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Ukrainische Hochschulen im KriegMatheprüfung im Verborgenen

Zum zweiten Mal während des Kriegs haben in der Ukraine die jährlichen Uni-Aufnahmetests begonnen. Die Prüfungsorte bleiben geheim.

Bucha, Ukraine, 31.5.2023: Schülerinnen während einer Feier zum Schuljahresende Foto: Sergey Dolzhenko/epa

Luzk taz | Iwan Wasiljuk aus Luzk hat gerade sein Abitur gemacht, doch jetzt hat er noch mehr zu tun. Seit seinem letzten Schultag am 31. Mai besucht der Abiturient dreimal täglich Privatlehrer, um sich auf die allgemeine Aufnahmeprüfung für die Universität vorzubereiten. Je höher dabei seine Punktzahl ist, desto größer sind seine Chancen auf einen Studienplatz. „Der Privatunterricht hat mir sehr geholfen, weil nach zwei Jahren Corona und einem Jahr Krieg das Unterrichtsniveau sehr gesunken ist. Einige Lehrer haben die Ukraine verlassen. Und oft gab es wegen des Luftalarms keinen Unterricht mehr“, erzählt Iwan.

Seine Befürchtungen teilt auch die Geschichtslehrerin Ljudmilla Borjatschuk. Sie klagt, dass die Kinder in der Ukraine schon seit einigen Jahren nicht mehr so viel in der Schule lernten. „Sie hatten eher wenig Stress mit dem Unterricht. Der Stress kam eher durch den Lockdown und den Krieg. Deswegen sind auch viele Prüfungen abgesagt worden. Jetzt fürchten wir, dass die Jugendlichen mit dem Druck, den diese Aufnahmetests verursachen, nicht mehr klarkommen“, so Borjatschuk.

Uni-Aufnahmeprüfungen jetzt online

Die allgemeine Aufnahmeprüfung wird in ihrer jetzigen Form in der Ukraine erst zum zweiten Mal durchgeführt. Ein Onlinetest ersetzt die externen Wissensprüfungen für zukünftige Studienanfänger. Früher gab es Papierfragebögen, die von der staatlichen Bildungsbehörde ausgewertet wurden.

Der neue Test muss in einem speziellen Testzentrum, meist an einer Schule, am Computer abgelegt werden. Fragen gibt es in drei Fächern: Ukrainisch und Mathematik sind für alle obligatorisch. Das dritte Fach darf selbst gewählt werden: Geographie, ukrainische Geschichte, oder auch Physik, Chemie, Biologie bzw. eine Fremdsprache.

In diesem Jahr haben sich 276.000 Ukrainer zu dieser Aufnahmeprüfung angemeldet, 70.000 mehr als 2022. Für Prüflinge aus dem Ausland hat die ukrainische Regierung in 32 Ländern und 47 Städten Testzentren eingerichtet, wo sich allein 25.000 junge Ukrainer für den Test angemeldet haben, um an einer ukrainischen Hochschule ihr Studium aufzunehmen. In Deutschland gibt es diese Testzentren in Berlin, Hamburg, Köln und München.

In der Ukraine unterliegen die Prüfungen besonderen Sicherheitsbedingungen. Die Prüflinge erfahren in ihrem persönlichen E-Raum, wo und wann ihr Test stattfindet. Es ist nicht gestattet, diese Informa­tio­nen öffentlich bekannt zu geben. Die Behörden wollen damit vermeiden, dass gerade in frontnahen Städten die russische Armee die Testzentren mit Artillerie beschießt.

Vorgeschrieben ist auch, dass bei Luftalarm die Prüfung unterbrochen wird, damit Schutzräume aufgesucht werden können. Dauert der Alarm länger als zweieinhalb Stunden, muss die Prüfung verschoben werden. Die Aufnahmeprüfungen laufen bis zum 23. Juni. Sobald die Ergebnisse feststehen, erhalten alle Prüflinge ihre Testergebnisse in Form einer digitale Karte. Mit der können sich die Studienanfänger dann auch immatrikulieren.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

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