Unbequeme Kleidung: Die Macht der Hosen
Politik und Wirtschaft sind von unbequemen Hosen geprägt. Das muss sich ändern. Eine neue Hosenkultur könnte viele globale Probleme lösen.
W ürde mich jemand fragen, was in diesen schweren Zeiten der Weg zum Glück ist, ich hätte in all meiner verbliebenen Weisheit die Antwort parat: Bequeme Hosen.
Das Unglück unbequemer Hosen, genderübergreifend, ist in unserer täglichen Umwelt augenfällig genug. Nehmen Sie eine U-Bahn in einer deutschen Großstadt, sagen wir Berlin, und sehen Sie in diese missmutigen, misanthropisch und soziophob gestimmten Gesichter. Und dann (so unauffällig wie möglich, wenn das geht) auf die Beinkleider. Dass wir in einer Gesellschaft der Schlechtgelaunten leben, ist eine offensichtliche Folge unbequemer Hosen.
Oder sehen Sie sich in der Politik um, schauen Sie nur Christian Lindner an. Wenn der in seinem Porsche bequemere Hosen getragen hätte, dann hätte der doch nie ein so menschenfeindliches Papier verfasst wie neulich erst. Und die Ampel könnte vielleicht immer noch fröhlich vor sich hin regieren. Ich glaube, über Friedrich Merz muss ich in diesem Zusammenhang erst gar kein Wort verlieren. Und dann denken Sie an das „Bündnis“ Sahra Wagenknecht. Da steckt doch schon im Namen, wie es da zwickt und zwackt. Das Problem ist: Bequeme Hosen werden in Politik und Wirtschaft nicht gern gesehen.
Oder unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in Uniform. Ein Blick auf ihre Hosen genügt, um zu erkennen, dass man darin nur gewaltbereit sein muss, wenn auch im Staatsauftrag. Es heißt schließlich nicht umsonst „Stechschritt“. Haha. Wie Sie sehen: Bequeme Hosen inspirieren schon mal zu einem netten kleinen Scherz unter Freunden.
Männliches Tröpfeldrama
Der Bequeme-Hosen-Diskurs kann aber auch zu Unmut führen, zum Beispiel beim Fernsehen. Dort nämlich tritt zwischen zwei SoKo-Teilen immer wieder ein Herr hinter einem Aquarium hervor, der offenbar unter Harnverlust leidet. Das ist in seinem Alter wohl nichts Ungewöhnliches, die Natur ist schließlich nicht so perfekt, wie sie immer tut. Problematisch ist eher, dass dieser Herr unbedingt mit mir darüber reden will. Und dann behauptet er, dass die Lösung für sein und wer weiß wie vieler Zuschauer Problem im Tragen einer „bequemen“ Hose unter der Hose liege, die nicht einmal „aufträgt“ – was mich rein optisch nicht wirklich überzeugt. Sieht ein bisschen nach BDSM in Ostfriesland aus, aber was weiß denn ich. Ich würde dem Herrn ja lieber raten, es einmal mit Yoga zu versuchen.
Aber da kommt schon der nächste Werbespot, in der eine Dame beim Yoga Angst hat, dass statt der „positiven Energie“ irgendwas anderes fließt. Zum Glück rät ihr eine Freundin zu einer Art Binde, um das Problem zu bewältigen. Ein Problem, zwei Geschlechter, zwei Lösungen. Der Mann bekommt fürs „Tröpfeldrama“ eine mehr oder weniger bequeme Hose, die Frau eine Binde. Was sagt uns das? Ich meine, außer dass man seine Zeit besser verbringen kann als vor dem Fernseher.
Die bequeme Hose als Medium von Weisheit und Gelassenheit muss über solche Niederungen erhaben sein. Und sie muss, wenn sie neben Glück auch Gerechtigkeit vermitteln soll, natürlich genderneutral sein. Übrigens sollte man sie in gedeckten Farben, am besten in Schwarz tragen. Sonst sieht man aus, als wollte man im besagten Fernsehen ein Kulturjournal moderieren.
Unbequeme Hosen verstärken den Willen zur Macht
Ich muss natürlich zugeben, dass – wie jede Glücksphilosophie – auch die Bequeme-Hosen-Theorie ihre kleinen Haken hat. Es gibt Leute, sagen wir Köche in der Systemgastronomie oder pensionierte Grundschullehrerinnen auf Campingplätzen, die geradezu beneidenswert bequeme Hosen tragen und trotzdem reichlich angespannt und konfligierend auftreten. Oder Kamala Harris: bequemst designte Hosen und trotzdem … naja. Es gibt die Theorie, dass unbequeme Hosen den (meist männlichen) Willen zur Macht verstärken.
Das wirkliche Problem besteht natürlich darin, dass in diesen schweren Zeiten kein Schwein ausgerechnet mich nach dem Weg zum Glück fragen wird. Bei dieser Gelegenheit kann ich gern auf die Comic-Serie „Pearls Before Swine“ von Stephan Pastis hinweisen, die jedenfalls inspirierender ist als manch eine Zeitungsdebatte. Hier hat das Schwein das Geheimnis der bequemen Hose vom weisen Esel auf dem Berg.
Da wir gerade bei Comics sind. Mein hochgeschätzter Freund Alf Mayer hat anlässlich der Präsidentenwahl, des 90-jährigen Entenjubiläums und eines hübschen Versprechers des Nachrichtenmannes Ingo Zamperoni im „Culturmag“ eine Ähnlichkeit zwischen Donald Trump und Donald Duck festgestellt. In aller Freundschaft und im Namen von „E.R.P.E.L“ (Entenhausener Runde für politische Elementar-Logik) möchte ich widersprechen: Gewiss, auch unser Donald ist gelegentlich ein „zorniger Idiot“, auch er neigt manchmal zu Größenwahn, Rachsucht und Eitelkeit. Und auch dieser Donald steht im Dienst des Großkapitals, nämlich der reichsten Ente der Welt, Dagobert Duck. Dessen Geldspeicher quillt bekanntlich über, während die armen Leute von Kummersdorf sich nicht einmal ein Weihnachtsessen leisten können.
Es gibt aber auch fundamentale Unterschiede zwischen den beiden Donalds. Donald Duck nämlich ist gelegentlich durchaus zu Einsicht fähig und geht, wie man so sagt, in sich (auch wenn das nicht allzu lange anhält), sein Verhältnis zum anderen Geschlecht ist eher romantisch als übergriffig, er kann ausgesprochen empathisch sein, und ganz, ganz anders als Donald Trump ist unser Donald zur Selbstkritik fähig: „Ich bin wirklich eine Flasche!“ lautet eines seiner berühmtesten diesbezüglichen Bekenntnisse. Und es würde ihm nie einfallen, Kummersdorf und andere Opferstätten der Geldgier als „Shithole“ zu bezeichnen.
Und noch etwas: Donald Duck trägt die bequemste Hose der Welt. Nämlich gar keine. Stellen Sie sich Donald Trump ohne Hose vor! Der Fall wäre ein für alle Mal erledigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin