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Umweltschützer über Pestizid-Vorschlag„Das ist eine kleine Revolution“

Die EU-Kommission will, dass alle Studien über die Gefährlichkeit von Pestiziden veröffentlicht werden. Super Sache, sagt Umweltschützer Burtscher.

Auch sie mag keine Pestizide: Biene im Anflug auf Sonnenblumen Foto: dpa
Jost Maurin
Interview von Jost Maurin

taz: Herr Burtscher-Schaden, nach Ihrer Europäischen Bürgerinitiative für ein Verbot des Pestizids Glyphosat und eine Reform des Zulassungsverfahrens hat die EU-Kommission einen Verordnungsentwurf vorgelegt. Er soll die Genehmigungen von Ackergiften und Lebensmitteln transparenter und unabhängiger machen. Reicht das?

Helmut Burtscher-Schaden: Dieser Vorschlag der Kommission ist schon eine kleine Revolution. Alle wissenschaftlichen Studien über die Gefährlichkeit etwa von Pestiziden sollen jetzt sofort nach der Einreichung zum frühestmöglichen Zeitpunkt veröffentlicht werden. Dann könnten unabhängige Wissenschaftler diese Untersuchungen überprüfen. Bisher haben die Behörden die Studien aus den Zulassungsverfahren nur auf Antrag oder nach Gerichtsklagen herausgegeben, das dauerte Monate bis Jahre.

Also alles gut?

Nicht ganz. Der Vorschlag bietet der Industrie nach wie vor die Möglichkeit, die Veröffentlichung relevanter Teile zu verhindern, indem sie Geschäftsgeheimnisse geltend macht. Auch würde der Vorschlag den Herstellern ermöglichen, unter Berufung auf geistiges Eigentumsrecht das öffentliche Zitieren ihrer Studien zu untersagen. Diese Schlupflöcher gilt es zu schließen, sonst machen sie den Fortschritt der Vorlage zunichte.

privat
Im Interview: Helmut Burtscher-Schaden

51, ist Biochemiker der österreichischen Umweltorganisation Global 2000, die gemeinsam mit anderen Verbänden mehr als 1 Million Unterschriften für die EU-Bürgerinitiative gegen Glyphosat gesammelt hat.

Warum sprechen Sie von einer „kleinen Revolution“?

Zumindest die Rohdaten der Studien müssten immer automatisch und proaktiv publiziert werden. Denn da lässt sich ein Geschäftsgeheimnis schwer begründen. Zum anderen kann der Gesetzesvorschlag jetzt noch vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten nachgebessert werden. Das Parlament weiß mittlerweile, welchen Stellenwert Transparenz für das Vertrauen der Europäerinnen und Europäer in die Sicherheit ihrer Lebensmittel hat. Es kann die Geschäftsgeheimnisse durch klare Kriterien eingrenzen und die Passage mit dem geistigen Eigentum ganz streichen.

Aber die Studien sollen weiter von der Industrie in Auftrag gegeben werden, sodass sie sie beeinflussen kann, oder?

Dieses Problem bleibt. Aber der EU-Kommissar für Gesundheit kann künftig selbst Studien beauftragen, um Klarheit zu schaffen. Das könnte er zum Beispiel dann tun, wenn wie bei Glyphosat im Gegensatz zu dem Großteil der unabhängigen Studien alle Industrieuntersuchungen finden, dass es nicht die Erbsubstanz schädigt. Die Behörde könnte dann einzelne Industriestudien „nachkochen“ und untaugliche Methoden ausschließen. Diese Möglichkeit ist ein kleines Tool, das nicht viel kostet, das aber, wenn es intelligent genutzt wird, große Möglichkeiten bietet, die Risikobewertungsmethoden zu verbessern.

Bekommt die EU-Lebensmittelbehörde denn überhaupt die Ressourcen dafür?

Die Kommission hat gesagt, dafür wird es ein Budget geben.

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4 Kommentare

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  • Warum werden eigentlich nicht alle Studien direkt veröffentlicht, die von Behörden beauftragt bzw. von Steuergeldern finanziert sind?

  • Beruhigungspille seitens der Kommission.

    Durch Veröffentlichung wird keine einzige Biene gerettet.

  • Beim Informationsfreiheitsgesetz sieht man sehr schön, wie leicht Gesetze durch "Betriebsgeheimnisse" ausgehebelt werden...

  • An ihren Taten sollt ihr sie messen. Besser, mit verhaltenem Beifall abwarten was aus dem Entwurf der EU-Kommission wird, damit es nicht am Ende heisst, "als Tiger(lein) gestartet, als Bettvorleger gelandet."

     

    Aber das wäre immerhin ein hoffnungsvoller Anfang, sofern der Industrie nicht gleichzeitig die von jeher bewährten Schlupflöcher mitgeliefert werden.

     

    Manchmal frage ich mich schon, wessen Volkswohl die Regierungen, gleichlaufend mit der EU, im Sinne haben, wenn sie stets nur die lobby-gesteuerten Interessen der Wirtschaft (wegen des Erhalts von Arbeitsplätzen ;...) bedienen, aber gleichzeitig die Zukunft der Kinder derer aus den Augen lassen, für deren Wohl sie sich so heuchlerisch einsetzen.

     

    Wie alt und weise muss man wohl werden, bis man einsieht, dass das Nachjagen und der Erhalt einer schwarzen Null gut sind für die Stabilität finanztechnischer Theorien, aber der Zukunft und der Gesundheit aller immens schaden?