Ulrich Schulte über Angela Merkels Wahlkampfstrategie: Wegducken schadet
Natürlich, das vorab, ist es falsch, Angela Merkel als Antidemokratin hinzustellen. Wenn Martin Schulz der Kanzlerin einen „Anschlag auf die Demokratie“ vorwirft, hat das etwas überdreht Verzweifeltes. Der Sozialdemokrat beißt nachts vermutlich weinend ins Kopfkissen, weil er kein Rezept gegen die populäre Kanzlerin findet.
Interessanter als Performancekritik ist aber der Kern des Arguments. Die SPD hat nämlich Recht. Merkels Erfolgskonzept vergangener Wahlkämpfe, WählerInnen des gegnerischen Lagers durch kalkulierte Nichtpositionierung einzuschläfern, sediert den Diskurs. Ihre Weigerung, relevante Fragen zu diskutieren, schadet der Demokratie. Und dieses Grundmuster lässt sich im Moment wieder wunderbar besichtigen.
Man weiß ja eher, was Merkel nicht will – etwa: keine Rentenreform. Die Kanzlerin hat neulich noch einmal betont, es gebe bis 2030 keine Notwendigkeit, das Rentensystem zu verändern. Ernsthaft? Der demografische Wandel ist die zentrale Herausforderung für die deutschen Sozialsysteme, irgendwann droht der Kollaps. Wäre es nicht so traurig, würde man über die Ignoranz der CDU lachen.
Während die SPD zuletzt im Wochentakt ausformulierte Konzepte vorlegte, hält sich Merkel vornehm zurück. Die Spitzenleute von CDU und CSU basteln immer noch an ein paar Forderungen, mit denen sie ihren Wahlkampf orchestrieren. Die spannende Frage ist, ob Merkel sich dieses Mal traut, in die Details zu gehen und zu erklären, wohin sie will. Oder ob sie wieder – und das ist nicht unwahrscheinlich – auf einen wolkigen Wohlfühl-Wahlkampf setzt. Für Letzteres aber sind die Zeiten zu ernst.
Der Streit um die bessere Idee ist die Essenz des Politischen. Zwischen Demokraten müssen die Unterschiede klar erkennbar sein, sonst profitieren die Rechtspopulisten. Sie kochen ihr braunes Süppchen mit der Wut auf angeblich gleiche „Systemparteien“. Das sollte Merkel wissen.
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