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Ungarn schafft Geschlechterforschung abGender Studies von Unis verbannt

Ungarns Hochschulen dürfen ab sofort keine neuen Kurse im Studienfach Gender Studies beginnen. Dies wird als Angriff auf die Freiheit der Lehre kritisiert.

Die Regierung Orban propagiert ein rückwärtsgewandtes Geschlechterrollenbild (Archivbild) Foto: reuters

Budapest dpa | Ungarns rechts-nationale Regierung hat das Studienfach Geschlechterforschung – auch Gender Studies genannt – von den Universitäten verbannt. Ein von Ministerpräsident Viktor Orban unterzeichneter Regierungserlass streicht das Studienfach aus der Liste der in Ungarn zugelassenen Master-Kurse, berichtete das Nachrichten-Portal 444.hu am Montagabend. Der Erlass selbst datiert vom vergangenen Freitag.

Bereits im vergangenen August hatte die Regierung angekündigt, künftig keine Gender Studies mehr zuzulassen. Sie hatte dies mit der angeblich mangelnden Nachfrage nach Absolventen dieser Lehrgänge begründet. In der akademischen Welt wurde dies als schwerer Angriff auf die Freiheit von Lehre und Forschung kritisiert.

Die Orban-Regierung propagiert ein rückwärtsgewandtes Familien- und Geschlechterrollenbild. Die Gender Studies würden die „Fundamente der christlichen Familie“ untergraben, hieß es. Die wissenschaftliche Geschlechterforschung untersucht die soziale Abhängigkeit von Rollenbildern, das heißt die von sozialen Normen bestimmte Festlegung dessen, was als männlich und weiblich gilt.

Im Sinne des Regierungserlasses können bereits begonnene Lehrgänge in Gender Studies zu Ende geführt werden. Die Hochschuleinrichtungen des Landes dürfen aber ab sofort keine neuen Kurse in diesem Studienfach beginnen.

Derzeit bieten in Ungarn die staatliche Lorand-Eötvös-Universität (ELTE) und die private amerikanische Central European University (CEU) Master-Kurse in Geschlechterforschung an, mit jeweils rund 20 Teilnehmern. Beide Hochschulen sind in Budapest ansässig. Die von dem US-Philanthropen George Soros gegründete CEU ist unabhängig davon durch ein neues, auf sie zugeschnittenes Hochschulgesetz von der Schließung bedroht.

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2 Kommentare

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  • Ich verstehe das nicht! Warum können Leute nie mehr Geschlechterforschung studieren? Besonders in den letzten Jahren wird Geschlechterforschung immer wichtiger, weil wir nun in einer angeblich modernen Gesellschaft leben. Jedoch mit dieser Verbannung des Studienfachs werden wir als Gesellschaft wieder zur Vergangenheit zurückgehen. Heutzutage ist die Geschlechterforschung besonders bedeutsam, wegen der „Me-Too“ Bewegung des letzten Jahres. Wenn wir nicht über die Geschlechterforschung an der Universität lernen können, dann wenn und wo können wir darüber lernen? Ich bin der festen Überzeugung, dass Studenten die Gelegenheiten haben sollten, auszuwählen, was sie studieren wollen, weil am Ende vom Tage der Feminismus über Auswahlen ist. Diese schlechte Auswahl Geschlechterforschung als Studienfach zu verbannen, ist nur ein Schritt in die falsche Richtung.

  • Dieser Herr Orban scheint ein ziemlicher Feigling zu sein. Und seine Mitstreiter sind offensichtlich auch nicht mutiger.

    Ich meine: Das sind doch nicht die Türken, die auf dem Amselfeld stehen, und wir schreiben auch nicht 1448. Das sind nur ein paar Leute, die gerne wissen möchten, wie es kommt, dass Orban so daneben ist!

    Aber selbst wenn Gender Studies die „Fundamente der christlichen Familie“ (und nicht nur die reaktionäre männliche Alleinherrschaft) bedrohen würden - diese Fundamente müssten schon erstaunlich morsch sein, wenn zu befürchten wäre, dass 40 Studierende, die niemand einstellen will, sie ruinieren können!

    Entweder schießt Orban da mit Kanonen auf Spatzen, weil er es gern knallen hört, oder er will von echten Problemen ablenken. Vielleicht zankt er sich aber auch nur gern. Mit der EU zum Beispiel, die ihn ganz offensichtlich endlich vor die Türe setzen soll, damit er nicht mehr mitzuspielen braucht und statt dessen mit dem Finger auf "die da in Brüssel" zeigen kann unddazu sagen: „Die haben uns ausgegrenzt!“ In dem Fall hätten die Türken unter Erdogan doch noch gesiegt. Orban, jedenfalls, unterwirft sich ihrer Strategie.