LIEGENSCHAFTSPOLITIK: Ausverkauf geht weiter

Massive Kritik am Kompromiss von SPD und CDU selbst aus dem Regierungslager. Initiative fühlt sich brüskiert.

"Freie Hand beim Ausverkauf der Stadt"? Berlins parteiloser Finanzsenator Ulrich Nußbaum. Bild: dpa

Wie soll Berlin in Zukunft mit seinen landeseigenen Grundstücken umgehen? Diese Frage sorgt für Ärger in der rot-schwarzen Regierungskoalition. Vergangene Woche hatten die SPD- und CDU-Mitglieder im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses das Senatskonzept für die künftige Liegenschaftspolitik abgesegnet, obwohl es daran deutliche Kritik gibt – sowohl in Opposition und Zivilgesellschaft als auch im Regierungslager. „Das ging uns viel zu schnell“, heißt es aus der SPD. „Keinem erschließt sich, warum das so plötzlich durchgepeitscht wurde“, so eine Stimme aus der CDU.

Sauer stößt vielen auf, dass Rot-Schwarz mit seinem Vorpreschen den Runden Tisch zur Liegenschaftspolitik brüskiert hat. Dort wollten Vertreter aller Fraktionen und außerparlamentarische Initiativen bis Ende März gemeinsam eine Verbesserung des Senatskonzepts erarbeiten. „Es war eigentlich eine erneute Beratung mit der Zivilgesellschaft vereinbart“, sagte Florian Schmidt von der Initiative Stadt Neudenken der taz. Doch auf der Koalition laste zu großer Druck wegen der Flughafenkrise, weshalb einige wohl einen schnellen Beschluss wollten. Deutlicher wurde Herbert Lohner vom ebenfalls am Runden Tisch vertretenen BUND für Umwelt und Naturschutz: „Die Hauptausschuss-Mitglieder von SPD und CDU haben ein unrühmliches Zeichen für ein Weiter-so in der Berliner Liegenschaftspolitik gesetzt."

„Weiter-so“, das würde bedeuten: Berlin setzt wie in der Vergangenheit darauf, Grundstücke möglichst gewinnbringend zu verkaufen. Rund zwei Milliarden Euro hat das Land so seit dem Jahr 2000 verdient. Eine Abkehr von dieser Verkaufsstrategie forderte das Abgeordentenhaus 2010: Berlin solle seine Flächen lieber für wohnungs-, kultur- und wirtschaftspolitische Ziele nutzen. Nach langem Streit innerhalb des Senats legte Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) vergangenen Herbst ein Umsetzungskonzept vor. Es stieß innerhalb wie außerhalb des Parlaments auf Kritik, unter anderem weil die Vergabe an den Höchstbietenden die Regel und ein inhaltliches Konzeptverfahren die Ausnahme bleiben. „Nußbaums Konzept bedeutet die Fortsetzung der alten Verkaufspolitik mit noch schärferen Mitteln“, sagte die Linken-Abgeordnete Jutta Matuschek.

Nußbaum hat freie Hand

Trotzdem hatten es die Koalitionsvertreter im Hauptausschuss eilig, „die Hängepartie soll jetzt mal ein Ende haben“, sagte SPD-Mann Torsten Schneider. Zwar gaben SPD und CDU dem Senat Änderungswünsche zu Protokoll, unter anderem dass „eine Abkehr vom Vorrang des Verkaufs erfolgt“. Doch wie sehr dies den Senat bindet, ist offen. „Tatsächlich hat der Finanzsenator jetzt freie Hand beim Ausverkauf der Stadt“, sagte Matuschek.

So weit will Stadt-Neudenken-Vertreter Schmidt nicht gehen: „Wir müssen jetzt die im Hauptausschuss formulierten Änderungswünsche mit Leben füllen und dabei die Rolle des Runden Tisches instutionalisieren.“ Scheitere die Kooperation zwischen Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft, werde seine Initiative ein Volksbegehren anstreben. Konkrete Forderungen haben Parlamentarier und Aktivisten am Runden Tisch bereits Mitte Januar aufgestellt: Zum einen soll es ein öffentliches Kataster geben, in dem jeder den Grundstücksbestand einsehen kann. Zum anderen soll ein beratendes Gremium mit Vertretern der Zivilgesellschaft bei allen Liegenschafts-Entscheidungen einbezogen werden.

Warnende Worte schicken Vertreter der Koalitionsfraktionen in Richtung Finanzsenator: „Wir werden genau beobachten, wie Nußbaum mit den Änderungswünschen umgeht.“ Bekanntlich könne das Parlament über den Vermögensausschuss jeden einzelnen Grundstücksverkauf stoppen.

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