Umstrittenes Kulturgutschutzgesetz: Der Sammler als Anlagestratege
Das geplante Recht zum Kulturgutschutz wird weiter von Sammlern attackiert. Grund genug zu fragen, ob sie Mäzene oder doch nur Anleger sind.
Doch nun droht der SAP-Milliardär und vermeintliche Mäzen Hasso Plattner damit, seine Privatsammlung nach seinem Tod nicht wie geplant in Potsdam auszustellen – sollte die von Kulturstaatsministerin Monika Grütters in Angriff genommene Novellierung des Gesetzes zum Schutz von Kulturgütern umgesetzt werden.
Wie in den Potsdamer Neuesten Nachrichten zu lesen ist, droht dem geplanten Kunstmuseum Barberini in Potsdam damit der Wegfall wertvoller Bestände von Werken des Impressionismus und der Klassischen Moderne. Friedrich der Große (1712–1786) hatte einst das Palais nach dem Vorbild des Palazzo Barberini in Rom errichten lassen. Nachdem der Barockbau im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, lässt Plattner ihn derzeit originalgetreu rekonstruieren. Anfang 2017 soll das Museum eröffnet werden.
80 in Potsdam befindliche Werke von achtzehn DDR-Künstlern, wie unter anderen Wolfgang Mattheuer, Bernhard Heisig, Willi Sitte und Werner Tübke in seiner Sammlung, sollen dann mit bis zu 250 Werken von Renoir, Monet, Munch oder Sisley, um nur ein paar Namen zu nennen, steuersparend in einer Stiftung in Potsdam zusammengeführt werden. Bislang hängen die Bilder in Palo Alto, Kalifornien. Dort sollen sie auch bleiben, setzt Monika Grütters ihre Gesetzesreform durch.
Spekulative Absichten?
In diesem Fall nämlich sieht Plattner seine Sammlung „eines erheblichen Teils ihres Wertes beraubt“, argumentiert er weiter, „eine Wertvernichtung solchen Ausmaßes“ könne er seiner Stiftung, „die ja gemeinnützig ist“, nicht zumuten. Diese Argumentation ist zunächst schwer verständlich. Denn eigentlich böte dieses Gesetz, sofern es überhaupt auf seine Privatsammlung Anwendung finden würde, seiner Stiftung maximalen Schutz. Gerade nach seinem Tod könnte er sich sicher sein, dass sein Museum in der von ihm bestimmten Form als mäzenatische Gabe an Potsdam für alle denkbaren Zeiten erhalten bleibt. Ein Wertverlust ist nirgends auszumachen.
Es sei denn, Hasso Plattner sammle gar nicht für seine Stiftung und sein zukünftiges Museum in Potsdam, sondern er verfolge damit spekulative Absichten. Nur dann, wenn die zukünftige Veräußerung der Kunstwerke geplant ist, wird das Argument vom Wertverlust sinnvoll. Man muss nach seinen Äußerungen also davon ausgehen, dass die Bilder auch wieder aus Potsdam abgezogen werden sollen.
Was übrigens nach Sachlage auch künftig möglich ist. Denn nur wenn die Werke aus Plattners Privatsammlung in ein nationales Kulturgutverzeichnis eingetragen würden, dürften sie nicht mehr abwandern. Ohne diesen Eintrag – und wer sollte ihn betreiben wollen? − greift nur die Bestimmung, dass für Werke, die älter als 70 Jahre sind und wertvoller als 350.000 Euro, eine Ausfuhrgenehmigung einzuholen ist.
Es geht nicht um einen Renoir mehr oder weniger
Das gilt schon in der etwas schärferen Form eines EU-Gesetzes (älter als 50 Jahre und mehr wert als 150.000 Euro) bei der Ausfuhr in die Schweiz, etwa zur Art Basel oder nach Russland und die USA, also außerhalb des europäischen Binnenmarkts und bedeutet keineswegs, dass eine solche Ausfuhrgenehmigung nicht gewöhnlich schnellstens erteilt wird. Einen Renoir mehr oder weniger in Deutschland, darum geht es nun wirklich nicht.
Ein Renoir mehr oder weniger in Potsdam, das macht natürlich einen gewaltigen Unterschied. Insofern Hasso Plattners Kunstgabe an Potsdam offenkundig so ernst nicht gemeint ist, könnte die Stadt beziehungsweise das Land Brandenburg geneigt sein, mehr Verlässlichkeit zu erreichen, indem sie die Werke zum schützenswerten nationalen Kulturgut erklärt. (Tatsächlich passiert im Moment das Gegenteil und eine willfährige Stadt und ein nicht minder willfähriges Land Brandenburg unterstützen Plattners Lobbyarbeit gegen die Novellierung des Gesetzes nach Kräften.)
Der Beitrag Hasso Plattners zur Debatte über die Angleichung des „Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung“ von 1955 an internationalen Vereinbarungen, ist die Frage nach dem Mäzenatentum heute. Eigentlich wäre sie ja einfach zu beantworten: Als Mäzene geben an materiellen wie auch immateriellen Gütern reiche Menschen ihre Güter der Allgemeinheit ganz oder teilweise zum Geschenk. Was ihnen dann richtigerweise zu Ruhm und Ehren gereicht.
Heute freilich leihen diese Menschen ihre Güter der Allgemeinheit nur aus, zu fälligen Leihgebühren in Form kräftiger Steuernachlässe vonseiten der Kommunen, Länder und des Bundes. Die Ehre, als Mäzen gefeiert zu werden reklamieren sie gleichwohl. Deshalb krankt das deutsche Museum an der Dauerleihgabe. Sie soll ihm in Zeiten unbezahlbarer Kunstmarktpreise helfen, Lücken in den Beständen zu schließen, sie zu aktualisieren und im Fall der zeitgenössischen Kunst auf dem Laufenden zu bleiben.
Dabei bringt sie reichlich Folgekosten mit sich, will sie doch gepflegt, wissenschaftlich betreut und last but not least im kuratorischen Programm des Hauses eine prominente Rolle spielen. Hier kann das Museum mit ihr nicht nach eigenem Gutdünken verfahren, da sie ihm nicht gehört und der drohende Verlust immer im Raum steht. Am Ende hilft sie dem Sammler, der seine Sorgfaltspflichten und Kosten abwälzt, immer sehr viel mehr als dem Museum, das sie übernimmt.
Wertsteigerung durch Dauerleihgabe
Wenig verwunderlich drängt ein viel zu hoher Bestand von Dauerleihgaben ins Museum, in dessen traditionsreichem Sammlungskontext sie – im Fall der zeitgenössischen Kunst – erst richtig an Wert gewinnen. Entsprechend wirkt das Programm der Museen selbst auffällig uniform: Es bildet keineswegs den Reichtum an zeitgenössischen Positionen, sondern vor allem deren einzelne Konjunktur ab. Über die Leihgaben kommt hauptsächlich der Markt ins Museum, weil das Endziel der Leihgabe ja wieder der Markt ist.
Wie sehr sich inzwischen die Meinung verfestigt hat, nur die für den Sammler geldwerte Dauerleihgabe, die je nach Konjunktur erst auf- und dann wieder abgehängt wird, mache das Museum aus, zeigt ein Kommentar auf den Wirtschaftsseiten der FAS. Der Autor befürchtet dort aufgrund der Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes ein „Regulierungsparadox: Je länger ein Werk in einem Museum hängt, desto bedeutender wird es für die Nation. Und desto weniger darf es gehandelt werden. Also wird jeder Besitzer versuchen, große Kunstwerke nicht zu lange im Museum zu zeigen“.
Genau betrachtet ist das schon eine Geschäftsidee: Sammlern für gutes Honorar verraten, wann es bei maximaler Wertsteigerung höchste Zeit ist, die Dauerleihgabe zurückzufordern. Die Idee, das Kunstwerk dem Museum doch einfach zu schenken, ist old school. Die Museumsdirektoren selbst raten davon ab. Wie Ingrid Mössinger, die Generaldirektorin der Kunstsammlungen Chemnitz, in der Süddeutschen Zeitung erklärte, wäre für Georg Baselitz eine Schenkung der zwei in ihrem Haus gezeigten Dauerleihgaben ungünstig, schließlich müsste er den Abzug aus seinen Betriebsvermögen versteuern. Das ist Georg Baselitz natürlich nicht zuzumuten.
Der Meister aus Sachsen, Hasso Plattner, Gerhard Richter, sie alle nennen sich Mäzene, peinlicherweise, wo sie doch nur Anlagestrategen sind. Als solchen muss ihnen ein Kulturgutschutzgesetz, das eine kulturelle Solidargemeinschaft kennt, unverständlich bleiben. Was freilich an der Tatsache nichts ändert, dass dieses Gesetz keinen Sammler und keinen Künstler auch nur kratzen müsste, gäbe es eine echte mäzenatische Kultur in Deutschland und ginge es den Sammlern und Künstlern nicht um Steuernachlässe und Renditen, sondern um die Allgemeinheit.
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