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Ungleiche LöhneDer BBC-Kollegin Carrie Gracie reicht’s

Ihre männlichen Kollegen verdienen das Doppelte. Das wollte die Top-Reporterin der BBC nicht mehr hinnehmen – und verließ ihren geliebten Posten.

Carrie Gracie hat genug von der Ungerechtigkeit bei der BBC Foto: ap

Seit drei Jahrzehnten arbeitet Carrie Gracie beim britischen Sender BBC – und sie gehört dort zu den intelligentesten und fähigsten Journalist*innen. Wer sich in den letzten Jahren für China interessierte, lernte ihre großartigen Berichte und Analysen schätzen. Seit 2014 hat sie nicht nur das Büro in Peking geleitet, sondern war als „China-Editor“ auch eine der vier ranghöchsten BBC-Auslandsredakteure überhaupt.

Jetzt aber sagt sie: „Es reicht.“

In einem offenen Brief, der am Sonntag auf ihrer Webseite erschien, klagt die 1962 geborene Carrie Gracie ihre „geliebte“ Organisation an: Die BBC bezahle die Journalistinnen in ihren Diensten rechtswidrig, systematisch und mit gewaltigem Abstand schlechter als ihre männlichen Kollegen. Damit nicht genug: Die BBC verteidige die Privilegien der Männer weiterhin mit betonköpfiger „Bunkermentalität“.

Aus diesem Grund sehe sie sich gezwungen, ab sofort von ihrem Posten als China-Editor und Chefin des Pekinger BBC-Büros zurückzutreten und als einfache Journalistin in die Londoner Nachrichtenredaktion zurückzukehren.

Kampf für künftige Generationen

Was war geschehen? Wie Carrie Gracie berichtet, war sie – wie viele ihrer Kolleginnen – zutiefst schockiert, als die BBC im Juli vergangenen Jahres erstmals einen Überblick über Spitzengehälter in der Organisation veröffentlichte. Sie stellte fest, dass die beiden männlichen der vier Top-Redakteur*innen jeweils „mindestens 50 Prozent mehr als die beiden Frauen“ erhielten – und das, obwohl man ihr den Posten mit der Zusicherung gegeben hatte, dass sie ebenso wie ihre männlichen Kollegen bezahlt werde. Alle ihre Versuche, die BBC grundsätzlich zu einer Gleichbehandlung der Frauen zu bewegen, seien gescheitert. Das gehe nicht nur ihr so. Wer sich beschwere, riskiere Disziplinarmaßnahmen oder gar Entlassung.

Gracie war 1985 zuerst nach China gekommen, wo sie als Lehrerin arbeitete. Später studierte sie Chinesisch. Sie spricht fließend Mandarin und machte sich seit den neunziger Jahren einen Namen mit Berichten aus dem Pekinger Politikbetrieb und Reportagen aus entlegenen Regionen, die ein genaues Bild der gewaltigen sozialen Umwälzungen Chinas zeichneten. Sie ist Mutter zweiter Kinder und bezog zuletzt, wie sie dem Guardian sagte, ein Jahresgehalt von 135.000 Pfund (ca. 147.000 Euro). Man habe ihr nach langen Debatten eine Gehaltserhöhung geboten, die allerdings nicht dem ihrer männlichen Kollegen entsprach.

Doch es gehe ihr gar nicht darum, betont sie in ihrem offenen Brief, für sich persönlich mehr herauszuschlagen: „Ich fordere nicht mehr Geld. Ich glaube, dass ich schon sehr gut bezahlt werde.“ Vielmehr müsse die grundlegende Ungerechtigkeit in der BBC ein Ende finden. Es tue ihr leid, ihren Posten in Peking so abrupt zu verlassen, in ihrem Büro dort arbeiteten „brillante junge Frauen“, schreibt Gracie. Aber deren Generation solle den Kampf gegen Diskriminierung nicht in Zukunft immer noch kämpfen müssen – „weil meine Generation es versäumt hat, ihn jetzt auszufechten“.

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3 Kommentare

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  • @ FLY + DISENCHANTED. Der typische Reflex wenn Frauen Ansprüche stellen, nicht nur bei der BBC, auch bei den taz-Kommentaren: Man zweifelt an der Rechtmässigkeit der Forderungen. Man lese den offenen Brief von Carrie Gracie, dann wird klar, dass es von Seiten der BBC keine konkreten Gründe gibt, weshalb ihr Lohn kleiner war. Der Konflikt ist mehr als ein halbes Jahr alt und es haben sich schon 200 Frauen wegen der ungleichen Bezahlung gewehrt. 50% mehr von 135'000 wären übrigens 2002'500. Ein etwas kleinlicher Kritikpunkt. Aber im Original kann man den Satz auch anders verstehen: "But last July I learned that in the previous financial year, the two men earned at least 50% more than the two women."

  • Zahlenwirrwarr

    "der vier Top-Redakteur*innen jeweils „mindestens 50 Prozent mehr als die beiden Frauen“

    sie bezog "ein Jahresgehalt von 135.000 Pfund"

     

    laut veröffentlichter Liste verdienten die 2 (männlichen) Top-Redakteure 1x im Bereich von 150-199.000 Pfund und einer 200-249.000 Pfund. Das sind nu mal keine "mind. 50%" mehr.

     

    (und, aber das ja ein Punkt der üblichen Debatte, es wäre trotz aller herausragenden Verdiente von Frau Gracie, zu fragen, ob die Aufgaben/ Leistungen wirklich übereinstimmen, oder ob in den anderen Bereichen größere Mitarbeiterstäbe zu managen waren, etc).

  • Jetzt warten wir erstmal ein paar Tage ab, bis die Details bekannt sind und dann sehen wir weiter. Der progressive Beißreflex, den man bei solchen Themen häufig beobachten kann, ist bei der Wahrheitsfindung wenig hilfreich.