Umweltschützer über Tigerzählung: „Nette Bilder reichen nicht“

In einem aufwändigen Tierzensus werden gerade die bedrohten Amur-Tiger in Russland gezählt. Markus Radday vom WWF erklärt, warum.

Wartet auf die Umweltschützer: Amur-Tiger. Bild: dpa

taz: Herr Radday, in Russland sind gerade minus 40 Grad. Wieso zählen Sie ausgerechnet jetzt Tiger?

Markus Radday: Weil wir nicht die Tiger zählen, sondern ihre Spuren im Schnee. Es ist die einzige Tigerart, die an Schnee angepasst lebt. Für uns ist das gut. Bei anderen Zählungen können wir uns nur auf Fotos von Kamerafallen und schlecht erkennbare Abdrücke auf Sandböden verlassen.

Wie läuft die Zählung ab?

Es gibt feste Routen, die von rund 2.000 Umweltschützern eine Woche lang abgelaufen werden. Beim letzten großen Zensus wurden so 4.100 Spuren von ungefähr 450 Tigern gefunden. Die Ergebnisse werden nach dem Zensus zentral ausgewertet. Durch diese kurze, aber intensive Suche können Doppelzählungen vermieden werden. So eine aufwendige Erhebung machen wir aber auch nur alle zehn Jahre.

Wieso müssen Sie überhaupt wissen, wie viele Tiger es gibt?

Der Tiger ist eine stark bedrohte Art. Und der Bestand ist ein Indikator für den Zustand des Ökosystems. Wir können daraus Rückschlüsse auch auf andere Arten ziehen. Außerdem ist es eine Bilanz unserer Arbeit. Nette Bilder von süßen Tigern reichen uns nicht. Mit der Zählung rechtfertigen wir unsere Spendengelder.

Was kostet die Zählung?

Der Zensus kostet rund 1,5 Millionen Euro. Der WWF zahlt 200.000 Euro davon. Der größte Teil wird von den russischen Behörden übernommen.

Der Umweltschützer ist seit 2011 beim WWF Deutschland für die Amur-Region zuständig und koordiniert die Projekte, die mit dem russischen WWF finanziert werden.

Warum ist der Tigerbestand in dem Gebiet denn gefährdet?

Das hat mehrere Gründe. Wir verlieren in Russland rund 15 Tiger im Jahr durch Wilderei. Professionelle Banden töten die Tiere, um sie beispielsweise nach China zu verkaufen. Dort werden die Knochen illegal für die traditionelle chinesische Medizin verwendet. Tiger werden auch durch Einwohner getötet, wenn sie in Siedlungen eindringen. Zudem geht im Amur-Gebiet immer mehr Wald verloren und damit der Lebensraum der Wildkatzen.

Hat sich die Situation in den vergangenen Jahren verschlechtert?

Wie viele es heute sind, können wir noch nicht sagen. Die russische Regierung nimmt das Thema zum Glück sehr ernst. Und wir gehen davon aus, dass der Bestand einigermaßen stabil geblieben ist.

Kommt es vor, dass Helfer nicht nur Spuren finden, sondern auch die Tiger?

Der Amur-Tiger ist eigentlich menschenscheu. Anders als etwa der Indische Tiger, der auch Menschen angreift. Aber ja: Unsere Helfer standen schon vor ausgewachsenen Exemplaren. Dann ist es wichtig, dass man den Tiger anschaut, direkten Blickkontakt vermeidet und sich sofort, aber vorsichtig zurückzieht. Er greift eigentlich nur an, wenn er das Gefühl hat, dass man ihm seine Beute streitig macht.

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