Umstrittene Stellenbesetzung im Senat: Der CDU-Funktionär und das Geld
Ein von Walter Gauks, dem Senatsbeauftragten für Russlanddeutsche, geleiteter Verein soll in schwere finanzielle Schwierigkeiten geraten sein.
Allein die Mietschulden für die Vereinsräume, heißt es aus dem Ostberliner Großbezirk, würden sich auf mehr als 10.000 Euro belaufen. Hinzu kämen weitere Schulden, etwa für Honorare. „Das dicke Ende steht aber erst bevor“, sagt ein CDU-Mitglied zur taz, das seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.
Demnach könnte Gauks' Verein noch mit unangenehmen Steuernachforderungen konfrontiert werden für die Zeit zwischen Mai 2021 und Juni 2022, als Lyra Marzahn nach eigenen Angaben drei Corona-Testzentren – zwei stationäre und ein mobiles – betrieb.
Nach taz-Informationen bekam der CDU-nahe Verein hierfür eine sechsstellige Summe von der Kassenärztlichen Vereinigung. Eine Steuernachforderung könnte bei dem heute offenbar trotzdem klammen Verein also erheblich ins Kontor schlagen. Eine Insolvenz von Lyra Marzahn, heißt es aus der Bezirks-CDU, sei dann nicht mehr auszuschließen.
Umstrittene Personalentscheidung
Walter Gauks wurde im Januar auf Initiative der CDU des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner auf die neue geschaffene Stelle einer „Ansprechperson des Senats für Deutsche aus Russland, Spätaussiedler und Vertriebene“ bei der SPD-geführten Integrationsverwaltung gesetzt. Eine Personalentscheidung, die in der Opposition rasch den Vorwurf der Vetternwirtschaft aufkommen ließ.
Schließlich ist Gauks nicht nur CDU-Ortschef von Marzahn Mitte. Nicht ganz irrelevant bei der Stellenbesetzung sollen auch Gauks' gute Kontakte zur stellvertretenden CDU-Kreischefin von Marzahn-Hellersdorf, Bildungssenatorin und vor allem Wegner-Partnerin Katharina Günther-Wünsch gewesen sein. Der Fall war zuletzt sogar Thema im Plenum des Abgeordnetenhauses.
Für den neuen Senatsbeauftragten Gauks wäre es dabei nicht die erste Pleite. Vor wenigen Jahren ging in Lichtenberg schon der fast namensgleiche und ebenfalls mit seinem Namen verbundene Verein Lyra insolvent, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht korrekt verwendete öffentliche Gelder in Höhe von 44.000 Euro zurückgefordert hatte. Zuvor hatte Gauks bereits eine auf ihn laufende Firma Event- und Gastro-Firma in Osterode im Harz in den Sand gesetzt.
Lyra Marzahn will die vermeintliche finanzielle Schieflage des Vereins weder bestätigen noch dementieren. „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir über Interna des Vereins keine Auskunft geben“, sagt der Vizechef Alexander Korneev zur taz. Auch die Hausverwaltung will sich mit Blick auf die kolportierten Mietschulden nicht äußern.
Spendenaufrufe im Netz
Dass es um die Finanzlage von Lyra Marzahn schlecht stehen und die Einnahmen aus den Corona-Testzentren längst ausgegeben sein könnten, darauf deutet auch ein Spendenaufruf für den Verein in den sozialen Medien seitens der Künstlerin Juliane Duda hin, die in den Vereinsräumen eine Ausstellung plant. In dem Aufruf schreibt Duda, dass dem Verein zugesagte Gelder bisher noch nicht überwiesen wurden, weshalb „die laufenden Projekte des Vereins eingeschränkt oder sogar beendet werden müssen“.
In der Tat liegt beim Bezirk Marzahn-Hellersdorf ein Antrag auf 40.000 Euro von Lyra Marzahn, den CDU-Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic ohne Beteiligung der Bezirksverordneten bewilligen wollte – bevor ihn der zuständige Fachausschuss der BVV aufgrund der Presseberichte über den Fall Gauks auf Eis legte. Grüne und Linke im Bezirk sind gegen die Zuwendung.
Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Sebastian Schlüsselburg, geht sogar noch weiter und fordert die Staatsanwaltschaft auf, eventuellen Hinweisen auf Betrugsverdacht mit Corona-Testzentren bei Lyra Marzahn nachzugehen. „Die Staatsanwaltschaft bearbeitet aktuell tausende solche Verfahren. Die öffentlichen Gelder waren für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung bestimmt und nicht zur Finanzierung anderer Aktivitäten“, so Schlüsselburg.
Geplantes Engagement für Ukraine-Flüchtlinge
Mangelndes Engagement dürfte Gauks' Verein sicherlich kaum vorzuwerfen sein. So hat Lyra Marzahn auch in Lichtenberg Fördergelder beantragt, über die noch nicht entschieden ist, so Bezirkssprecherin Antje Kind auf taz-Nachfrage. Die Mittel, ist weiter aus CDU-Kreisen zu hören, sollen aber für ein Lyra-Projekt zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge gedacht sein.
Auch im Ukraine-Ankunftszentrum in Tegel wollte sich Lyra Marzahn einbringen und ganz konkret einige Konzerte für Menschen mit Fluchterfahrung im Rahmen des Festivals „Wir gemeinsam“ anbieten, wie Gauks auf seiner Facebook-Seite schreibt. Das wiederum hat nun ukrainische Hilfsorganisationen auf den Plan gerufen.
Denn was Gauks nicht erwähnt: Das Festival „Wir gemeinsam“ fand 2020 noch im Russischen Haus in der Friedrichstraße in Mitte statt, das indirekt Russlands Außenminister Sergey Lavrov untersteht. Und auch sonst pflegte Gauks in der Vergangenheit gute Kontakte zum Russischen Haus. Werbefotos von 2021 zeigen ihn beispielsweise bei einem offiziellen Termin mit dessen Direktor Pavel Izvolskij und dem CDU-Bundestagsabgeordneten Mario Czaja, der damals im Wahlkampf um die Stimmen von Russlanddeutschen in seinem Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf warb.
Das ist zunächst nichts Ungewöhnliches. Auch die Bundesregierung war bekanntlich bis zum Überfall Russlands auf die Ukraine vor zwei Jahren stets um gute Beziehungen zum Kreml bemüht. Auf der Facebook-Seite des Vereins Deutsch-Russischen Festtage – auch hier sitzt Gauks im Vorstand – wurde allerdings noch im Sommer 2023 für eine Veranstaltung im Russischen Haus geworben.
Ebenfalls 2023 wurde zudem ein Spendenaufruf für das Kloster St. Georg der Russisch-Orthodoxen Kirche in Brandenburg veröffentlicht, das ihrerseits zugleich um Unterstützung von Kremlchef Wladimir Putin höchstselbst warb. Nach Unterlagen, die der taz vorliegen, hatte im Oktober 2022 auch Gauks' Verein Lyra Marzahn 500 Euro für dieses Kloster gespendet.
Ukrainische Initiativen verweigern die Zusammenarbeit
Für Oleksandra Bienert von der Allianz ukrainischer Organisationen geht das alles gar nicht. Allein die Annahme, ein vielleicht prorussischer Verein könnte mit Ukrainern zusammen feiern oder sie beraten, sei eine „Reproduktion des russischen imperialistischen Denkens“. In Zeiten des russischen Angriffskrieges sei das, so Bienert, außerdem „eine Verhöhnung der ukrainischen Kriegsopfer und kann zu Retraumatisierungen führen“.
Ähnlich sieht das die Ukrainerin Tetiana Goncharuk vom Frauentreff in Marzahn „UkrainerInnen haben feine Antennen, wie ein Verein oder BeraterInnen tatsächlich zum russischen Staat stehen. Danach entscheiden sie, ob sie Vertrauen aufbauen oder nicht“, sagt sie zur taz.
Die von Lyra Marzahn angebotene Veranstaltung im Ukraine-Ankunftszentrum in Tegel sind unterdessen wohl aber ohnehin erst einmal vom Tisch. „Ein Konzert mit dem genannten Kulturverein wird dort nicht stattfinden“, teilt Monika Hebbinghaus vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten mit. Die Betriebsleitung des Deutschen Roten Kreuzes, das das Zentrum betreibt, habe das Engagement von Gauks' Verein abgelehnt.
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