Umstrittenes Bauvorhaben in Greifswald: Bürger ohne Stimme
In einem historischen Viertel in Greifswald soll ein Renditeobjekt platziert werden. Der Bürgermeister ist der einzige grüne OB Ostdeutschlands.
D er Ryck ist kaum dreißig Kilometer lang, in Greifswald aber fahren auf dem Flüsschen schon Schiffe und an einer Hafenmole machen sich Rammen zu schaffen. Lärm hallt über das Wasser. Hinter einer Brücke beginnt die Steinbeckervorstadt, der älteste Vorort von Greifswald. Rechts liegt der Museumshafen, doch Ines Yitnagashaw schenkt dem maritimen Flair keine Blicke. Sie lenkt ihren Schritt auf ein verlassenes Autohaus zu, das gleich hinter dem Fluss an einer Straßenecke liegt – verstaubtes Glas, schiefe Hinweistafeln und ziemlich viel Graffiti bekunden, dass der Fahrzeughandel verzogen ist.
Ines Yitnagashaw hat die Schultern hochgezogen, als müsste sie sich gegen etwas wappnen. Das Autohaus schloss Ende Juli, beginnt sie. Bald soll es abgerissen werden, obwohl das unscheinbare Ensemble durchaus denkmalwürdig wäre. Zur Zeit der Schwedenherrschaft, vor über zweihundert Jahren, war die geduckte Kate ein Gasthof. Noch früher war hier, vor der Stadt, ein Hospital mit Kirche und Friedhof. Wenn Bagger die Tiefgarage ausschachten, dürften Reste von Gräbern ans Licht kommen, prophezeit Yitnagashaw.
Aber wer braucht eine Tiefgarage? Wer braucht 48 Wohnungen auf fünf Etagen? Wer braucht einen Wohnblock, der auf einen Schlag die Einwohnerzahl der kleinen Vorstadt um die Hälfte vergrößern würde? Wer braucht so einen Bau mit historisierenden Gauben an diesem zentralen Platz zwischen Altstadt, Museumshafen und Steinbeckervorstadt, einem Viertel, das sich doch behutsam entwickeln soll?
Masterplan: Ein Masterplan ist ein Instrument der Stadtplanung, der mit Bürgerbeteiligung erarbeitet werden kann. Er wird von der Gemeindevertretung angenommen, hat aber keine Rechtskraft.
Bebauungsplan: Der Masterplan wird Grundlage für den Bebauungsplan (B-Plan). In ihm sind Vorgaben festgesetzt (unter anderem zur Traufhöhe, Anzahl der Geschosse). Er wird von der Gemeinde beschlossen und hat Rechtskraft.
Baugesetzbuch: Liegt kein B-Plan vor, werden Anträge nach Baugesetzbuch (BauGB) entschieden. Sein Kern: Ein Bau ist zulässig, „wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“.
Gemeindliches Einvernehmen: Das BauGB gibt der Gemeinde das Recht, ein Bauvorhaben auch abzulehnen. Geschieht dies rechtswidrig, kann es eine übergeordnete Behörde genehmigen. (taz)
„Wir fühlen uns verarscht!“ Ines Yitnagashaw wird laut. Sie leitet in der 60.000-Einwohner-Stadt ein Architektenbüro und ist ehrenamtlich Vorsitzende der Altstadtinitiative, eines Vereins, der sich schon seit 1989 für die Erhaltung historischer Häuser einsetzt. So viel ist klar, der geplante Bau widerspricht allen Zielen des Vereins. Im Juni beantragte sie, den ehemaligen Gasthof auf die Denkmalliste zu setzen. Das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege bescheinigte dem Ensemble zwar im Kern die vermutliche Herkunft aus dem 18. Jahrhundert. Doch das allein rechtfertige keinen Denkmalrang. Die Bagger können anrollen. Greifswald wird wieder ein Stück seiner baulichen Identität verlieren.
Ein Masterplan, der nur auf dem Papier steht
Doch es sind nicht allein der Abriss und der viel zu große Neubau, die Ines Yitnagashaw so sehr in Rage versetzen. Solchen Frevel hat sie schon oft erlebt. Diese Zerstörung hat noch eine andere, größere Dimension. Warum will die Stadtverwaltung hier einen Bau genehmigen, der das Engagement von Anwohnerinnen und Anwohnern zunichtemacht? Seit Mai 2018 haben sie in einem Masterplanverfahren mit der Stadt eine Vision für ihr Quartier entworfen. Eine Steinbeckervorstadt mit gemeinwohlorientierten Wohnprojekten und bezahlbaren Wohnungen für Familien, mit Platz für Wohngemeinschaften und Baugruppen, mit einer kleinteiligen Struktur, mit autofreien Straßen, mit einer Mobilitätsstation, mit Kulturangeboten, mit Initiativen, mit Gärten und Grün und renaturierten Mooren ringsum.
Die Greifswalder Bürgerschaft hat den 35-Seiten-Plan im August verabschiedet. Tage später machte die Nachricht von dem kolossalen Bau die Runde. Wer wird beim nächsten Aufruf zur Bürgerbeteiligung noch folgen, wenn am Ende Frust steht? Und das alles unter Stefan Fassbinder, dem einzigen grünen Oberbürgermeister in ganz Ostdeutschland.
Ines Yitnagashaw schiebt eine Plane beiseite, inspiziert den Hinterhof. Dahinter öffnet sich der Blick auf Wiesen und Gräben. Das Niveau liege teilweise unter dem Meeresspiegel, erzählt sie. Die Moore ringsum sollen wieder gewässert werden, als Biotop für Insekten, Vögel und Amphibien – und als CO2-Speicher. Auch das sind Ziele im Masterplan. Was aber, wenn die Tiefgarage das Grundwasser senkt? Wenn das Haus mit den üblichen klimaschädigenden Materialien, Zement und Stahl, errichtet wird? „Sie könnten doch wenigstens was aus Holz bauen!“ Es klingt wie ein Stoßgebet an die Investoren, zwei Greifswalder Unternehmer, der eine aus der Immobilien-, der andere aus der Pharmabranche.
Das Stiefkind der Stadt
Die Steinbeckervorstadt war lange ein Stiefkind der Stadt, erzählt Ines Yitnagashaw. Vieles ist ungeordnet. Garagen aus DDR-Zeiten, ein silbergrauer Getränkemarkt, ein Recyclinghof, ein Parkplatz, eine Tankstelle, dazwischen Baulücken. Aber es gibt auch verwilderte Gärten, am Hafen die Promenade mit Restaurants, Liegeplätzen, eine historische Bootswerft. Die Grundstruktur hat sich seit Jahrhunderten nicht verändert. Und das alles zwischen der Altstadt mit ihren Backsteinkirchen, Kneipen, Fakultäten und Instituten und herrlich weiter pommerscher Landschaft. Fünf Kilometer von hier plätschert die Ostsee.
Hier könnte sich ein ideales städtebauliches Projekt entwickeln, familienfreundlich, ökologisch, sozial gemischt. Eigentlich ein Traum für jeden grünen OB. „Wo ist der Gestaltungswille?“, fragt Ines Yitnagashaw und redet sich schon wieder in Fahrt. Jetzt, da es kaum noch Baugrund in der Innenstadt gebe, geraten die Vorstädte in den Blick. Die Renditeaussicht steigt. Eine Immobiliengesellschaft hat erst im September hier knapp 15.000 Quadratmeter für 1,8 Millionen Euro versteigert, obwohl das meiste davon Moorboden ist. Goldgräberstimmung. Und bald soll hier ein hochpreisiges Gebäude mit reichlich Zweizimmerapartments und Balkonen aus Glas stehen. „Da sitzt dann die Schickeria und blickt herab.“ Ines Yitnagashaw winkt ab. „Ich bin enttäuscht von unserem Bürgermeister.“
Von dem zukünftigen Bauplatz ist es eine Viertelstunde bis zum Markt mit den restaurierten Giebelhäusern. Doch vorher erzählt die Innenstadt eine andere, verstörende Baugeschichte. Zwar hatten couragierte Einwohner die Stadt im Jahr 1945 kampflos der Roten Armee übergeben und so vor der Vernichtung bewahrt, anders als das benachbarte Anklam. Trotzdem scheint es, als hätte auch in Greifswald eine Schlacht getobt, der Hunderte Gebäude zum Opfer fielen.
In Wahrheit hatte die DDR kein Interesse und keine Mittel, die Altstadt zu erhalten. Mithilfe eines „Aufbaugesetzes“ wurde großflächig enteignet und abgerissen. Die Hälfte der historischen Bausubstanz ging verloren, ersetzt durch „industriellen Wohnungsbau in der Innenstadt“, wie es in der DDR hieß. Und so sehen dort Straßenzüge aus wie Plattenbauviertel in Miniatur, Dreigeschosser mit Mansarde, als Hauptgestaltungselement Quadrate aus Beton. Die junge Architektin Yitnagashaw, einen Abschluss aus Weimar in der Tasche, wollte gar nicht mehr zurück in diese Einöde. Dann aber war sie Mitgründerin der Altstadtinitiative, die 1989 erstmals Häuser vor der Zerstörung rettete.
Der Bürgermeister und das Baurecht
Das Rathaus ist vorbildlich restauriert. Auf der langen Diele im Obergeschoss blitzt das Parkett. Die schwere Tür am Ende ist reichlich verziert, dahinter aber liegt nur ein nüchterner Tagungsraum. Oberbürgermeister Stefan Fassbinder stellt die kleine Runde vor: Bausenatorin Frau von Busse, Herr Kaiser vom Bauamt, dazu die Pressesprecherin. Fassbinder – silbrige Haare, silbriger Bart, silbrige Brille, die Augen freundlich. Er stammt aus Baden-Württemberg, ist 54 Jahre alt. Im Jahr 1999 zog der Historiker nach Greifswald, engagierte sich in der Kommunalpolitik und beendete 2015, getragen von einem Bündnis aus Grünen, SPD, Linkspartei und Piraten und mit der hauchdünnen Mehrheit von nur 15 Stimmen, die 25-jährige CDU-Herrschaft im Rathaus.
„Wir sind stolz auf den Masterplan“, eröffnet der OB freudestrahlend, „und ich fände es schade, wenn dieses Bauvorhaben den ganzen Masterplan entwerten würde.“ Fassbinder scheint die ganze Aufregung nicht zu verstehen. Zumal der Bau doch nur 1 Prozent des gesamten Bereiches umfasse, wie er vorrechnet. „Dass ein Bauvorhaben im Anmarsch ist und dass das nicht so einfach werden würde, war uns klar“, räumt er dann aber ein. Doch jeder Mensch könne nun einmal einen Bauantrag stellen, habe auch ein Recht auf Verschwiegenheit und darauf, dass er nach geltenden Gesetzen behandelt werde. Kurzum – es gehe um ein privates Bauvorhaben „wie jedes andere“. Ein Bauvorhaben allerdings, das die Stadt über Jahrzehnte hinaus prägen würde. Die Gestaltung spiele für einen Bauantrag keine Rolle, betont Fassbinder. Auf ästhetische und städtebauliche Diskussionen lässt er sich nicht ein. „Wir müssen den Antrag bearbeiten.“ Sollte man die Baugenehmigung versagen, könnten sich die Bauherren das vor Gericht erstreiten.
„Das Baurecht gibt den gesetzlichen Rahmen“, übernimmt jetzt Jeannette von Busse, Bausenatorin und Vizebürgermeisterin von der CDU. Der Masterplan sei nun einmal kein Baurecht. Das leite sich nur aus dem Baugesetz her. Da es für das Areal keinen Bebauungsplan gebe, habe ein Antragsteller Anspruch darauf, die Baugenehmigung nach Paragraf 34 Baugesetzbuch erteilt zu bekommen. Der Bauamtsleiter wirft noch ein: „Wir haben nicht genug Wohnraum“, und die Pressesprecherin legt Wert darauf, dass nicht alle Bewohnerinnen und Bewohner der Steinbeckervorstadt so ablehnend seien. „Die Bürger haben Anspruch darauf, dass nach Recht und Gesetz gearbeitet wird“, schließt Fassbinder. „Alles andere wäre Willkür.“ Sein Lob auf den Rechtsstaat fällt staatstragend aus. Als ob in der Steinbeckervorstadt Putschisten wären.
Juliane Kahl ist keine Putschistin. Sie will nur, dass sich der OB einsetzt, dass es bei der behutsamen Entwicklung des Stadtteils bleibt und kein überdimensionierter Neubau entsteht. Dafür engagiert sie sich in der Bürgerinitiative Steinbeckervorstadt. Die junge Landschaftsökologin erscheint als eine geradezu typische Anhängerin der Grünen. Bei der letzten Kommunalwahl habe sie auch für diese Partei gestimmt, erzählt sie. Wer sonst steht für eine klimafreundliche Politik, Bürgerbeteiligung, sozial ausgewogene Stadtplanung und moderne Mobilität? Juliane Kahl war am Vormittag mit dabei, als Ines Yitnagashaw durch die Vorstadt führte. Jetzt geht Kahl über die Hafenpromenade, auf der im Sommer reichlich Touristen flanieren. Und ganz gleich, an welcher Stelle man sich befindet, der Neubau am Beginn der Flaniermeile wäre stets im Blick.
Die 33-Jährige lebt mit Mann und Kind in einer der beiden Groß-WGs im Viertel, nicht weit von hier. Sie erzählt kurz vom Familienleben in einer Kommune mit 70 Erwachsenen und Kindern, direkt neben dem zukünftigen Neubau. Es wird Konflikte geben mit den neuen Nachbarn. Die Lebensweisen werden nicht zusammenpassen, die Geldbeutel auch nicht, bei einem vermuteten Quadratmeterpreis zwischen 8,50 bis 10,50 Euro Kaltmiete. Hier die Geselligkeit, dort die Absonderung. Hier die Fahrräder, dort die Tiefgarage. Hier die Moorwiesen, dort der Tennisrasen. Und dazwischen ein Bürgermeister, der stoisch einen Bauantrag verteidigt, der in Wahrheit den Masterplan ruiniert, auf den der OB so stolz ist.
„Sensation! Fassbinder gewinnt mit 15 Stimmen Vorsprung“, titelten die Regionalzeitungen im Mai 2015, als nach der Stichwahl der Sieger feststand. Sein Amt konnte Fassbinder allerdings erst im November antreten. Der unterlegene CDU-Kandidat war so bestürzt, dass er Einspruch einlegte, weil eine Fußmatte zeitweilig eine Tür zu einem der Wahllokale blockierte und so die Wahl verfälscht haben könnte. Erst im Februar 2016 verzichtete der Unterlegene auf den Gang zum Oberverwaltungsgericht. Der „Fußmattenstreit“ war Geschichte, die CDU erstmals besiegt.
Die Christdemokraten in Vorpommern gelten als stramm konservativ. Trotzdem war ihr bundespolitisches Aushängeschild 25 Jahre lang Angela Merkel. Doch seitdem die AfD bei Landtagswahlen die CDU in Vorpommern überflügelt hat und in manchen Gemeinden über 40 Prozent holt, ist es der Wunderknabe Philipp Amthor, der die Partei zu neuer Größe führen soll. Allerdings hat sich Amthor wegen Lobbyismusvorwürfen erste Blessuren eingehandelt. Auf den CDU-Landesvorsitz musste er vorerst verzichten.
Mitstreiter Amthors ist der Jurist Sascha Ott, der 2016 das Justizressort in Schwerin übernehmen sollte. Weil der designierte Minister auf Facebook Sympathie für die AfD hatte erkennen lassen, zog die Landes-CDU die Personalie zurück. Ott beklagte daraufhin die fehlenden konservativen Werte in seiner Partei und gründete im selben Jahr mit Gleichgesinnten den „Konservativen Kreis“, eine Art regionale „Werteunion“, mit Amthor an seiner Seite. Die beiden sind außerdem Mitglieder im Kreistag von Vorpommern-Greifswald. CDU-Fraktionsvorsitzende ist dort Jeanette von Busse, hauptamtlich Bausenatorin und Greifswalder Vizebürgermeisterin. Die Frau, der das Bauamt unterstellt ist und die OB Fassbinder bei der Frage so tatkräftig den Rücken gestärkt hat, warum das Bauvorhaben in der Steinbeckervorstadt quasi unabwendbar ist.
„Dass die CDU beim nächsten Mal wieder den OB stellen will, ist vollkommen verständlich“, sagt Jörn Kasbohm, Fraktionschef der Linken in der Bürgerschaft. An Überlegungen, ob die CDU dabei auch die Diskreditierung des amtierenden OB im eigenen Milieu in Kauf nähme, will sich Kasbohm nicht beteiligen. Er hält sich an Fakten, und was die kommunalpolitische Zustimmung betrifft, sitzen Linke und CDU im selben Boot, überrascht er. Beide Parteien haben seit 1990 bei Kommunalwahlen kontinuierlich an Stimmen verloren. Greifswald mit seiner Universität wird grüner. Die Steinbeckervorstadt als ökologisches Vorzeigequartier wäre da geradezu ein Traum. Oder ein Albdruck. Je nachdem.
Noch ist nicht entschieden
Über den Bauantrag ist noch nicht entschieden. Einen Hebel hat die Bürgerschaft noch, erzählt Kasbohm, er heißt „gemeindliches Einvernehmen“, eine Prüfung, ob ein Bauvorhaben zulässig ist, allerdings nur in engem rechtlichem Rahmen. Die Kernfrage: Fügt sich der Neubau, etwa bei Geschosshöhe und Volumen, in die nähere Umgebung ein? Nein, sagt Kasbohm und mit ihm die Fraktionen von Linke, SPD und Grünen, die gemeinsam Bürgermeister Fassbinder 2015 ins Amt halfen und seitdem stützen. Die drei Fraktionen wollen mit ihrer knappen Mehrheit dieses Einvernehmen versagen. Dass die Bauherren angekündigt haben, auf einen flachen Kegel auf dem Dach und damit auf etwa zwei Meter Höhe zu verzichten, ändert daran nichts. Der Hebel ist allerdings äußerst fragil. Kasbohm sagt, dass die Greifswalder Baubehörde den Antrag trotzdem genehmigen könnte. Am Ende müsste möglicherweise die Justiz ein Urteil fällen.
„Fakt ist, dass zwei Greifswalder Einwohner und Unternehmer einen Bauantrag […] mit einem womöglich genehmigungsfähigen Bauvorhaben eingereicht haben“, schreibt Sebastian Braun. Braun ist selbst einer der beiden „Einwohner“ und Spross eines Unternehmerpaares, das 1992 aus Frankfurt am Main nach Greifswald kam. Inzwischen hat die Familie in der Region ein Imperium aufgebaut, das auf der Produktion von Kochwürsten, Käse, Schinken und Maschinen, vor allem aber auf Medizinprodukten fußt. Flaggschiff ist ein Pharmaunternehmen in Greifswald mit rund 250 Beschäftigten und einem Umsatz von 400 Millionen Euro im letzten Jahr, Geschäftsführer ist Sebastian Braun.
Aus seiner Mail spricht eine gewisse Ermattung, was Fragen zu dem Bauvorhaben betrifft. Er, Braun, möchte nicht zum wiederholten Mal in die Vergangenheit blicken. Er warte auf den Bescheid gemäß der aktuellen Baugesetzgebung und zieht es vor, zu schweigen. Es bleibt sein Geheimnis, warum er es nicht für nötig hielt, sich am Masterplan zu beteiligen.
Waghalsig ist der Aufstieg auf den Turm von St. Nikolai. Der Greifswalder Dom ist das höchste Bauwerk der Stadt. Doch die 262 Stufen lohnen sich. Über die Dächer der Stadt geht der Blick übers Pommernland dorthin, wo die Ostsee glitzert. Irgendwo da hinten hat Caspar David Friedrich vor zweihundert Jahren die Silhouette seiner Heimatstadt verewigt. Bis heute hat sie sich kaum verändert. Die Steinbeckervorstadt, viel zu geduckt, gehörte nicht zu dem Panorama. Jedenfalls bis jetzt. Der Caspar-David-Friedrich-Blick dürfte sich verändern, wenn der Neubau mehr als 18 Meter in die Höhe ragt. Dass das einmal unter einem grünen Bürgermeister geschah, wird keiner ernsthaft glauben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“