Umgang mit Sexarbeit: Zwischen Stigmatisierung und Schutz
Sexkauf soll bestraft werden, findet die Unionsfraktion. Vor dem Familienausschuss wird Kritik an dieser Forderung laut.
Dann beginnt die Anhörung der von den Fraktionen geladenen Sachverständigen. „Jede Kollegin sieht und empfindet ihren Job ganz anders“, sagt Johanna Weber, Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen. In ihrer Rolle müsse sie ihre eigene Wahrnehmung hinten anstellen und zuhören. „Das sollte auch die Basis der Arbeit im Bundestag sein, gerade bei einem so emotionalen Thema.“
Dass das Sexkaufverbot im Ausschuss überhaupt Thema ist, liegt an einem Antrag der Unionsfraktion. Dieser prangert die Armuts- und Elendsprostitution an und fordert unter dem Motto „Sexkauf bestrafen“ einen Paradigmenwechsel nach dem Vorbild des „nordischen Modells“: Dieses sieht eine Strafbarkeit von Freiern vor, während gleichzeitig mehr Geld in Ausstiegsprogramme investiert wird.
Weiter ins Dunkelfeld
Huschke Mau, Gründerin des Netzwerks Ella, unterstützt den Vorstoß. „Wenn wir Sexkauf verbieten, gibt es weniger Freier. Und wenn es weniger Nachfrage gibt, gibt es auch weniger Angebot“, sagt sie. Als junge Frau ist Mau selbst in die Zwangsprostitution und Drogenabhängigkeit geraten. „Wir reden über Sexkauf, aber es geht eigentlich um Gewalt“, sagt sie. So argumentiert auch die Traumatherapeutin Brigitte Schmid-Hagenmeyer: „Gewalt ist in der Prostitution inhärent.“ Sexuelle Handlungen gegen Geld schädigten eine Person oft psychisch und körperlich.
Die Vermischung von Zwangsprostitution mit der freigewählten Sexarbeit kritisiert Stefanie Kohlmorgen vom Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiter:innen: „Es wird von Armut und Not gesprochen. Dann müssen wir diese Probleme angehen und nicht die Sexarbeit.“ Mit dem nordischen Modell würden Sexarbeiter:innen nur noch weiter stigmatisiert. Die Sachverständige von der Gewerkschaft der Polizei befürchtet, Sexarbeit werde so weiter ins Dunkelfeld verschoben.
Die Anhörung sei trotz der unterschiedlichen Ansichten „differenziert, konstruktiv, sachlich“ gewesen, bilanziert Ariane Fäscher (SPD). Anders als die Union wolle ihre Partei jedoch den Weg mit dem Prostituiertenschutzgesetz weitergehen. Dieses 2017 eingeführte und schon damals umstrittene Gesetz wird derzeit evaluiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen