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Umgang mit dem UN-MigrationspaktSpahn kritisiert Regierung scharf

Der Gesundheitsminister schlägt eine Verschiebung des UN-Migrationspakts vor. Spahn will auf dem CDU-Bundesparteitag darüber abstimmen lassen.

Jens Spahn will reden Foto: dpa

Berlin afp/epd/dpa | Der Kandidat für den CDU-Parteivorsitz, Jens Spahn, fordert eine Abstimmung auf dem CDU-Bundesparteitag über den Umgang mit dem umstrittenen UN-Flüchtlingspakt und schließt eine Verschiebung der Unterzeichnung nicht aus. „Alle Fragen der Bürger gehören auf den Tisch und beantwortet, sonst holt uns das politisch schnell ein“, sagte Spahn der Bild am Sonntag (BamS). „Notfalls unterzeichnen wir eben später.“

Spahn hob hervor, in der Unionsfraktion sei intensiv über den Migrationspakt diskutiert worden. Dies solle „genauso offen auf dem CDU-Parteitag“ im Dezember geschehen. Der Bundesgesundheitsminister kritisierte den bisherigen Umgang der Bundesregierung mit dem UN-Migrationspakt scharf: „Weil wir uns der Diskussion nicht aktiv gestellt haben, ist der Eindruck entstanden, wir hätten da etwas zu verheimlichen und dass der Pakt uns schade.“ Intransparenz befördere Misstrauen. Das sei bereits bei der Debatte um das transatlantische Handelsabkommen TTIP deutlich geworden.

Überdies machte Spahn seine Partei für den Erfolg der AfD mit verantwortlich. „Dass die AfD inzwischen in 16 Länderparlamenten und dem Bundestag sitzt, liegt auch an uns“, sagte er der BamS. Die CDU könne jedoch „als einzige Partei das Aussteigerprogramm für AfD-Wähler bieten“. Im Falle seiner Wahl als CDU-Vorsitzender wolle er gezielt in die „AfD-Hochburgen“ gehen und mit den Anhängern diskutieren, sagte Spahn. „Wir reden hier im politischen Berlin viel zu oft über die AfD-Wähler statt mit ihnen. Ich möchte stattdessen die offene, unvoreingenommene Diskussion anbieten und sie überzeugen.“

Koalitionen mit der AfD auf Landes- oder Bundesebene schloss Spahn hingegen aus: „Mit einer Partei, die Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen zulässt, russische Autokraten unterstützt, national denkt und weniger Europa will, kann es für uns keine Zusammenarbeit geben.“

Sachsen-Anhalt lehnt Pakt ab

Sachsen-Anhalts CDU hat sich auf einem Parteitag gegen den UN-Migrationspakt gestellt. Eine Mehrheit der Delegierten votierte am Samstagabend in Röblingen am See dafür, die Bundesregierung zu einer Ablehnung des Paktes aufzufordern.

Zu den Befürwortern des Antrags gehörten unter anderem der neu gewählte Landeschef und Innenminister Holger Stahlknecht sowie Generalsekretär Sven Schulze. Mit der deutschen Unterschrift unter den Vertrag bestehe die Gefahr, dazu genötigt zu werden, die Tore bedingungslos aufzumachen, begründete der Landtagsabgeordnete Lars-Jörn Zimmer den von ihm gestellten Antrag.

Stahlknecht sprach von einer „gelben Karte für die Bundesregierung“. Der Pakt sei jahrelang unter dem Radar der Öffentlichkeit verhandelt worden. Weder die CDU noch die Bevölkerung hätten sich dazu positionieren können. „Für mich persönlich ist der Pakt inhaltlich kein Problem, sondern ich habe eine Problem mit der Kommunikation – für andere in meiner Partei ist es auch ein inhaltliches Problem, weil ihnen der Pakt nicht erklärt worden ist.“

Kramp-Karrenbauer ist dafür

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hingegen, die ebenfalls für den Vorsitz ihrer Partei kandidiert, hält den Vertrag für eine Hilfe. Er biete eine Grundlage für Vereinbarungen zwischen Herkunftsländern und Zielländern, damit Migration erst gar nicht entstehe, und sei daher für Länder wie Deutschland eher positiv, erklärte sie vor kurzem.

Der „Vertrag für sichere, geordnete und geregelte Migration“ soll eine internationale Grundlage für den staatlichen Umgang mit Migration schaffen. Er soll unter anderem mehr Rechte für Migranten beinhalten, aber auch Maßnahmen zur Grenzsicherung und gegen Schlepper. Der völkerrechtlich nicht bindende UN-Pakt soll im Dezember in Marokko unterzeichnet werden. Mehrere Länder – darunter die USA und Österreich – lehnen das Abkommen ab.

In Deutschland gibt es Kritik an dem Abkommen vor allem bei der AfD, die eine wachsende Zahl von Migranten befürchtet. Zudem könnte laut AfD ein Völkergewohnheitsrecht entstehen und der Vertrag in gerichtliche Entscheidungen einfließen. Auch in Unionskreisen waren Bedenken geäußert worden. FDP, Linke und Grüne hatten der Bundesregierung mangelnde Aufklärung über das Abkommen vorgeworfen.

Der UN-Migrationspakt: Der vollständige Vertragstext – kommentiert von ExpertInnen für Migration.

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9 Kommentare

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  • Die Selfies von Frau Merkel mit Flüchtlingen bzw. Migranten, wer weiß schon, wer was mehr ist, waren auch rechtlich völlig unverbindlich, hatten aber eine Wirkung.

  • AKK: "(...) damit Migration erst gar nicht entstehe. (...)

    Ja, stellen wir uns taub über die WIRKLICHE Entstehung von Migration!

    Migration gab es immer, weil es Kriege gab und gewollte Verarmung, produzierter Hunger! Also machten sich die Menschen auf den Weg.

    Auch die Vorfahren der SARRAZINS und der DE MAIZIERES...

    • @Gion :

      Sehr richtig. Das ist wie mit dem Wirtschaftswachstum. Es gab immer schon Wirtschaftswachstum und das war gut für die Menschheit. Also muss es immer so bleiben!

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    " Zudem könnte laut AfD ein Völkergewohnheitsrecht entstehen und der Vertrag in gerichtliche Entscheidungen einfließen."

    Diese Einschätzung wird nicht nur von der AfD sondern auch vom Juristen Reinhard Merkel [1], Mitglied im Deutschen Ethikrat, vertreten. In einem Interview mit der Deutschlandfunk [2], ab 14:11:

    "Vereinbart werden Ziele. Was wir eben gehört haben, war die Bemerkung, wie die Ziele umgsetzt werden, bleibt Sache der Staaten. Dass sie umzusetzen sind, wird vereinbart und zwar wirklich rechtlich verbindlich. Das ist sozusagen die suggestive Irreführung die ich derzeit erlebe bei solchen Bekundungen von Seiten der Regierung."



    ...

    [1] de.wikipedia.org/wiki/Reinhard_Merkel



    [2] ondemand-mp3.dradi...1700_d2bd2aee.mp3w

    • 9G
      91867 (Profil gelöscht)
      @83492 (Profil gelöscht):

      Danke für Ihren aufschlussreichen Beitrag, das wusste ich noch nicht! Man hat überhaupt nicht die Zeit das alles selbst zu recherchieren. Wäre eigentlich die Aufgabe von Journalisten, oder?

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...für Herrn Spahn offensichtlich kein Problem, ist die Zusammenarbeit mit Ungarn.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Grundsätzlich ist es gut herzhaft über Dinge zu diskuterien, es schwirren zu viele Fake News über den Pakt im Internet, das lässt zuviel Diskussionshoheit für die AFD. Eine offene Diskussion über Vorteile, Nachteile und Ziele würde da glaube ich gut tun. LEtztlich ist es ja nicht viel mehr als eine Absichtserklärung, helfen tut sie niemandem aber ein Haufen hochrangiger Bürokraten kann sich in teuren Hotels und Restaurants treffen und so tun als ob sie Lösungen erarbeiten.

    • 8G
      83492 (Profil gelöscht)
      @83379 (Profil gelöscht):

      "Eine offene Diskussion über Vorteile, Nachteile und Ziele würde da glaube ich gut tun."



      Ja, wäre schön gewesen. Nur ist jetzt die Zeit dafür vorbei. Der "Compact" ist ausverhandelt,



      die Bundesregierung hat zugesagt. Ohne Gesichtsverlust kommt die Bundesregierung da nich raus,



      also wird unterzeichnet, mag das Stimmvieh noch so viel grummeln.

      "LEtztlich ist es ja nicht viel mehr als eine Absichtserklärung, ..."



      Und genau da gibt es eben Zweifel. Mir fehlt eine verbindliche Aussage der Bundesregierung,



      dass durch den Beitritt zu diesem Abkommen die Bundesrepublik keinerlei völkerrechtlich verbindliche



      Verpflichtungen eingeht und niemand vor deutschen oder internationalen Gerichten wegen dem Beitritt



      ein Klagerecht auf Einhaltung des Abkommens bekommt.

      Ich vermute, diese Zusage wird niemand geben können, weil es sich um ein von Juristen verfasstes Dokument handelt.



      Da ist die Mehrdeutigkeit schon von Berufswegen eingebaut :-)

      • @83492 (Profil gelöscht):

        Die Erklärung ist nicht sooo lang. Lies sie doch einfach mal aufmerksam durch und vergleiche sie mit in unserem Land (ich vermute mal, du bist Deutscher) geltendem Recht. Du wirst feststellen, dass das in Deutschland geltende Recht insbesondere Asyl begehrenden Migranten bereits die in der Vereinbarung vage Beschriebenen Rechte zuspricht (m.E. sogar noch mehr). Bei der Vereinbarung geht es - ähnlich wie bei der UN-Menschenrechtscharta - eher um die Beschreibung gemeinsamer Werte und Absichten, die sich ja eben auch nicht einklagen lassen. Das Ding wurde im Jahr 1948 "ratifiziert" - ein ausreichend langer Zeitraum, um die Einklagbarkeit zu "prüfen", oder?



        Auf Basis und im Geist der Marrakesch-Erklärung können aber etwas konkretere bi- oder multilaterale Abkommen geschlossen werden, die dann dann ggf. auch einklagbar wären. Da werden Rechte und Pflichten der beteiligten Staaten dann aber sicher deutlich genauer beschrieben werden. Man könnte zum Beispiel ein Abkommen mit "Schleuser-Staaten" schließen, um Schleusern durch gezielte Maßnahmen das Leben schwerer zu machen oder so... aber wir haben ja lieber Angst vor allem Möglichen, als dieses klitze klitze kleinen Schritt in Richtung eines menschlicheREN Miteinanders zu gehen ;-)