Umgang mit Geflüchteten in Schweden: Abschiebung von Kindern stoppen
Einem Großteil der minderjährigen Geflüchteten droht in Schweden die Zwangsausweisung. Initiativen fordern eine Einhaltung der UN-Kinderkonventionen.
Aufgerufen hatte ein Netzwerk verschiedener Flüchtlingsinitiativen. Unter dem Motto „Wir halten das nicht mehr länger aus!“, forderten sie von der Regierung vor allem eine Einhaltung der Kinderkonvention der Vereinten Nationen, eine Rückkehr zu humanitärer Flüchtlingspolitik und einen Stopp angekündigter Zwangsausweisungen. Von denen sind seit Anfang Oktober über 20.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bedroht, die seit Beginn 2015 nach Schweden gekommen waren.
Grundlage für die Verschärfungen ist zum einen eine Neueinschätzung der Sicherheitslage durch die Ausländerbehörde „Migrationsverket“: Die Situation in Afghanistan habe sich so stabilisiert, dass eine Rückkehr gefahrlos geworden sei. Die Asylanträge von 90 Prozent der afghanischen Flüchtlinge werden mit dieser Begründung abgelehnt, während das schwedische Außenministerium gleichzeitig dringend von Reisen in dieses Land abrät – wegen der gefährlichen Sicherheitslage.
Zudem hat Stockholm mit der afghanischen Regierung am 5. Oktober ein „Rückführungsabkommen“ geschlossen, mit dem die Ausweisungs- und Abschiebungspraxis koordiniert, vereinfacht und beschleunigt werden soll.
Ihr Alter wird angezweifelt
Zwar dürfen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht abgeschoben werden. Doch die Ausländerbehörde ist dazu übergegangen, die Ablehnung von Asylanträgen beispielsweise 15-jähriger Jugendlicher mit einer Ausweisungsverfügung zu deren 18. Geburtstag zu verknüpfen. Außerdem wird das Alter der Jugendlichen mehr und mehr in Frage gestellt.
Eine derartige Praxis hat mittlerweile zu wachsenden Protesten von Organisationen und Privatpersonen, die sich für diese Flüchtlingskinder engagieren, geführt. Mehrere Hundert LehrerInnen veröffentlichten im Stockholmer Svenska Dagbladet einen Aufruf diese Ausweisungen zu stoppen. „Wir haben eine große Verantwortung für alle Kinder, die uns anvertraut sind“, heißt es da. Doch diese wahrzunehmen werde von der Asylpolitik der schwedischen Regierung unmöglich gemacht.
Was könne man anderes als Angst und Apathie von Jugendlichen erwarten, denen jede Perspektive genommen werde, fragen die UnterzeichnerInnen. Häufig seien Jugendliche betroffen, die möglicherweise nie oder nur als Kinder in Afghanistan waren, weil sie mit ihren Familien im Iran lebten, bevor sie nach Schweden flüchteten. Mit Ausweisung in ihr „Heimatland“ Afghanistan liefen sie Gefahr, zwangsrekrutiert zu werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“