Ungerechtfertigte Nebenkostenerhöhung: Nebyat T. darf bleiben
Die Räumungsklage gegen eine Familie in Bremen ist wohl nichtig: Der Immobilienkonzern hat sie kaum begründet. Ein Happy End gibt's aber noch nicht.
T. lebt seit fünf Jahren mit ihrer Familie in einem Wohnblock in der Robinsbalje in Huchting. Als die Berliner Immobiliengesellschaft Adler Wohnen 2017 das Haus übernimmt, werden die Nebenkosten plötzlich um 300 Prozent erhöht. Eine richtige Begründung gibt es nicht – ihr Anwalt empfiehlt T., die Erhöhung nicht zu zahlen. Nun soll T., im achten Monat schwanger, mitsamt ihren drei Kindern wegen Mietrückstands gekündigt werden.
Die Verhandlung ist kurz. Schließlich liegt nicht viel vor, worüber gerichtet werden könnte. Vom Immobilienkonzern selbst ist niemand erschienen; die GmbH hat dem Gericht zur Begründung ihrer Klage nur Nebenkostenabrechnungen bis 2017 vorgelegt. „Ich habe meinen Mandanten mitgeteilt, dass das nicht reicht“, so der Bremer Anwalt des Berliner Unternehmens.
Selbst die Unterlagen, die vorliegen, scheinen nicht selbsterklärend zu sein: Berechnet würden Nebenkostenvorauszahlungen auf uralte Mieten, so die Richterin Marie-Elisabeth Andrae. Noch dazu, ergänzt T.s Anwalt, bleibe die Firma nicht konstant bei einer Summe, sondern habe „zwischenzeitlich ganz andere Forderungen aufgestellt“. „Ich habe jedenfalls erhebliche Schwierigkeiten, das Mietenkonto zu lesen“, so Richterin Andrae. „Man sollte eine Saldoklage schon so begründen, dass eine mit mittlerer Intelligenz ausgestattete Richterin sie verstehen kann.“
Die Räumungsklage ist unschlüssig
Die Erhöhung war zwei Wochen nach Abschluss des Mietvertrags mit der neuen Eigentümerfirma Adler erfolgt. Nach so kurzer Zeit könne man keinen so erheblich höheren Verbrauch begründen. „Da kann man eher von einer absichtlichen Täuschung bei Vertragsunterzeichnung ausgehen“, sagt Andrae.
Richterin Marie-Elisabeth Andrae
Die Immobilienfirma bekommt trotzdem noch die Gelegenheit, Unterlagen nachzureichen. Am 28. Mai soll mit neuen Dokumenten über den Fall entschieden werden – vermutlich aber eine Formalie, der Anwalt der Angeklagten teilte seiner Mandantin vor dem Gerichtssaal mit, dass sie zum nächsten Termin nicht unbedingt erscheinen müsse. Im Moment, so die Richterin, „ist die Klage unschlüssig.“ Es sieht gut aus für Nebyat T.
Draußen auf der Straße wird geklatscht, als nach der Verhandlung das Zwischenergebnis bekannt wird. T. lächelt. Das Mikro überlässt die Eritreerin dann doch lieber dem Dolmetscher, der in ihrem Namen allen Unterstützer*innen dankt. Einer der Söhne im Grundschulalter umarmt seine Mutter und lacht. „Jetzt brauche ich keine Angst mehr haben“, übersetzt der Dolmetscher seine Worte an sie.
Ein Happy End gibt es damit aber noch nicht. Bei Adler sind, glaubt man den Mieter*innen und ihren Unterstützer*innen, nicht nur die Nebenkostenabrechnungen verbesserungswürdig: Die Häuser seien feucht, Heizungen kaputt, Haustüren könnten nicht geschlossen werden.
Die Vorwürfe ähneln denen aus anderen Städten und sind auch in Bremen-Huchting nicht neu; 2018 gab es im Stadtteil deshalb schon einmal einen Runden Tisch in der Nachbarschaft, mit Beteiligung von Mieter*innen, dem Quartiersmanagement und dem Huchtinger Ortsamt; damals kamen auch Vertreter*innen der Adler Group aus Berlin dazu. Ein paar Arbeiten seien danach erledigt worden, erzählt ein Sozialarbeiter aus dem Quartier, aber strukturell habe sich nichts verändert: Noch immer sei das Unternehmen für die Mieter*innen nicht erreichbar, auf Beschwerden werde nicht reagiert.
Ein vom Gesundheitsamt beanstandetes Schimmelproblem werde nicht angegangen. „Für die Nachbarschaft war es eine frustrierende Erfahrung, dass auch der Runde Tisch nicht viel gebracht hat“, erzählt der Sozialarbeiter.
Jetzt, wo Mieter helfen Mietern und das Bremer Bündnis Zwangsräumungen verhindern im Boot sind, gibt es wieder Versuche, die Wohnsituation zu verbessern: Es finden regelmäßige Mieterversammlungen statt. Und bald will die Nachbarschaft einen gemeinsamen Mängelbrief an die Hausverwaltung schicken. „Eigentlich müsste der Konzern auf der Anklagebank sitzen“, findet eine der Unterstützerinnen vor dem Amtsgericht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert