Ulrich Schulte über die Sichere Drittstaatenregelung: Schmutziger Unfug
Man muss Michael Kretschmer nicht kennen. Er ist Vater, evangelischer Christ und in der CDU. Dort wirkt er als Generalsekretär in Sachsen, wo er seine Aufgaben erfüllt, so gut er kann. Aber wie er im Streit über die angeblichen sicheren Herkunftsstaaten Marokko, Tunesien und Algerien seine Gegner diffamiert, verdient es, zitiert zu werden. Die Grünen müssten sich entscheiden, sagt er. „Wollen sie Anwalt der Mehrheit der deutschen Bevölkerung sein oder derjenigen Menschen, die nicht hierher gehören.“ Wer auf die deutsche Verfassung hinweist, spricht also gegen die Mehrheit der Deutschen?
Kretschmer ist nicht allein. „Eine Ablehnung wäre pure, sinnlose Ideologie“, erklärt Innenminister de Maizière. Die Grünen machten sich „zum Gehilfen für massenhaften Asylmissbrauch“, sagt CSU-Generalsekretär Scheuer. Die zweifelnden Grünen seien „die besten Wahlkampfhelfer der AfD“, sagt FDP-Chef Lindner.
Das schwarz-gelbe Lager hetzt nicht nur gegen die Grünen. De Maizière und andere stellen auch die Kirchen, Menschenrechtsorganisationen und profilierte Anwälte als weltfremde Idioten hin. Denn sie haben sich ebenfalls klar gegen den Plan der Koalition gestellt, schneller in Staaten abzuschieben, in denen es Folter gibt.
Es gibt ernsthafte Argumente gegen das Gesetz. Es widerspricht sehr wahrscheinlich der Rechtsprechung von Karlsruhe. Es ignoriert Zustände, die jedem menschenrechtlichen Anspruch spotten. Wer solche Einwände als „pure, sinnlose Ideologie“ abtut, argumentiert mit einem Weltbild, das vielleicht eigenen Wünschen entspricht, aber nicht der Realität.
Weder der Innenminister noch der CSU-General oder der FDP-Chef sind Ideologen. Sie sind gebildete Menschen, die um die Schwächen des Gesetzes wissen. Bewusst entscheiden sie sich dafür, den Rechtspopulismus mit populistischer Hetze zu bekämpfen. Sie liefern den Ausblick, wie ein Wahlkampf 2017 mit einer stärker werdenden AfD aussehen könnte.
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