stolze 8,6 Jahre unter der von Männern der höchsten Einkommensgruppe. Auch bei Frauen gibt es diese Unterschiede, die aber nicht so gravierend sind.
Die Frage stellt sich, inwieweit es arbeitsmedizinisch möglich ist, zwischen belastenden und weniger belastenden Tätigkeiten zu differenzieren und dies auch in der künftigen Rentenpolitik zu berücksichtigen. Körperliche und mentale Belastungen objektiv zu quantifizieren, stellt sich als sehr schwierig dar. „Die Forschung steht damit erst am Anfang. Das wird in den kommenden Jahren womöglich eine zunehmende Rolle spielen“, sagt Dudel.
Ein Problem besteht darin, dass sich Belastungen auch bei ansonsten gleichen Tätigkeiten deutlich unterscheiden können, auch weil sie von der jeweiligen Wochenarbeitszeit, der Führungskultur und Organisation im Unternehmen und der subjektiven Resilienz abhängen.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat in Zusammenarbeit mit der Leuphana Universität Lüneburg einen Late Life Workplace Index (LLWI) entwickelt, an dem sich Unternehmen orientieren können, wenn sie ein altersgerechtes Arbeitsumfeld bieten wollen. Dabei spielen ergonomische Erleichterungen, ein wertschätzender Führungsstil und altersgerechte Arbeitszeiten eine entscheidende Rolle.
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