Unabhängigkeitsbewegung in Spanien: Mit Pegasus und paralleler Polizei

Die spanische Regierung Rajoy ging jahrelang gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung vor. Dabei waren alle Mittel recht, auch Spionagesoftware.

Tag des Referendums in Barcelona, eine junge Frau, die ihr Gesicht mit der katalonischen Flagge verhüllt, zeigt den Stinkefinger

Trotz Verbot fand er statt, der Tag des verbotenen Referendums zur Unabhängigkeit in Barcelona am 01.10.2017 Foto: Gustavo Valiente/imago

MADRID taz | Was ihm widerfahren sei, ähnele „einem Abenteuer aus der spanischen Comicserie Clever & Smart“, erklärte der Präsident der katalanischen Autonomieregierung Generalitat, Pere Aragonès, nachdem ihm die spanische Regierung unter dem Sozialisten Pedro Sánchez Einsicht in die Akten des spanischen Geheimdienstes CNI gewährt hatte. Neun Monate wurde Aragonès Mobiltelefon zwischen 2019 und 2020 mit der Software Pegasus ausspioniert, als er den Posten des stellvertretenden katalanischen Regierungschefs inne hatte.

Das Oberste Gericht in Madrid hatte den Einsatz der Spionagesoftware genehmigt, da der Geheimdienst gegen Aragonès vorbrachte, er würde trotz oder gerade wegen seines hohen Amtes „aus dem Untergrund heraus“ die in ganz Katalonien operierenden Protestgruppen „Komitees zur Verteidigung der Republik“ (CDR), leiten.

Die CDR hatten unter anderem dafür gesorgt, dass bei am 1. Oktober 2017 abgehaltenen Unabhängigkeitsreferendum Kataloniens, das Madrid verboten hatte, die Urnen in die Wahllokale kamen. Nachdem Madrid später die katalanische Regierung abgesetzt hatte, organisierten sie unzählige Protestaktionen, wie Wandmalereien, Straßenblockaden und Kundgebungen. Die Polizei wirft den CDR vor, Anschläge geplant zu haben. Stichhaltige Beweise gibt es dafür allerdings keine.

Die Anschuldigungen gegen ihn seien, so Aragonès am Freitag, „Lügen“, um seine Ausspionierung zu rechtfertigen. Aragonès fordert jetzt eine Bestrafung der Verantwortlichen. Ein Gericht in Barcelona ermittelt. Am Freitag wurde die ehemalige Geheimdienstchefin Paz Estebán verhört.

„Operation Katalonien, Teil 2“

Neben Aragonès wurde auch bei weiteren 62 Personen aus dem Umfeld der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung die Spionage-Software auf den Handys gefunden, darunter enge Vertraute des im Brüsseler Exil lebenden ehemaligen Präsidenten der Generalitat und EU-Parlamentarier Carles Puigdemont. Außerdem bei zwei weiteren ehemalige Präsidenten der Generalitat, mehreren Strafverteidigern und Journalisten. Pegasus erlaubt es, die Handys komplett auszulesen, sowie Kamera und Mikrofon fern zu steuern.

Aragonès bezeichnet die Abhöraffäre, die längst als „Catalangate“ bekannt ist, als Teil 2 der „Operation Katalonien“. Er nimmt damit Bezug auf die Enthüllung zahlreicher Dokumente aus dem Innenministerium der Regierung der Partido Popular (PP) unter Mariano Rajoy in den Jahren vor dem Referendum. Dort hatte ein paralleler Polizeiapparat aus hohen Führungskräften, die sogenannte „patriotische Polizei“, angebliche Ermittlungsergebnisse erfunden und der Presse zugespielt, sowie mit Hilfe einzelner Richter Verfahren eröffnet, die Jahre später alle im Sand verliefen.

Falsche Korruptionsvorwürfe, ausgedachte Delikte

Dabei wurden Persönlichkeiten aus der Unabhängigkeitsbewegung Korruptionsaffären und andere Delikte angedichtet, um sie zu diskreditieren. Unter dem Opfern befanden sich der damalige Bürgermeister von Barcelona, Xavier Trias, der ehemalige Präsident der Generalitat, Artur Mas, Familienangehörige eines anderen ehemaligen Präsidenten, ein Staatsanwalt, der katalanische Polizeichef sowie zahlreiche Unternehmer und ein Präsident des FC Barcelona.

Auch dieser Tage führt ein Richter erneut einen skurrilen Feldzug gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung. So leitete der eng mit der PP verbundene Richter Manuel Garcia-Castellón an der Audiencia Nacional, dem Nationalen Strafgericht Spaniens, ein neues Verfahren gegen den Ex-Präsidenten Puigdemont und eine weitere im Exil lebende Unabhängigkeitspolitikerin ein.

Just zu dem Zeitpunkt, als die Mehrheit im spanischen Parlament, die der Minderheitsregierung Sánchez ins Amt verholfen hatte, ein Amnestiegesetz für all diejenigen vorstellte, die wegen der Durchführung des katalanischen Referendums und den Proteste danach gerichtlich verfolgt werden. Sie hätten angeblich vom Ausland aus die Protestbewegung „Demokratischer Tsunami“ geführt, lautete der Vorwurf.

Diese Protestbewegung blockierte den Flughafen Prat in Barcelona, als mehrere Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten wegen Durchführung des Referendums zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Ein Tourist, der deswegen versuchte, zu Fuß zum Flughafen zu kommen, erlitt einen Herzinfarkt. „Terror mit Todesopfer“ ist das für Richter Garcia Castellón, der sich vor allem durch die Einstellung von Verfahren gegen korrupte PP-Politiker einen Namen gemacht hat.

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