Umfragehoch für die Berliner SPD: Der Auftrag lautet Rot-Rot-Grün
Eine Mehrheit ist für Rot-rot-grün. Zugleich kommt die SPD mit einer konservativen Kandidatin auf Rekordwerte. Grund ist auch die Schwäche der Grünen.

E s ist schon bemerkenswert: Da fährt die Spitzenkandidatin der SPD, Franziska Giffey, ein Rekordergebnis nach dem anderen in den letzten Umfragen vor der Abgeordnetenhauswahl ein, in der jüngsten Civey-Statistik liegen die GenossInnen jetzt bei 25 Prozent und sind mit Abstand stärkste Kraft. Und auch Giffey selbst steigt weiter in der WählerInnen-Gunst, allen (längst vergessenen) Affären um Plagiate zum Trotz. Die Positionen der Spitzenkandidatin, vor allem in der Klima- und Verkehrspolitik, sind dabei deutlich konservativer als das, was die SPD bisher im rot-rot-grünen Senat umgesetzt hat.
Und dennoch, der Auftrag der WählerInnen lautet weiterhin, und zwar trotz der Begeisterung für Giffey: Rot-rot-grün. Zumindest wäre es die Koalition, die mit 56 Prozent die deutlichste Mehrheit der Stadbevölkerung hinter sich hätte.
Natürlich schließt Giffey bisher eine Neuauflage von Rot-rot-grün in Berlin nicht aus. Warum sollte sie auch – wo sie Grüne und Linke doch einfach noch ein wenig weiter betteln lassen kann, sie möge sich endlich zu ihnen bekennen. Giffey ist die starke Frau dieses Wahlkampfs, und sie hat andere Optionen. Dass die rechts von einem Links-Bündnis liegen, hat sie bereits klar gemacht: Ja zum U-Bahnausbau, Nein zum Enteignen-Volksentscheid, Ja zur autofreundlichen Innenstadt. Wer CDU wolle, solle doch bitte das Original wählen, bemühte sich deren Spitzenkandidat Kai Wegner bereits um Abgrenzung.
Die SPD liegt zwei Wochen vor der Abgeordnetenhauswahl in Berlin am 26. September laut einer repräsentativen Umfrage in der Gunst der Wählerinnen und Wähler vorne. 25 Prozent würden demnach die Sozialdemokraten wählen, wie die Meinungsforscher von Civey für den Tagesspiegel ermittelt haben. Damit ist die Partei mit Spitzenkandidatin Franziska Giffey im Vergleich zu einer repräsentativen Umfrage aus dem August um fünf Prozentpunkte nach oben geklettert.
Die Grünen verloren laut Civey fünf Prozentpunkte im Vergleich zur August-Umfrage. Sie liegen aktuell bei 15 Prozent und damit auf dem vierten Platz nach der Linken und der CDU, die jeweils auf 16 Prozent kommen. Die AfD erreicht demnach neun Prozent, die FDP sieben Prozent. Rot-rot-grün hätte mit 56 Prozent eine deutliche Mehrheit. Auch Koalitionen aus SPD, Grüne und FDP sowie aus SPD, CDU und FDP wären möglich. (dpa, taz)
Viel wird gerade darüber diskutiert, ob die Berliner SPD eigentlich zu ihrer Spitzenkandidatin passe – Grüne und Linke verweisen, in ihrem zunehmend verzweifelt wirkenden Werben um Rot-rot-grün, auf die progressiven Kräfte in der Partei. Mit denen werde man schon reden können, nach der Wahl. Wie viel diese Kräfte noch mitreden dürfen (oder überhaupt wollen), wenn Giffey der SPD das Rote Rathaus holt, wird man aber erst noch sehen. Nun gut, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Tatsache ist, dass Berlin deutlich konservativer regiert werden könnte, als eine Mehrheit, die für eine Neuauflage von Rot-rot-grün ist, das möchte. Das zeigt nicht zuletzt auch die bisherige (knappe) Umfragen-Mehrheit für den Enteignen-Volksentscheid.
Dass nur 30 Prozent der Befragten mit der bisherigen Arbeit der Koalition zufrieden sind, muss übrigens kein Widerspruch sein zu den 56 Prozent, die für ein links-grünes Bündnis sind. Man kann durchaus Kritikpunkte haben an der bisherigen Arbeit des Senats: zu zögerlich beim Klimaschutz, zu wenig Radwege gebaut. Und doch kann man davon überzeugt sein, dass es dieses Bündnis braucht.
Für 33 Prozent sind übrigens die Mieten das wahlentscheidende Thema. Und ausgerechnet da schaffen es die Grünen nicht, sich klar zu positionieren. Dass man dann irgendwann in der Bittsteller-Position ist, muss nicht wundern.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
FDP bei der Bundestagswahl
Lindner kündigt Rückzug an
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder