piwik no script img

Ukrainische Geflüchtete in DeutschlandAufnahme droht Städte zu überlasten

Der Gemeindebund warnt vor Folgen von Wohnungsnot und Lehrkräftemangel für geflohene Ukrainer*innen. Integration sei „Dauerthema“.

Etwa 800 aus der Ukraine Geflüchtete leben in Containern auf dem Tempelhofer Feld in Berlin Foto: Jochen Eckel/imago

Berlin taz | Fachkräftemangel und Wohnungsnot erschweren den Kommunen die Integrationsbemühungen für ukrainische Geflüchtete. So fehlten etwa Leh­re­r*in­nen und Räume, um den hier neu angekommen rund 200.000 Kindern schnell Deutsch beizubringen, sagte am Mittwoch Uwe Brandl, der Präsident des Städte- und Gemeindebunds.

Die Eltern der Kinder hätten derweil wegen der Mietenkrise kaum Chancen, eine Wohnung zu finden, weshalb die Kommunen weiter für die Unterbringung sorgen müssen. Das Resultat: Man sei an der „Grenze der Leistungsfähigkeit“, so Brandl, „die gesellschaftliche Akzeptanz droht gefährdet zu werden“.

Der Geschäftsführer des Bunds, Gerd Landsberg, warnte, die Hürden für Ukrai­ne­r*in­nen, in den deutschen Arbeitsmarkt einzusteigen, seien weiter zu hoch. Unterschiede beim Lehramtsstudium verhinderten etwa, dass die Abschlüsse ukrai­nischer Leh­re­r*in­nen in Deutschland einfach anerkannt würden. Landsberg lobte deshalb lokale Initiativen, im Zuge derer geflüchtete Lehrkräfte zunächst als sogenannte Lehr­as­sis­ten*­in­nen an deutschen Schulen arbeiten.

Eine Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hatte Mitte Dezember gezeigt, dass etwa ein Drittel der rund 1,1 Millionen nach Deutschland geflüchteten Ukrai­ne­r*in­nen dauerhaft bleiben möchte. Ein weiteres Drittel rechnet damit, mindestens bis Ende des Kriegs in der Ukraine in Deutschland zu leben. Rund ein Viertel der erwerbsfähigen ukrainischen Männer, die nach Deutschland geflohen sind, haben hier bereits eine Arbeitsstelle gefunden, bei den Frauen sind es 16 Prozent.

Landsberg forderte am Mittwoch, die Integration von Geflüchteten nicht als bloß temporäre Herausforderung misszuverstehen. „Niemand weiß, wie der Krieg weitergeht.“ Bund und Länder müssten deshalb die Erstaufnahmekapazitäten deutlich erhöhen. Und auch wenn der Krieg in der Ukraine ende, werde die Aufnahme, Unterbringung und Integration von Geflüchteten in Zukunft wohl „Dauerthema“ bleiben. Große Fluchtbewegungen nach Deutschland seien weiter zu erwarten, auch weil der Klimawandel globale Krisen verschärfe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Als vor ein paar Wochen der Landrat von Bautzen die Grenze der Belastbarkeit feststellte, wurde er kritisiert bzw ihm seine Äußerungen aufgrund der Vorweihnachtszeit als unpassend vorgeworfen.

    Aber jetzt scheint das ok zu sein. War ja auch kein Sachse aus einer Strukturschwachen Region..

    Ob nach dem Krieg die Ukrainischen Geflüchteten zurückkehren sollten ist auch so eine Frage.. Menschen die sich hier integriert haben, zB durch ihre Arbeit oder andere Kontakte, und deren Heimat in Schutt und Asche liegt, möchte ich nicht zwingen erneut von 0 anzufangen. Da sollte es Einzelfallentscheidungen geben.

  • Es ist gut, dass die Kommunen zuständig für die Unterbringung geflüchteter Neuankömmlinge sind, wenn diese keine Wohnung auf dem freien Markt finden. Noch besser wäre es, wenn die Kommune auch automatisch verantwortlich für die Unterbringung hier Geborener wären, die keine Wohnung auf dem freien Markt finden. Dann nämlich würden Kommunen ganz schnell unisono feststellen, dass akuter Handlungsbedarf besteht, um das Grundrecht auf wohnen wieder zu gewährleisten ob für hier Geborenen oder Geflüchtete oder aus anderen Gründen Zugezogene. Die Mietpreisbremse wäre der erste Schritt, die Bodenreform nötig, um die Grundlage des Wohnungsbaus dem privaten Casino und absurd hohen Spekulationen zu entziehen. Dann können Kommunen auch wieder selbst Bedarfsgerecht bauen lassen und vor allem auch Bestand aufkaufen um ihn an den Bedarf anzupassen. Auch private Investoren können wenn Baugrund verpachtet wird mehr bauen, in allen Kommunen mit Wohnungsnot sollten aber private Investoren nach kommunalem Bedarf bauen und nur dann Genehmigung bekommen. Bleibt der Fachkräfte- und Hilfskräftemangel auch im Baugewerbe. Den gibt es längst in allen Branchen und um den zu beheben, braucht Deutschland aktuell 500.000 Einwander:innen pro Jahr, mindestens. Geflüchtete Menschen sind also mitnichten eine Belastung, sondern Teil der Lösung hausgemachter deutscher Probleme. Statt zu jammern müssen Kommunen über die Bundesländer endlich die Mietpreisbremse beim Bund durchsetzen, Wohnungsbau auch im Bestand forcieren und durch die Bodenreform bezahlbar machen. Und ja natürlich, Wohnungen sind nicht die einzige Großbaustelle. Auch Erzieher:innen und Lehrer:innen fehlen längst weil die Länder (die für die Bildung zuständig sind) zu wenig Ausbildungs- und Studienplätze anbieten und sich bislang standhaft weigerten diese systemrelevanten Berufe attraktiver und besser bezahlt zu gestalten und entsprechende Gewerkschaftsforderungen vehement abwehren statt auch hier endlich Bedarfsgerecht zu gestalten.

    • @Nina Janovich:

      Schließe mich auf ganzer Länge an !

      Das Gejammer des Gemeindebundes ist unerträglich !

      Versagen an allen Ecken und Kanten aber rummjammern, dass einem die Ohren klingeln !

      Da wird überall das Geld für Prestigeprojekte rausgehauen aber es ist nichtmal genug Geld da verstopfte Schulklos zu reparieren.

      Oder die maroden Dächer der Schulen abzudichten.

      Aber Herr Oberbürgermeister bekommt seine eigene exklusive Ladesäule für die Dienstschleuder ! Beliebt besonders bei "Grünen" Kommunen !