Umweltverbände gegen Elbvertiefung: Baggerpläne fallen ins Wasser
Die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF bemängeln die nachgebesserten Pläne von Hamburg und dem Bund zur Elbvertiefung.
HAMBURG taz | Es sei die Ignoranz der Planer, die ihn überrasche, sagt Manfred Braasch. Deshalb geht der Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Hamburg davon aus, „dass trotz der neuen Planunterlagen die Vertiefung der Elbe gegen die Vorgaben des Umweltrechts verstößt“.
Der Fahrrinnenausbau war auf Klagen von Umweltverbänden vom Bundesverwaltungsgericht gestoppt worden. Auch die überarbeiteten Pläne des Bundes und Hamburgs würden die Leipziger Richter kaum überzeugen können, sagt Braasch. Denn deren Vorgaben seien „nur unvollständig abgearbeitet“, stellte das Aktionsbündnis Lebendige Tideelbe am Montag fest.
In diesem Bündnis kämpfen der BUND, der Naturschutzbund (Nabu) und die Umweltstiftung WWF seit Jahren gegen das Vorhaben, den Unterlauf der Elbe für große Containerschiffe auszubaggern (siehe Kasten). Auf ihren Antrag hin hatte das Leipziger Bundesgericht im Oktober 2014 einen Baustopp verhängt und wesentliche Nachbesserungen der Planunterlagen für die Elbvertiefung gefordert. Planungen und Umweltverträglichkeitsprüfung wiesen Mängel auf, die allerdings behebbar seien „und weder einzeln noch in ihrer Summe zur Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse führten“, urteilte das Bundesgericht. Voraussetzung sei aber, dass die Unterlagen überarbeitet würden.
Diese rund 1.000 Seiten starken Ergänzungen, die den klagenden Verbänden zur Stellungnahme vorgelegt wurden, sind aus deren Sicht aber „weder fachlich noch formal geeignet, wesentliche Kritikpunkte aus dem Weg zu räumen“. So werde weiter behauptet, dass das Ausbaggern von knapp 40 Millionen Kubikmetern Sedimenten keine gravierenden ökologischen Verschlechterungen für den Fluss mit sich brächte. „Diese Bagatellisierung ist nicht nachvollziehbar“, urteilt das Bündnis Tideelbe.
Die Fahrrinne der Unterelbe soll zwischen Hamburg und der Nordsee ausgebaggert werden.
Dafür müssen etwa 40 Millionen Kubikmeter Schlick mit Saugbaggern aus dem Flussbett geholt werden. Das entspricht rund 2,5 Millionen LKW-Ladungen.
Containerfrachter sollen künftig mit einem Tiefgang von 13,5 Metern den Hafen jederzeit anlaufen können, bei Hochwasser auch mit 14,5 Metern.
Ein Drittel der Kosten von voraussichtlich mehr als 600 Millionen Euro trägt Hamburg, zwei Drittel übernimmt der Bund.
Weitere rund 160 Millionen Euro für weitere Maßnahmen des Naturschutzes und der Deichsicherung muss Hamburg tragen.
Macht unterm Strich rund 360 Millionen Euro an Ausgaben für Hamburg und 400 Millionen für den Bund.
„Stoisch“ würden sich die Gutachter „auf hoffnungslos veraltete Modellrechnungen“ stützen. Und bei den Ausgleichsmaßnahmen für den weltweit nur noch an der Tideelbe vorkommenden Schierlings-Wasserfenchel habe Hamburg 2014 behauptet, neuen Lebensraum für mehr als 2.000 Exemplare der vom Aussterben bedrohten Pflanze zu schaffen. Nach den neuen Planunterlagen gebe es aber nur noch Platz für 200 Pflanzen. Bund und Hamburg gingen damit „erneut das Risiko ein, gegen nationale und europäische Vorgaben im Gewässerschutz zu verstoßen“, so der durchaus verwunderte Kommentar der drei Verbände.
Zudem würde die Neuplanung auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum EU-Wasserrecht weitgehend ignorieren. Der hatte am 1. Juli 2015 geurteilt, dass auch ökologische Verschlechterungen in Teilbereichen eine Verschlechterung des Gewässerzustandes insgesamt bedeuten könnten und deshalb zu untersagen seien.
Ausnahmen seien nur möglich bei großem Nutzen des Bauvorhabens „für die menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit der Menschen oder die nachhaltige Entwicklung“. Für eine solche Ausnahmeregelung fänden sich in der Planergänzung aber keine überzeugenden Argumente, sagen die Umweltverbände: „Es finden sich wenig neue Antworten auf die vom Gericht aufgetragenen Hausaufgaben“, finden sie.
Nun müssen die Planfeststellungsbehörden die Stellungnahmen des Bündnisses Tideelbe in einen neuen Planbeschluss einarbeiten. Dann können die Umweltverbänden ihre Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht entsprechend anpassen. Mit dem letzten Wort aus Leipzig ist nicht vor Mitte 2016 zu rechnen. Nach Ansicht von Braasch aber drängt die Zeit nicht: „Wir hören seit Jahren, dass im Hamburger Hafen ohne Elbvertiefung die Lichter ausgehen. Nichts davon ist passiert.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance