Umweltministerium feuert Wolfsberater: Kritik unerwünscht

Das niedersächsische Umweltministerium hat zwei Wolfsberater gefeuert, weil sie die neue Wolfsverordnung des Landes kritisiert haben.

Ein präparierter und auf einer Holzscheibe angebrachter Wolfskopf.

Auf eine Holzscheibe genagelt ist der Problemwolf dem Umweltministerium offenbar am liebsten Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

GÖTTINGEN taz | Das Niedersächsische Umweltministerium hat zwei missliebige Wolfsberater entlassen. Es bestünden „Zweifel, dass in Zukunft eine kooperative Zusammenarbeit zwischen Ihnen als Wolfsberater und dem Umweltministerium möglich ist“, heißt es in einem Schreiben an Uwe Martens vom vergangenen Mittwoch, das der taz vorliegt. „Ich danke Ihnen für die bisher geleistete Arbeit als Wolfsberater und entlasse Sie hiermit aus allen Verpflichtungen, die mit dem Ehrenamt verbunden sind.“

Martens war seit 2008 Wolfsberater im Landkreis Lüneburg. Sein Kollege Ralf Hentschel, der vom Ministerium einen ähnlichen Brief erhielt, übte dieses Amt im Kreis Wolfsburg aus. Beide sind seit längerem auch Vorstandsmitglieder des „Freundeskreises wildlebender Wölfe“. Der Verein fiel dem Ministerium offenbar durch kritische Stellungnahmen zu Jägern, die illegal auf Wölfe schießen, sowie zur neuen niedersächsischen Wolfsverordnung negativ auf.

Am 16. November 2020 hatte der Freundeskreis in einer Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass unter hohem Schutz stehende Wölfe wiederholt mit Jagdmunition beschossen würden. Kurz zuvor war im Kreis Harburg ein durch Schüsse schwer verwundeter Wolf gefunden worden. Das Tier musste aufgrund seiner Verletzungen getötet werden. In den Reihen des Deutschen Jagdverbandes, so die Wolfsfreunde, scheine es noch immer „Jäger zu geben, denen man keine Waffe anvertrauen sollte“. Zwar seien wohl nicht alle illegalen Abschüsse oder Beschüsse auf das Konto von Jägern gegangen. „Dennoch ist es hinlänglich bekannt, dass in unseren Feldfluren niemand sonst Jagdwaffen tragen/führen darf.“

Am 26. November nahm der Freundeskreis die am selben Tag bekanntgemachte Wolfsverordnung aufs Korn, mit der Landesumweltminister Olaf Lies (SPD) den Abschuss sogenannter Problemwölfe, die Nutztiere reißen, erleichtern will. Die gegen vielfache Bedenken durchgepeitschte Verordnung verstoße gegen europäisches Recht, meinen die Vereinsmitglieder. Statt Weidetierhaltern durch rasche und unbürokratische Herdenschutzmaßnahmen zu helfen, täusche Lies vor, künftig mehr Wölfe schießen zu können. Der niedersächsische Weg, zum Wohle des Artenschutzes an einem Strang zu ziehen, sei mit der neuen Wolfsverordnung hingegen „in weite Ferne gerückt“.

Seit 2007 leben in Niedersachsen wieder Wölfe in freier Wildbahn. Bestätigt sind zurzeit 35 Wolfsrudel und zwei Wolfspaare.

Als Ansprechpartner dienen Wolfsberaterinnen und Wolfsberater. Sie nehmen auch Spuren und Sichtungen auf. Die meisten Berater dokumentieren zudem Nutztierrisse, wenn der Verdacht besteht, dass ein Wolf der Verursacher war.

Die WolfsberaterInnen werden vom Land Niedersachsen ernannt. Derzeit üben 130 Frauen und Männer dieses Ehrenamt aus.

Die ministerielle Rüge ob eines solch unbotmäßigen Verhaltens ließ nicht lange auf sich warten. Als Wolfsberater hätten sich Hentschel und Martens „dazu verpflichtet, nach außen die fachliche Position des Landes zu vertreten und nicht in Widerspruch zu dieser zu stehen“, heißt es in einem Brief des Umweltministeriums vom 23. Dezember. Im Sinne einer Zusammenarbeit zwischen Wolfsberatern und Ministerium bitte man „um Klarstellung, ob sich Ihre Aussagen bzgl. der Wolfsverordnung (…) und der Jägerinnen und Jäger Ihrer Meinung nach mit den von Ihnen unterzeichneten Grundsätzen im Einklang befinden.“

In seiner Antwort bekräftigte Martens Anfang Januar die Auffassung, dass die niedersächsische Wolfsverordnung noch weiter gefasst sei als das 2020 novellierte Bundesnaturschutzgesetz. In diesem legt Paragraf 45a fest, dass bei anhaltenden Übergriffen auf Nutztiere Wölfe eines Rudels auch dann abgeschossen werden dürfen, wenn die Risse keinem bestimmten Tier zugeordnet werden können. Die EU-Kommission, sagt Martens, vermute bereits hier einen Rechtsbruch.

Gleichzeitig erneuerte Martens die Kritik an einzelnen Jägern, die verbotenerweise auf Wölfe schießen: „Wir sind der Meinung, dass solche Täter der Jägerschaft keinen Gefallen tun.“ Warum diese Auffassung im Widerspruch zu seiner Tätigkeit als Wolfsberater stehe, müsse das Ministerium näher erklären.

Eine solche Erklärung bleibt das Ministerium in dem eingangs erwähnten Kündigungsschreiben schuldig. „Ihre Kritik als ehrenamtlicher Wolfsberater an den Entscheidungen des Umweltministeriums ist mit den Grundsätzen für das Verhalten von Wolfsberatern nicht zu vereinbaren“, heißt es dort. „Auch bei als Privatperson öffentlich gemachten Äußerungen ist es entscheidend, dass nicht der Eindruck entsteht, Wolfsberater stünden dem Thema Wolf nicht mit der gebotenen Neutralität gegenüber.“ Gerade im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Weidetierhaltern sei es wichtig, „dass keine Zweifel an Ihrer Objektivität aufkommen“.

Ähnlich äußerte sich das Ministerium auch auf Nachfrage der taz. „Die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit als Wolfsberater ist eine besonders wichtige Aufgabe für das Land und erfordert die Einhaltung bestimmter Grundsätze“, sagte eine Sprecherin. Insbesondere eine neutrale Positionierung zum Thema Wolf gegenüber Nutztierhaltern und in der Presse sei Bestandteil dieser Grundsätze, genauso wie eine neutrale Kommunikation zu Entscheidungen des Umweltministeriums.

Mit der Neutralität ist es allerdings so eine Sache. In Niedersachsen ist nämlich die Landesjägerschaft (LJN) mit dem Monitoring, also dem Zählen und Dokumentieren der Wölfe beauftragt. LJN-Präsident ist der CDU-Landtagsabgeordnete Helmut Dammann-Tamke. Er hat sich – wenig neutral – mehrfach für eine Obergrenze für Wölfe und ihren „regulatorischen Abschuss“ ausgesprochen.

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