Umgang mit Landesgrundstücken: Abgeordnete am Drücker
Das Parlament soll bei jedem Landesgrundstück das letzte Wort haben - auch bei denen der Landesbetriebe. Der Senat wollte etwas Anderes.
SPD und CDU im Abgeordnetenhaus wollen bei Grundstücksverkäufen des Landes weit mehr als bisher mitreden können. In einem am Mittwoch vorgelegten Gesetzentwurf zur neuen Liegenschaftspolitik verankern sie das sogenannte Selbstbefassungsrecht des Parlaments für solche Geschäfte. Bislang haben die Abgeordneten ab einem Preis von 3 Millionen Euro das letzte Wort, darunter entscheidet allein der Senat. Die Reform soll auch für die landeseigenen Unternehmen wie BSR und BVG gelten. Der Senat hingegen hatte die Landesbetriebe ausgenommen, als er vor zwei Monaten sein Konzept zur neuen Liegenschaftspolitik vorstellte.
Bei der neuen Liegenschaftspolitik geht es im Kern darum, nicht allein nach höchstem Gebot zu verkaufen. Wenn nötig, soll stattdessen die geplante Nutzung den Ausschlag geben. Auf diesem Weg hofft etwa Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD), mehr günstigen Wohnungsbau möglich zu machen. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) hatte sich gegen einen Verkauf unter Höchstwert gewehrt, weil dem Land dadurch Geld für andere wichtige Ausgaben verloren gehe – er befürchtete, dass begünstigt werde, wer am lautesten schreie, also die beste Lobbyarbeit betreibe. Das Ende September präsentierte Konzept sollte System in die Sache bringen, konnte den Streit aber nicht beenden.
Das, was die Chefs der Koalitionsfraktionen, Raed Saleh (SPD) und Florian Graf (CDU), nun vorlegten, geht deutlich über dieses Konzept hinaus. Nach ihren Vorstellungen sollen der Senat und die Landesbetriebe den Hauptausschuss des Parlaments von jedem geplanten Verkauf informieren. Der Ausschuss soll dann entscheiden, ob das Parlament die Sache an sich zieht.
Die bisherige Rechtslage degradierte das Abgeordnetenhaus erst jüngst zum Zuschauer: Bei der Diskussion über ein Grundstück der landeseigenen BSR an der Holzmarktstraße konnten Abgeordnete nur fordern, an die Macher des Clubs KaterHolzig zu verkaufen – entscheiden durften sie nicht. Das Parlament soll auch beschließen können, Grundstücke zu übernehmen, die die Landesbetriebe nicht für ihre Zwecke brauchen. Als Entschädigung soll es den marktüblichen Preis geben.
Finanzsenator Nußbaum hatte sich gegen eine Enteignung ausgesprochen: Man könne nicht erst Unternehmen Eigenständigkeit zugestehen und ihnen ebendiese dann wieder nehmen. Seine Senatsverwaltung reagierte jetzt nicht eben euphorisch auf den Gesetzentwurf der Fraktionen. „Wir werden sicherlich in der nächsten Hauptausschusssitzung Gelegenheit finden, das Liegenschaftskonzept sowie die Vorschläge der Fraktionen zu erörtern“, äußerte sich Sprecherin Kathrin Bierwirth dazu.
Die Oppositionsfraktionen überzeugte der Gesetzentwurf nicht. Zu spät kommt er für den Grünen-Finanzexperten Jochen Esser. Er lobte zwar das Selbstbefassungsrecht, will aber die Befugnisse noch verbindlicher festschreiben lassen. Katrin Lompscher (Linke) sieht in dem Entwurf überhaupt keinen Kurswechsel weg von der bisherigen Verkaufspolitik: „Es bleibt fast alles beim Alten.“ Sie begrüßte aber, dass das Parlament Zugriff auf die Landesbetriebe haben soll.
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