: Unbedenklich hetzen
■ Prozess wegen antisemitischer Parole gegen drei Hamburger Neonazis eröffnet
Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger hatte Unbedenklichkeit bescheinigt: Die Parole „Juden raus“ dürfe ruhig in altdeutschen Frakturlettern auf der Druckschrift „Zentralorgan“ prangen, teilte er Herausgeber Klaus Bärthel im November mit, worauf dessen Wolf-Verlag 2.150 Exemplare drucken ließ. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat Bärthel zusammen mit den Neonazis Dirk Sokoll und Tobias Thiessen deshalb wegen Volksverhetzung angeklagt. Der Prozess wurde am Montag vor dem Amtsgericht eröffnet und vorerst ausgesetzt, weil noch ein weiterer Zeuge geladen werden soll.
Die inkriminierte Ausgabe wurde zwischen November 1999 und Januar 2000 vertrieben. Bärthel ist der verantwortliche Verleger, teilte er dem Gericht mit, allerdings will er den Titel erst nach dessen Erscheinen zu Gesicht bekommen haben – trotz des Briefes von Rechtsanwalt Rieger, der an ihn persönlich gerichtet war. Dirk Sokoll hatte das Blatt vertrieben, „das hat mir irgendjemand mal vorbeigebracht, und ich bin dann die Versandabteilung gewesen“. Und Tobias Thiessens Aufgabe bestand darin, „dass ich gelegentlich Beiträge für das Zentralorgan verfasse und gestalterische Tätigkeiten übernehme“. Just an der Ausgabe will er jedoch nicht mitgewirkt haben.
Die Rechtsextremisten hatten versucht, sich juristisch abzusichern, indem sie die antisemitische Parole mit einem kleingedruckten Satz unten auf der Titelseite flankierten. Der nahm Bezug auf den israelischen Staatspräsidenten Eser Weizman, der nach der Wahl des Rechtspopulisten Jörg Haiders die jüdischen Staatsbürger aufgefordert hatte, Österreich zu verlassen. Die Anklage hielt den Neonazis vor, mit der großgedruckten Zeile bewusst an gleichlautende antisemitische Parolen der Nazi-Diktatur anzuknüpfen. Bärthel sah das anders: „Ich weiß bis heute nicht, was daran volksverhetzend sein soll.“
Rund 15 RechtsextremistInnen begleiteten die Angeklagten zum Prozess. Dass das Bild auf den Gerichtsfluren von Neonazis bestimmt wird, scheint für die Hamburger Gerichte nicht anstößig zu sein. Es gab keinerlei Sicherheitsvorkehrungen. nb
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