Umbau beim SWR: Kai Gniffkes erste Amtshandlung
Der neue SWR-Intendant bündelt die News in Baden-Baden. Es ist der Beginn vom radikalen Umbau hin zum „badischen Silicon Valley“.
Anders als andere ARD-Sender, die gerne mal viel von sich reden machen, ist der Südwestrundfunk der unscheinbare Streber in der hinteren Reihe. Während der WDR-Intendant Tom Buhrow mit seiner „Umweltsau“-Aktion gleich trompetend ins Jahr startet, hört man vom SWR: nichts. Wenn der MDR sich am Wahlabend blamiert, weil dort live eine Koalition mit der AfD als „bürgerlich“ bezeichnet wird, hört man beim SWR … SWR, war was?
Der Sender hat zudem auch keine sonderlichen Geldprobleme, für 2020 erwartet die Anstalt, die Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg befunkt, erneut einen leichten Gewinn – und schreit deswegen auch nie Zeter und Mordio, wenn es um den Rundfunkbeitrag geht. Kurzum: im Südwesten läuft’s. Aber jetzt ist da einer, der plötzlich trotzdem – oder gerade deshalb – ganz viel ändern will.
Der neue Intendant Kai Gniffke – vorher Chefredakteur der „Tagesschau“ – will den Sender jünger und digitaler machen. Dafür sollen Ressourcen bei den „alten“ Programmkanälen, also Fernsehen und Radio, abgezogen und Programmbereiche zusammengelegt werden. Wie der SWR am Mittwoch mitteilte, werden in einem ersten Schritt die Hörfunknachrichten ab 2021 nur noch in Baden-Baden produziert und nicht mehr in Stuttgart und Mainz.
„Ziel ist es, Kräfte zu bündeln“, sagte ein SWR-Sprecher der dpa. Mitarbeitende werden wohl den Ort wechseln müssen. Regionale News sollen aber weiterhin von mehreren Standorten aus zusammengestellt werden.
Weitere Schritte sind zu erwarten, denn Gniffke will die verschiedenen Kanäle an Standorten bündeln, will Doppelstrukturen abbauen und strebt sogar ein „Innovationszentrum“ in Baden-Baden an, wo neue digitale Formate entwickelt werden sollen.
Mit diesen Ideen ist Gniffke im vergangenen Jahr zur Wahl angetreten. Die SWR-Wahlkommission entschied sich damals, zur Überraschung vieler, die den SWR als behäbig und eher strukturkonservativ abgespeichert hatten, für Gniffke. Und damit gegen die hauseigene Stefanie Schneider.
Gniffke hat große Pläne und wenig Zeit: fünf Jahre, bis er im Amt bestätigt werden muss. Das ist wenig, um einen Sender radikal um- und ein „badisches Silicon Valley“ aufzubauen, ohne dass die Laune in der Belegschaft umkippt. Währenddessen zeichnet sich ab, dass der Rundfunkbeitrag in dieser Zeit zwar angehoben, aber unter der Inflation bleiben wird, sodass nicht mehr Geld zur Verfügung steht als bisher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?