Umweltamt widerspricht Koalition: Atomkraft spart kein CO<font size="2">2</font>
Laut Union und FDP schonen Atomkraftwerke das Klima. Dem widerspricht das Umweltbundesamt: Das eingesparte CO<font size="-2">2</font> werde anderswo ausgestoßen.
BERLIN taz | Die schwarz-gelbe Koalition setzt die Klimaziele Deutschlands aufs Spiel, wenn sie die Laufzeiten für Atomkraftwerke einfach so verlängert. Davor warnt Jochen Flasbarth, der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA). Die Behörde berät die Bundesregierung in Umweltfragen.
Union und FDP argumentieren bisher ebenso wie die Betreiber, dass Atomkraftwerke das Klima schonen. Dies wird vom Umweltbundesamt nun in Frage gestellt: Denn wenn die sieben ältesten Reaktoren, anders als im Atomkonsens vereinbart, in der nächsten Legislaturperiode nicht vom Netz gehen, fallen in den nächsten drei Jahren bei der Stromproduktion 60 bis 64 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) weniger an - je nachdem, welchen Strommix der Atomstrom ersetzt.
Wenn nicht gleichzeitig der Emissionshandel verschärft wird, nutzt diese Einsparung dem Klima aber gar nichts. "Die durch die AKWs eingesparte Kohlendioxidmenge würde anderswo ausgestoßen", erklärt Jochen Flasbarth. Denn im Emissionshandel ist die Gesamtmenge des Kohlendioxids, das Unternehmen ausstoßen dürfen, gedeckelt - bei derzeit rund 550 Millionen Tonnen im Jahr. Wenn die Stromwirtschaft weniger Emissionsrechte braucht, werden sie von der Industrie an anderer Stelle genutzt.
Begleitet werden die Atomverhandlungen weiterhin von Protesten. Nach einem "Die-in" am Mittwoch gab es am Donnerstag eine Fahrraddemo. Am Samstag soll vor dem Reichstag das größte Transparent der Welt entrollt werden.
Der Naturschutzbund sucht im Internet Unterzeichner für einen "Koalitionsvertrag für den Atomausstieg". (cbr)
In einem solchen Fall würden längere Laufzeiten dem Klima nicht nur nichts nützen - sie würden sogar schaden. Denn ein Überangebot an Emissionsrechten würde dazu führen, dass diese deutlich billiger würden. Dadurch würden sich zum einen Investionen in klimaschonende Technik für Unternehmen weniger lohnen, weil es möglicherweise billiger wäre, zusätzliche CO2-Zertifikate zu kaufen.
Zum anderen würden dem Bund Einnahmen aus der Zertifikatversteigerung fehlen. Diese Gelder sind aber bereits für Klimaschutzmaßnahmen eingeplant. Wer sieben Alt-AKWs am Netz lasse, müsse jedes Jahr 20 Millionen Emissionsrechte vom Markt nehmen, fordert darum UBA-Chef Flasbarth. "Wer das nicht macht, gefährdet das Klimaziel."
Union und FDP äußern sich zu dieser Forderung bisher nicht. Sie wissen noch nicht, wie sie den Ausstieg aus dem Ausstieg genau regeln sollen und welche Kraftwerke länger laufen sollen. Der FDP-Umweltexperte Michael Kauch sagte der taz nur: "Das FDP-Präsidium hat bereits vor der Wahl beschlossen: Wir wollen die leistungsfähigeren Atomkraftwerke länger laufen lassen, die störanfälligen gegebenenfalls aber früher vom Netz nehmen als bisher geplant."
Tanja Gönner (CDU) erklärte, dass die AKW-Betreiber die Hälfte ihrer Zusatzprofite für die Förderung erneuerbarer Energie und für Investitionen in die Sicherheit der Meiler abgeben sollen. Gönner wird als neue Umweltministerin gehandelt. Fraglich ist aber, ob sie für Atompolitik zuständig wäre. Umweltpolitiker der Koalition wollen Atom- und Ökoenergie zwar im Umweltministerium lassen, Wirtschaftspolitiker sie jedoch ins Wirtschaftsressort holen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben