Unabhängige Medien in Kuba: Bestenfalls geduldet
Die kubanische Regierung ist genervt von Recherchen. Sie versucht, Redaktionen mit Verweis auf ausländische Finanzierung zu diskreditieren.
Die Röntgenbilder mit dem gelblich-beigen Schleier über den Lungen sind ein wichtiges Element der Reportage von Cynthia de la Cantera und Alberto C. Toppin. Zweimal tauchen sie auf den zwanzig Seiten auf, die das digitale Magazin Yucabyte den beiden Autoren für ihre fundierte Recherche über die andere Seite des Nickelbergbaus ganz im Osten der Insel nahe Holguín freigeräumt hat.
In Kuba haben sich bisher kaum Journalisten mit den Folgen der Nickelförderung für die Umwelt und die Anwohner beschäftigt. „Der andere Preis des Nickels“, lautet der treffende Titel der Reportage, die aufzeigt, wie es der Bevölkerung in direkter Nähe der Nickelmine Pedro Sotto Alba geht, die seit 1991 gemeinsam von Kuba und dem kanadischen Bergbaukonzern Sherritt International betrieben wird. Allerdings ohne sich um den Einsatz moderner umweltschützender Technologien zu kümmern und die lokale Bevölkerung vor dem giftigen Staub zu schützen, den der offene Tagebau und die Extraktion von Nickel und Kobalt aus dem Stein mit sich bringt.
Genau das haben die beiden freien Journalist*innen vor Ort recherchiert, mit Bewohnern, aber auch mit Ärzten und dem Klinikpersonal in der Region Moa gesprochen und dem die Geschichte des kubanisch-kanadischen Gemeinschaftsunternehmens und der von der Regierung zugebilligten Ausnahmeregelungen gegenübergestellt.
Am 22. Oktober 2019 erschien die Reportage auf der Homepage von Yucabyte und etwa zwei Monate später folgten erste Berichte über die Gesundheitsversorgung in der Region von Moa. Für Cynthia de la Cantera so etwas wie ein direkte Reaktion auf die Veröffentlichung. Zugleich erinnert sie sich: „Erst als knapp ein Jahr nach der Publikation die Fundación Gabo unsere Reportage für einen Preis nominierte, stieg das Interesse noch einmal sprunghaft an“.
Steigende Popularität der unabhängigen Medien
Die Preise der von Kolumbiens Literatur-Nobelpreisträger Gabriel García Márquez gegründeten Stiftung „Fundación Gabo“ aus dem kolumbianischen Cartagena de Indias sind Lateinamerikas wichtigste Medienpreise. 2017 und 2018 gab es immerhin zwei Preisträger*innen aus Kuba. „Beide von unabhängigen und eben nicht von staatlichen Medien“, so Carlos Manuel Álvarez, der mit El Estornudo eine der beiden prämierten Redaktionen aufgebaut hat.
„Die Regierung in Havanna ist genervt davon, zieht die journalistische Qualität in Zweifel und moniert die Finanzierung dieser unabhängigen Medien, die aus dem Ausland unterstützt werden“, sagt Álvarez. Anfang Januar erschien auf dem offiziellen Internet-Portal CubaDebate, die den schönen Untertitel „Gegen den Medienterrorismus“ trägt, ein Artikel, in dem die Finanzierung unabhängiger Redaktionen in Kuba durch die Open Society Foundations genauso wie durch US-Regierungsstellen angeprangert wurde. In dem Beitrag wurde auch gleich der Etat der Stiftung Gabo und deren Herkunft kritisch unter die Lupe genommen.
Aus Cartagena de Indias kam daraufhin nur der lapidare Konter, dass die Nominierung durch die Jury nach klar definierten Qualitätskriterien erfolgt sei. Aus offizieller kubanischer Perspektive ist jedoch wichtiger, woher das Geld für die Berichterstattung kam als deren Inhalt. Für Álvarez nicht Neues. Er bescheinigt dem unabhängigen Journalismus auf der Insel steigende Popularität und Relevanz. Dafür sei die stark gestiegene Internetnutzung mitverantwortlich, unabhängige Medien wie El Toque, Tremenda Nota oder Periodismo de Barrio seien als Informationsquelle immer relevanter geworden.
Genau deshalb steige der Druck auf unabhängige Journalisten wieder an. Erst am 10. Februar wurde eine neue Liste vom Arbeitsministerium veröffentlicht, die besagt, dass weder Zeitungen noch Magazine erstellt, Nachrichtenagenturen gegründet werden dürfen und alle journalistische Aktivitäten verboten sind. Das kommt für Journalisten wie Carlos Manuel Álvarez und Cynthia de la Cantera nicht unbedingt überraschend. „Journalismus war nie erlaubt, bestenfalls geduldet“, so die beiden. Cynthia de la Cantera hat sich trotz der Nominierung für den wichtigsten Medienpreis entschieden, dem Journalismus nach mehr als sechs Jahren als Freie den Rücken zu kehren.
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