Umstrittener Grenzverlauf: Die Rache von „Onkel“ Hun Sen
Kambodschas starker Mann hat Thailands Premierministerin Paetongtarn Shinawatra böse ausgetrickst. Sie könnte die Macht verlieren und reagiert wütend.

Diese grassiert in Kambodscha aber schon seit Jahren und hat Bangkok bisher nie zu harten Gegenmaßnahmen veranlasst. Vielmehr hat Paetontarns Schritt mit den jüngsten Spannungen zwischen beiden Ländern zu tun, in deren Folge ihre Regierung in eine schwere Krise geraten ist. Die Regierungschefin ist mit massiven Rücktrittsforderungen konfrontiert und sieht sich wohl gerade deshalb zu demonstrativer Härte gegenüber dem Nachbarland veranlasst.
Weil der Verlauf der mehr als 800 Kilometer langen Grenze zwischen den beiden südostasiatischen Königreichen an mehreren Stellen umstritten ist, kommt es dort immer wieder zu Spannungen und sogar Scharmützeln. Am 28. Mai wurde dabei ein kambodschanischer Grenzsoldat getötet.
Die folgende diplomatische Krise, die auch einen Handelsboykott mit einigen Produkten einschloss, wollte Paetongtarn nach eigener Aussage mit einem Anruf bei Kambodschas starkem Mann Hun Sen entschärfen. Kambodschas heutiger Senatspräsident war 38 Jahre Ministerpräsident, bevor er 2023 das Amt an seinen Sohn übergab. Auf die Regierung hat Hun Sen daher noch großen Einfluss. Auch ist er mit Paetongtarns Vater Thaksin Shinawatra befreundet – Populist, Milliardär und Thailands Regierungschef, bevor er 2006 vom Militär weggeputscht wurde.

Hun Sen nahm heimlich das vertrauliche Gespräch auf
Hun Sen zeichnete das vertrauliche Gespräch mit Paetongtarn auf und ließ Aufnahmen unter kambodschanischen Abgeordneten kursieren. Vor dort gelangte es in die sozialen Medien.
In Thailand löste das Gespräch, dessen Authentizität Paetongtarn und Hun Sen bestätigten, Entrüstung aus. Die 38-jährige Paetontarn hatte darin den 72-jährigen Hun Sen mit „Onkel“ angesprochen, sich über den thailändischen Militärchef der Grenzregion beklagt, den sie als „in Opposition“ stehend bezeichnete. Sie bot Hun Sen sogar an, zu tun, was er für nötig hielte.
Das führte in Thailand zum Ausstieg der zweitgrößten Parteifraktion aus Paetongtarns Koalition, die erst seit August 2024 regiert. Die konservative Partei Bhumjaithai kündigte inzwischen ein Misstrauensvotum gegen Paetongtarn an.
Thailands Regierungschefin hat sich für das kompromittierende Gespräch mit Kambodschas starkem Mann entschuldigt, den Militärchef der Grenzregion aufgesucht und ihren verbliebenen Koalitionspartnern – manche davon sind sehr kleine Parteien – weitere Ministerposten gegeben.
Paetongtarn Shinawatras Koalition wankt
Es ist aber offen, ob die wankende Koalition hält. Für das Wochenende haben konservativ-royalistische Gruppen, die sogenannten Gelbhemden, bereits Demonstrationen angekündigt, auf denen Paetongtarns Rücktritt gefordert werden soll.
Die Royalisten misstrauen seit zwanzig Jahren der Familie des Milliardärs Thaksin, die durch Wahlen immer wieder an die Macht gekommen ist. 2006 wurde Thaksin vom Militär gestürzt, 2014 dann seine zur Premierministerin gewählte Schwester. Jetzt fürchten manche, dass auch seine Tochter Opfer eines Putsches werden könnte.
Die oppositionelle People’s Party fordert hingegen Neuwahlen in Thailand. Sie ist Nachfolgerin der Move Forward Partei, die 2023 die letzte Wahl gewonnen hatte, aber von der Justiz an der Regierungsübernahme gehindert wurde. Um überhaupt eine Regierung bilden zu können, hatten die Thaksin-nahen Kräfte unter Paetongarn mit Parteien, die den Gelbhemden näher stehen, eine Koalition gebildet. Die ist jetzt zerbrochen.
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