Umweltschützer über Pestizid-Vorschlag: „Das ist eine kleine Revolution“

Die EU-Kommission will, dass alle Studien über die Gefährlichkeit von Pestiziden veröffentlicht werden. Super Sache, sagt Umweltschützer Burtscher.

Voll bepackt mit Pollen und Blütenstaub ist eine Biene am 05.07.2016 im Anflug zu einer blühenden Sonnenblume in einem Feld nahe Frankfurt (Oder) (Brandenburg) zu sehen

Auch sie mag keine Pestizide: Biene im Anflug auf Sonnenblumen Foto: dpa

taz: Herr Burtscher-Schaden, nach Ihrer Europäischen Bürgerinitiative für ein Verbot des Pestizids Glyphosat und eine Reform des Zulassungsverfahrens hat die EU-Kommission einen Verordnungsentwurf vorgelegt. Er soll die Genehmigungen von Ackergiften und Lebensmitteln transparenter und unabhängiger machen. Reicht das?

Helmut Burtscher-Schaden: Dieser Vorschlag der Kommission ist schon eine kleine Revolution. Alle wissenschaftlichen Studien über die Gefährlichkeit etwa von Pestiziden sollen jetzt sofort nach der Einreichung zum frühestmöglichen Zeitpunkt veröffentlicht werden. Dann könnten unabhängige Wissenschaftler diese Untersuchungen überprüfen. Bisher haben die Behörden die Studien aus den Zulassungsverfahren nur auf Antrag oder nach Gerichtsklagen herausgegeben, das dauerte Monate bis Jahre.

Also alles gut?

Nicht ganz. Der Vorschlag bietet der Industrie nach wie vor die Möglichkeit, die Veröffentlichung relevanter Teile zu verhindern, indem sie Geschäftsgeheimnisse geltend macht. Auch würde der Vorschlag den Herstellern ermöglichen, unter Berufung auf geistiges Eigentumsrecht das öffentliche Zitieren ihrer Studien zu untersagen. Diese Schlupflöcher gilt es zu schließen, sonst machen sie den Fortschritt der Vorlage zunichte.

51, ist Biochemiker der österreichischen Umweltorganisation Global 2000, die gemeinsam mit anderen Verbänden mehr als 1 Million Unterschriften für die EU-Bürgerinitiative gegen Glyphosat gesammelt hat.

Warum sprechen Sie von einer „kleinen Revolution“?

Zumindest die Rohdaten der Studien müssten immer automatisch und proaktiv publiziert werden. Denn da lässt sich ein Geschäftsgeheimnis schwer begründen. Zum anderen kann der Gesetzesvorschlag jetzt noch vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten nachgebessert werden. Das Parlament weiß mittlerweile, welchen Stellenwert Transparenz für das Vertrauen der Europäerinnen und Europäer in die Sicherheit ihrer Lebensmittel hat. Es kann die Geschäftsgeheimnisse durch klare Kriterien eingrenzen und die Passage mit dem geistigen Eigentum ganz streichen.

Aber die Studien sollen weiter von der Industrie in Auftrag gegeben werden, sodass sie sie beeinflussen kann, oder?

Dieses Problem bleibt. Aber der EU-Kommissar für Gesundheit kann künftig selbst Studien beauftragen, um Klarheit zu schaffen. Das könnte er zum Beispiel dann tun, wenn wie bei Glyphosat im Gegensatz zu dem Großteil der unabhängigen Studien alle Industrieuntersuchungen finden, dass es nicht die Erbsubstanz schädigt. Die Behörde könnte dann einzelne Industriestudien „nachkochen“ und untaugliche Methoden ausschließen. Diese Möglichkeit ist ein kleines Tool, das nicht viel kostet, das aber, wenn es intelligent genutzt wird, große Möglichkeiten bietet, die Risikobewertungsmethoden zu verbessern.

Bekommt die EU-Lebensmittelbehörde denn überhaupt die Ressourcen dafür?

Die Kommission hat gesagt, dafür wird es ein Budget geben.

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