Umstrittene Inobhutnahme: Alleinerziehende leben gefährlich

Alleinstehende Mütter können offenbar beim Jugendamt leicht in ein gefährliches Raster fallen. Die Strukturen müssen dringend überprüft werden.

Ein Kind und eine Frau halten lächelnd die Stirn aneinander

Diagnose der zu engen Mutter-Kind-Bindung führte zu Inobhutnahmen (Symbolbild) Foto: dpa

Die Fallstudie von Wolfgang Hammer ist erschütternd. Es zeichnet sich ein Muster ab bei Fällen, die bisher nur als Einzelschilderungen bekannt sind. Alleinerziehende mit Einzelkind im Trennungsstress leben offenbar gefährlich: Sie können beim Jugendamt in ein Raster fallen, aus dem es so leicht kein Entrinnen gibt. Zumal, wenn man hört, dass es bereits Heime gibt, die sich auf das Störungsbild Mutter-Kind-Symbiose spezialisiert haben.

In den hier geschilderten Fällen fehlt die Verhältnismäßigkeit. Der Staat darf Eltern nicht die Kinder wegnehmen, nur weil er meint, er könnte sie irgendwie besser erziehen. Natürlich gibt es auch psychische Misshandlung von Kindern. Aber dieses Feld ist offenbar extrem anfällig für Willkür und Beliebigkeit. Und das ist nicht nur Zufall.

Der Bundestag hat vor einigen Jahren das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen verabschiedet, nach dem Eltern schneller das Sorgerecht verlieren. Dieses und weitere Strukturen gehören auf den Prüfstand. Deshalb hat auch der Bundestag auf Veranlassung des CDU-Familienpolitikers Markus Weinberg ein Forschungsprojekt in Auftrag gegeben, bei dem sich im Frühjahr binnen weniger Wochen über 700 Eltern meldeten, die ihre Fälle schildern wollten.

Es braucht politischen Druck von unten

Doch wird es wirklich eine unabhängige Untersuchung geben? Die Forscher und Institute sind oft mit dem Hilfesystem verstrickt oder schmoren im eigenen Saft. Der schonungslose Blick von außen ist so nicht sicher.

Wolfgang Hammers Analyse müsste unbedingt in ein unabhängiges Forschungsprojekt einfließen. Eigentlich braucht man sogar eine Enquetekommission im Bundestag, die die Wandlung der Jugendhilfe seit der Wiedervereinigung untersucht und herausfindet, wie dieser Staat so übergriffig werden konnte.

Dafür braucht es die starke Beteiligung der Betroffenen, politischen Druck von unten. Aber leichter gesagt als getan: Es gibt nichts Schlimmeres, als das eigene Kind zu verlieren. Eltern, denen das passiert, sind Menschen ohne Lobby und viele schämen sich. Und ausgerechnet in den Jugendämtern fehlt die Empathie.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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