Umfrage zur Forschungsfreiheit: Bedenkliche Fragen
Das Allensbach-Institut hat Hochschullehrer*innen befragt. Manche Antworten sind besorgniserregend. Die Fragen aber sind besorgniserregender.
Die Freiheit der Wissenschaft ist ein hohes Gut, mit Verfassungsrang immerhin. Die Idee, dass in Forschung und Lehre Tätige unbehelligt von tagespolitischen Erwägungen und ökonomischen Zwängen arbeiten können, ist wie jedes hehre Ideal aus dem Grundgesetz gewissen pragmatischen Einschränkungen unterworfen, im Prinzip aber unstrittig.
Die individuelle Bindung der Wissenschaftsfreiheit insbesondere an Professor*innen hat über die Jahre zu einer gelegentlich etwas fundamentalistischen Auslegung geführt, einer Art Sonderrecht, sich gesellschaftlichen Entwicklungen und Anforderungen und bisweilen auch moralischen Erwägungen gänzlich entziehen zu können.
Das Allensbach-Institut stellt nun die Ergebnisse einer Umfrage vor, in der mehr als 1.000 Hochschullehrer*innen zum Stand der Forschungsfreiheit an deutschen Hochschulen befragt wurden. Die Studie liegt bislang lediglich als Zusammenfassung auf einem guten Dutzend Präsentationsfolien vor. Einige Kernaussagen lassen sich dennoch bereits ablesen. Für ein wenig mediale Beunruhigung sorgten Feststellungen wie die von 20 Prozent der Befragten, dass man den Staat Israel ablehnen können müsse. 43 Prozent möchten den Klimawandel leugnen und 22 Prozent „Rassenforschung“ betreiben dürfen.
Nun heißt das aber keineswegs, dass zehntausende Wissenschaftler*innen ungeduldig darauf warten, endlich wieder Nasenlängen und dergleichen vermessen zu können. Hier schlägt einfach nur jener fundamentalistische Freiheitsbegriff durch, der Wissenschaft als von politischer und gesellschaftlicher Verflechtung freier Kategorie begreifen will, der sich vollständig selbst reguliert und seine Forschungsgegenstände auch gegen aktuelle Trends selber aussucht.
Gedankenexperimente im Elfenbeinturm
Dass das Unsinn ist, sehen anscheinend immer noch viele der Hochschullehrer*innen. 80 Prozent der Befragten denken schließlich, dass der Staat Israel besser nicht zur Disposition gestellt werden sollte. Und selbst von den restlichen 20 Prozent darf man wohl annehmen, dass nicht alle den jüdischen Staat im Mittelmeer verklappen wollen, nur weil sie entsprechende Gedankenexperimente im Elfenbeinturm erlaubt sehen möchten. Es gilt, salopp gesagt, die alte Regel: Jeder Antisemit ist ein Idiot, aber nicht jeder Idiot ist ein Antisemit.
Ein weiterer Fragenkomplex der Allensbach-Studie beschäftigt sich mit der Einschätzung der Hochschullehrer*innen, mit wie viel Gegenwehr sie für bestimmte wissenschaftliche Praxis rechnen würden. Grob gesagt, sehen sich die Wissenschaftlerinnen mit den Dingen, die erlaubt sein sollten im Einklang mit dem Rest von Hochschule und Gesellschaft. Bei einer Sache, die nach ihrer mehrheitlichen Ansicht grundsätzlich erlaubt sein sollte, wird mit geringer Gegenwehr gerechnet.
Einziger deutlicher Ausreißer ist die Einschätzung des Umgangs mit „Rechtspopulisten“, einer Chiffre, von Allensbach zweifellos gesetzt mit Blick auf die immer offensichtlicher rechtsradikal agierende AfD. Während 82 Prozent der Befragten der Auffassung sind, es müsse erlaubt sein, einen „Rechtspopulisten“ zu einer Podiumsdiskussion einzuladen, rechnen 74 Prozent mit Gegenwehr bei solchen Auftritten.
So eine Einschätzung der Protestwahrscheinlichkeit ist schwer zu validieren, hat aber sicher einen wahren Kern. Was das aber über die Situation der Forschungsfreiheit an den Hochschulen aussagt, bleibt völlig offen. Schließlich unterliegen die meisten der abgefragten Fälle tatsächlich keinem materiellen Verbot. Es ist (nicht nur an Hochschulen) erlaubt, Politiker*innen auf Podiumsdiskussionen einzuladen. Es ist erlaubt, den Islam als Religion oder Israel als Staat abzulehnen und immer so weiter.
Das Problem sind die Fragen
Das Problem liegt weniger in den Antworten der Hochschullehrer*innen, die auf Nachfrage eben gewisse gesellschaftspolitische Präferenzen und ein gegebenenfalls etwas feudales Selbstverständnis offenbaren. Das Problem liegt in der Fragestellung durch Allensbach. Die Bedrohung der Freiheit der Wissenschaft wird als Prämisse gesetzt, und darauf aufbauend werden schlagwortartig Belege gesucht. So wird zum Beispiel ein Zwang zu gendergerechter Sprache implizit vorausgesetzt. Selbstverständlich besteht eine Mehrheit der Befragten darauf, dass es erlaubt sein müsse, sich dieser zu verweigern. Nur: Niemand verbietet ihnen das.
Ein knappes Drittel der Hochschullehrer*innen fühlt sich nach dieser Umfrage dennoch in ihrer Lehre und Forschung durch „Political Correctness“ eingeschränkt. Was dieser ideologisierte Kampfbegriff beinhaltet, wird zumindest in der ersten Präsentation durch Allensbach leider nicht konkretisiert und qualifiziert. So bleibt diese Umfrage über die Freiheit der Wissenschaft mindestens an dieser Stelle ideologisch gefärbt, methodisch ungenau und unpräzise, oder anders gesagt: unwissenschaftlich.
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