Ungeklärte Haushaltslage: Hilfeschrei der Demokratiearbeiter
Wegen der Haushaltskrise stehen bei Förderprojekten Entlassungen und Kurzarbeit an. Auch das Gesetz zur Demokratieförderung hängt fest.
Weil die Ampel-Spitzen seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Haushalt noch keine Lösung für den Etat 2024 gefunden haben, hatte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) die Geförderten des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ zuletzt informiert, dass diese fürs kommende Jahr keine neuen Zahlungsverpflichtungen eingehen dürften. Auch neue Projekte oder die Aufstockung von Maßnahmen seien vorerst nicht möglich. Mit dem Programm waren für 2024 bisher 180 Millionen Euro für rund 600 Initiativen vorgesehen.
Unter den Projekten hat das massive Unruhe ausgelöst. „Wir brauchen jetzt die sofortige Freigabe der Fördermittel“, heißt es in dem offenen Brief von Initiativen wie dem Antidiskriminierungsverband, dem Kinderhilfswerk, von HateAid, Opferberatungsstellen oder Ausstiegshilfen. Nur so könne die Weiterarbeit der Projekte gesichert werden.
Die unsichere Lage hat bereits jetzt Folgen. So erklärte Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung, dass alle Mitarbeitenden, deren Verträge zum Jahresende ausliefen, nicht weiter beschäftigt werden könnten. Für langfristig Beschäftigte werde geprüft, Kurzarbeitergeld zu beantragen – was „erhebliche Einkommensverluste“ zur Folge hätte. „Die Kolleg*innen sind völlig am Ende“, so Reinfrank zur taz. Zudem müssten alle Aktivitäten für das erste Quartal 2024 abgesagt werden. „Die Koalition könnte der AfD kein größeres Weihnachtsgeschenk machen.“
Unsicherheiten sind im Ministerium bekannt
Auch Franz Zobel von der Thüringer Opferberatungsstelle ezra erklärt, die Arbeit seiner Initiative im schlimmsten Fall zum Jahresende ganz einstellen zu müssen. Die Entscheidung falle diese Woche. Eine psychosoziale Betreuung oder Prozessbegleitung von teils schwer traumatisierten Betroffenen müsse dann „von einem Tag auf den anderen abgebrochen werden“. Um das abzuwenden, brauche es zumindest die Erteilung eines „vorzeitigen Maßnahmenbeginns“.
Eine Sprecherin des Familienministeriums sagte am Montag der taz, man wisse von den „erheblichen Unsicherheiten“ der Träger und Mitarbeitenden des Bundesprogramms. Man unternehme „alle Anstrengungen, um zu gewährleisten, dass die wichtige Projektarbeit im Bundesprogramm auch 2024 in gewohnter Form und ohne Unterbrechung fortgesetzt werden kann“. Sobald die Ampel sich zum Haushalt 2024 geeinigt habe, werde hier „umgehend gehandelt“.
Auch der SPD-Bundesparteitag hatte am Wochenende Druck gemacht. Ein Antrag, das Programm „ohne Förderlücke“ 2024 fortzusetzen, fand dort eine Mehrheit – ebenfalls mit der Forderung nach Erteilung eines „vorzeitigen Maßnahmenbeginns“. Zugleich verhakt sich die Ampel derzeit auch beim Demokratiefördergesetz.
Dazu hatten Paus und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bereits vor einem Jahr einen Gesetzentwurf vorgelegt, der im Bundestag eigentlich bis zum Sommer verabschiedet sein sollte. Hier aber blockiert die FDP, die eine Wiedereinführung der umstrittenen Extremismusklausel fordert und warnt, dass mit dem Gesetz Initiativen gefördert werden könnten, die etwa legitime Kritik am Feminismus „bekämpfen“. Eine Meldung von Freitag, dass eine Einigung bei dem Gesetz gefunden wurde, entpuppte sich als verfrüht.
Demokratiefördergesetz soll nicht länger auf Eis liegen
In der SPD-Fraktion hieß es, man arbeite weiter auf eine baldige Verabschiedung hin. Das Gesetz sei angesichts der rechtsextremen Bedrohungen unerlässlich. Auch die Grüne Schahina Gambir sagte der taz, das Gesetz sei im Koalitionsvertrag vereinbart und „Demokratieförderung immer eine wichtige Aufgabe, in der derzeitigen Lage umso mehr“. Der Vorwurf, dass damit eine spezifische politische Agenda gefördert werde, sei angesichts von 600 Projekten „vollkommen unbegründet“.
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