Umweltschützer gegen Gewerbegebiet: Schwarzbau mit politischer Hilfe
Ein Gewerbegebiet in Obergeorgswerder ist seit sieben Jahren ohne gültigen Bebauungsplan und soll nun dennoch erweitert werden. Ein Naturausgleich steht aus.
HAMBURG taz | Es liest sich wie eine Geschichte aus dem berühmten Städtchen Schilda: Der rot-grün regierte Bezirk Mitte in Hamburg möchte ein Gewerbegebiet erweitern, für das es gar keinen gültigen Bebauungsplan gibt. Es wurde trotzdem gebaut und jetzt sollen auch noch neue Hallen errichtet werden, mit dem Argument, sie fügten sich in die existierende Bebauung ein.
Das Gebiet, um das es geht, ist das Logistikzentrum Obergeorgswerder am Autobahndreieck Hamburg Süd. Allein die Firma Kühne+Nagel bewirtschaftet dort 4,5 Hektar Fläche. Umweltschützern, wie dem ehemaligen BUND-Landesvorsitzenden und Wilhelmsburger Harald Köpke, ist sie allein schon deshalb ein Dorn im Auge, weil damit zum ersten Mal im Wilhelmsburger Osten, also östlich der Autobahn, ein geschlossenes Siedlungsgebiet ausgewiesen wurde.
Es geht um den einschlägigen Bebauungsplan Wilhelmsburg 86, der von der Bezirksversammlung Harburg vorbereitet und nach der Übergabe Wilhelmsburgs an Mitte von dessen Bezirksversammlung 2009 beschlossen wurde. Der Plan konnte aber nach Auskunft des Bezirksamts Mitte nicht festgestellt werden, weil das Bezirksamt Harburg den naturschutzrechtlich erforderlichen Ausgleich falsch berechnet hatte.
„Alles, was da steht, ist Schwarzbau“, sagt Köpke. Umso mehr ärgert es ihn, dass das Gewerbegebiet jetzt unter Rückgriff auf einen Paragrafen erweitert werden soll, der zur Zersiedlung des Wilhelmsburger Ostens beiträgt. Der Bezirk will die Hallen mit dem Argument zulassen, sie entstünden „im Zusammenhang bebauter Ortsteile“. Demnach müssten sie sich bloß in die Eigenart ihrer Umgebung einfügen.
Mit dem Bau der ersten Halle des Logistikzentrums Obergeorgswerder ist 2008 begonnen worden. Das Gebiet am Autobahndreieck war zuvor ein Spülfeld für Hafenschlick.
Das Gebiet ist zwölf Hektar groß. Als erste Firma investierte dort Kühne+Nagel. Für 50 Millionen Euro schuf sie 4,5 Hektar Lager- und Umschlagfläche.
Die Versiegelung sollte zum Teil durch eine neue Überflutungsfläche auf Kreetsand ausgeglichen werden.
Köpke hält das für absurd. „Wenn das die Qualität Hamburger Planung ist, verkommt man immer mehr in Richtung Bananenrepublik“, schimpft er. Sein Verband sieht in dem damaligen wie dem aktuellen Verfahren die Beteiligungsrechte der Verbände nicht gewahrt. Zudem sei der Artenschutz nicht genügend beachtet worden.
So hätten auf der Fläche des jetzigen Logistikzentrums 2006 noch 20 Paare des streng geschützten Kiebitz gebrütet; heute seien es in ganz Wilhelmsburg nur noch sieben. Die Ausgleichsmaßnahmen seien offensichtlich zu klein ausgelegt worden. Wie der BUND lehnt auch die Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, ein Zusammenschluss von sieben Verbänden, die Pläne des Bezirks ab.
Grünen-Fraktionschef Michael Osterburg verweist darauf, dass der Bebauungsplan aufgrund eines formalen Fehlers nicht festgestellt worden sei. Die Erweiterung sei für ein wichtiges Unternehmen aus Wilhelmsburg mit vielen Arbeitsplätzen vorgesehen. „Wir werden auf einen vernünftigen Ausgleich drängen“, verspricht Osterburg.
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