Unabhängig durch Erneuerbare Energien: Gegenwind für Demokratiefeinde
Die Windkraft soll stärker gefördert werden. Gut so – aber weil Deutschland lange zu sehr auf die Fossilen setzte, kommen die Ankündigungen viel zu spät.
D as Thema klang technisch, aber es war politisch hochbrisant: Deutschland debattiert über Massaker an Zivilisten in der Ukraine und ein Embargo von russischem Öl und Gas. Und die Grünen-Amtschefs für Wirtschaft/Klima und Umwelt sprechen darüber, wie Deutschland unabhängiger von Russland werden kann: durch mehr Windkraft, aber gleichzeitig mehr Vogelschutz.
Gut so. Denn der Rotmilan und seine gefiederten Verwandten sind kein Gedöns, ebenso wenig wie etwa eine feministische Außenpolitik. Beides sind Antworten auf die aktuellen Krisen. Eine Lösung dafür, wie in Deutschland sehr schnell sehr viel mehr Windkraftanlagen ins Land gestellt werden können, ohne dabei die Natur noch weiter zu schädigen, entscheidet eine wichtige strategische Frage: Wo kommt unsere Energie her, wenn wir sie nicht mehr von einem Land beziehen, das seine Kriegsverbrechen mit unserer Gasrechnung bezahlt?
Wie schaffen wir das, ohne die andere globale Krise, das Artensterben, noch zu verschlimmern? Und wie bringen wir die berechtigten und oft kontroversen Anliegen der Menschen unter einen Hut, die unsere Energieversorgung planen, die Vögel schützen, das Klima retten oder in Sichtweite der Rotoren leben? Diese oft nervige Aushandlung von Interessen und Konflikten nennt man übrigens Demokratie.
Und die wiederum brauchen wir dringend für Fortschritte beim weltweiten Klimaschutz. Der aktuelle Bericht des Weltklimarats IPCC fordert eine Sofortbremsung bei den CO2-Emissionen, einen Umstieg auf Erneuerbare und Energiesparen. Dazu einen deutlichen CO2-Preis, die Bindung von Kohlenstoff, faire internationale Lastenteilung und globale Kooperation. Alle diese Ziele lassen sich, schwer genug, am besten mit demokratischen Gesellschaften erreichen, die gewohnt sind, halbwegs faire Kompromisse auszuhandeln. Und die nicht von Autokraten beherrscht werden, in denen ihre Oligarchenfreunde die Macht über Staatskonzerne für Öl, Gas oder Kohle haben, ob nun in Russland, am Persischen Golf, in China oder Venezuela. Ein großes Problem der globalen Klimapolitik ist, dass es in den wichtigen Ländern zu wenige Regierungen gibt, die zu Hause wirklich Rechenschaft ablegen müssen.
Auch Deutschland hat da Defizite: Der jetzt gefundene Kompromiss zu Windkraft und Naturschutz kommt um Jahre zu spät, weil die Regierungen der letzten Jahrzehnte zu feige für nötige Veränderungen und zu verliebt in die Verbrennung von Kohlenstoff waren. Sie machten uns lieber abhängig vom klima- und demokratiefeindlichen Gas. Dabei hilft gegen das fossile System nur eines: ihm einen Vogel zu zeigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“