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Ukrainische ArmeeFlughafen von Lugansk aufgegeben

Kiew erklärt, dass seine Soldaten nach Kämpfen gegen ein russisches Panzerbataillon den Flugplatz verlassen haben. Auch auf dem Meer kommt es zu Gefechten.

Prorussischer Kämpfer in Ilovaysk, östlich von Donezk. Bild: reuters

KIEW/POTSDAM ap/afp | Nach Kämpfen mit einem russischen Panzerbataillon am Flughafen von Lugansk haben sich die ukrainischen Soldaten nach Angaben aus Kiew von dort zurückgezogen. Die Soldaten hätten den entsprechenden Befehl zum „geordneten Rückzug“ vom Flughafen und aus dem nahe gelegenen Ort Georgijiwka im Osten der Ukraine erhalten, sagte Armeesprecher Andrej Lyssenko am Montag. Zuvor seien die ukrainischen Truppen unter Artilleriebeschuss russischer Streitkräfte geraten. Angesichts der „Präzision“ der Angriffe sei klar, dass „professionelle Artillerietruppen“ der russischen Armee an den Kämpfen beteiligt seien. Der ukrainische Verteidigungsminister Waleri Geletej hatte erst am Sonntagabend dem Fernsehsender Inter gesagt, dass russische Truppen in Donezk und Lugansk präsent seien. Es waren die jüngsten Vorwürfe gegen Moskau, direkt militärisch in der Ukraine aktiv zu sein.

Moskau hat bislang alle Vorwürfe zurückgewiesen, Soldaten zum Kampf an der Seite der Separatisten in die Ukraine geschickt zu haben. Allerdings waren erst in der vergangenen Woche zehn russische Fallschirmjäger auf ukrainischem Territorium festgenommen worden. Am Montag dementierte Russland erneut ein militärisches Eingreifen in dem Nachbarland. „Es wird keine Militärintervention geben“, betonte Außenminister Sergej Lawrow bei einem Treffen mit russischen Studenten. Moskau trete „einzig für eine friedliche Beilegung dieser schweren Krise, dieser Tragödie“ ein.

Schüsse auf Boot der Küstenwache

Erstmals sind die Gefechte in der Ukraine-Krise offenbar auf die See übergeschwappt. Prorussische Rebellen haben vom Land aus ein im Asowschen Meer fahrendes Schiff der Küstenwache mit Artillerie beschossen, wie ein Militärsprecher in Kiew erklärte. Der Vorfall habe sich am Sonntagnachmittag ereignet. Nähere Details nannte er zunächst nicht.

Im Osten der Ukraine wächst die Sorge, dass die Aufständischen versuchen, eine Landverbindung zwischen Russland und der Halbinsel Krim unter ihre Kontrolle zu bringen. In der Region am Asowschen Meer hatten Rebellen vor wenigen Tagen eine neue Front eröffnet.

In die Ukraine-Krise schaltete sich derweil Kremlchef Wladimir Putin ein. Er forderte die Ukraine am Sonntag zu einem Stopp ihrer Angriffe auf prorussische Separatisten und zu unverzüglichen Verhandlungen über den staatlichen Status der Rebellenregionen im Osten des Landes auf. Bei den Gesprächen über eine politische Lösung der Krise solle nicht über technische Fragen, sondern über politische Organisation verhandelt werden, mahnte der russische Präsident im Staatsfernsehen an.

Ziel der Gespräche müsse die Sicherung der legitimen Interessen der Menschen sein, die dort leben, sagte Putin weiter. Die Ukraine kommentierte die Forderung zunächst nicht.

Verwirrungen um „Neurussland“

Russland fordert seit April eine Föderalisierung der Ukraine, bei der die Regionen des Landes mehr Macht bekommen sollen. Das Wort Eigenstaatlichkeit benutzte Putin jedoch zum ersten Mal. Sein Sprecher Dmitri Peskow betonte anschließend, Putin sei es nicht um die Souveränität der beiden von Separatisten beherrschten Regionen in der Ukraine gegangen, die sich selbst als „Neurussland“ bezeichnen. Sie hatten ihre Regionen zu „Volksrepubliken“ erklärt und die Bevölkerung im Mai über deren Unabhängigkeit abstimmen lassen.

Kiew und der Westen werfen Russland vor, die prorussischen Rebellen im Osten der Ukraine mit mindestens 1000 Soldaten sowie Panzern und Panzerfahrzeugen zu unterstützen. Russland bestreitet eine militärische Verwicklung in die Kämpfe, denen nach UN-Angaben bislang knapp 2600 Menschen zum Opfer gefallen sind.

Neue Sanktionen

Die Europäische Union bereitet als Konsequenz aus dem russischen Vorgehen neue Strafmaßnahmen gegen das Land vor. Diese könnten binnen einer Woche in Kraft treten, sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Ob die EU die Sanktionen tatsächlich beschließe, hänge von der weiteren Entwicklung ab. Doch seien sich alle darüber im Klaren, dass es eine schnelle Entscheidung geben müsse.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, die neuen Sanktionen sollten dieselben Wirtschaftssektoren treffen wie bereits früher beschlossene Maßnahmen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte: „Wenn Russland die Krise weiter steigert, wird es einen hohen Preis zahlen.“ Alle müssten sich um eine friedliche Lösung bemühen, doch die Zeit werde knapp.

Russland ist der drittgrößte Handelspartner der EU und einer ihrer wichtigsten Öl- und Gaslieferanten. Die EU ist wiederum der größte Wirtschaftspartner Russlands.

Waffenlieferungen an Kiew?

Auch die US-Regierung drängt auf eine härtere Linie gegen Russland. Führenden Senatoren ist das jedoch nicht genug: Der Republikaner John McCain sprach sich erneut für Waffenlieferungen an die Regierung in Kiew aus. Wenn die Lage vor Ort nicht unter Kontrolle gebracht werde, könne Moskau auch zu einer Bedrohung für andere Länder in Osteuropa werden, warnte er am Sonntag in einem Interview des TV-Senders CBS.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat Russland vor der Annexion einer Landverbindung zur Halbinsel Krim gewarnt. Russland habe offenbar Versorgungsschwierigkeiten auf der Krim, sagte Steinmeier der in Potsdam erscheinenden „Märkischen Allgemeinen“. Schließlich sei die annektierte Halbinsel für Russland nur aus der Luft oder über das Meer zu erreichen. Russische Landbrücken und Korridore wären aber „ebenso völkerrechtswidrig und zu verurteilen wie die Annexion der Krim“, sagte Steinmeier weiter.

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14 Kommentare

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  • Mich wundert etwas, daß man hier den ganzen Tag lang nichts von der Sitzung der Kontaktgruppe in Minsk lesen konnte. Dort trafen sich Vertreter der Separatisten mit denen der Ukraine unter Vermittlung Rußlands und der OSZE. Die Separatisten verlangten dort keinen eigenen Staat, sondern einen besonderen autonomen Status für die Ostukraine.

    Und während Poroschenko von Frieden spricht, kündigt er gleichzeitig neue, moderne Waffen für seine Streitkräfte sowie ein Auswechseln von Kommandeuren an, und sein Verteidigungsminister kündigt einen "großen Vaterländischen Krieg" der Ukraine an, bei dem Zehntausende umkommen könnten. Währenddessen bekniet Vitali Klitschko die Bundesregierung, die ukrainische Armee mit militärischer Ausrüstung zu beliefern. Die reinsten Friedensengel da in Kiew.

    • @Der_Peter:

      So so, die Ukraine kündigt an ihre Armee zu modernisieren, droht sie dabei schon die Russen auszustechen?

    • @Der_Peter:

      Interessant auch diese Nachrichten. So Stark ist der „Friedenswille“ von Poposchenko!

      Der ukrainische Präsident Pjotr Poroschenko will bei seinem geplanten US-Besuch durchsetzen, dass die selbsternannten Republiken Donezk und Lugansk im Osten der Ukraine als Terrororganisationen eingestuft werden. Das teilte Poroschenkos Pressestelle am Montag in Kiew mit.

      Beim bevorstehenden NATO-Gipfel wolle er zudem Probleme der Koordinierung der weiteren Handlungen abstimmen, sagte der ukrainische Staatschef am gleichen Tag in Kiew bei einem Treffen mit dem US-Senator Robert Menendez. Die Allianz tritt am 4./5. September in Großbritannien zusammen. Poroschenkos US-Besuch ist für die zweite September-Hälfte geplant.Aber dieser Friedenshunger überrascht nicht wirklich DENNEinige Leser werden sich vielleicht die Frage stellen, warum es im Angesicht der humanitären Lage in der Ukraine nicht endlich zu Gesprächen um einen Waffenstillstand zwischen dem durch den Westen hofierten Putschregime in Kiew und den ostukrainischen Separatisten kommt?

      Die Antwort auf diese Frage könnte sich aus einem jüngst publizierten Strategiepapier des Internationalen Währungsfonds (IWF) ableiten, in dem es heißt, dass Kiew zur Sicherung und zum Erhalt seiner mit dem IWF vereinbarten Bailout-Tranchen in einer Gesamthöhe von $17 Milliarden unbedingt die gegen Kiew aufbegehrenden Regionen im Osten und Süden des Landes wieder unter seine politische und militärische Kontrolle bekommen müsse. Viele Grüße Tee ;-)

  • Haben wir denn keine eigenen Probleme mehr, dass wir uns in Grenzstreitereien zwischen Russland und der Ukraine einmischen muessen?

  • Liebe TAZ, woher nehmt ihr die Gewissheit, dass ein Russisches Panzerbataillon an den Kämpfen beteiligt war?

    Selbst der Ukrainische Armeesprecher Andrej Lyssenko vermutet dies lediglich anhand der "Präzision" der Angriffe.

     

    Die OSZE ist da sogar völlig anderer Meinung. So sagte Roland Bless, Sprecher des OSZE-Vorsitzlandes Schweiz:

    „Die OSZE hat aufgrund ihrer Beobachtungen keine Hinweise auf eine Präsenz von russischen Truppen auf ukrainischem Boden.“

    (Zu finden unter http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/09/01/osze-keine-hinweise-auf-praesenz-von-russischen-truppen-auf-ukrainischem-boden/)

    • @exigent-x:

      Ich persönlich glaube nicht das offizielle russische Panzerverbände in der Ukraine im Einsatz sind. Auch die gefangen genommenen Fallis hatten keinen Kampfauftrag haben im Zusammenhang eines 70km ? Marsches wohl tatsächlich unabsichtlich die Grenze „verletzt“- die nebenbei gesagt in keiner Weise markiert ist und so nur auf dem Papier existiert. In diesem Zusammenhang ist aber auch nicht ganz unwichtig zu wissen - wie groß ist in diesem Gebiet die von den Amis programmierte „Missweisung“ des GPS. Zweifellos sind hoch trainierte Militärs im Einsatz und auch militärisch geniale Kommandeure. Doch die gab und gibt es besonders unter den Veteranen der Sowjetarmee, beiderseits der Grenze zu Hauf. Auch sei darauf verwiesen das massenhaft militärische Spezialkräfte der Ukraine die Seiten gewechselt haben. Allerdings sind mittlerweile Freiwillige aus der ganzen Welt auf Seiten der um seine Freiheit kämpfenden „Separatisten“.

      Natürlich ist davon auszugehen das viele Freiwillige (teilweise auch ohne das wissen ihrer Ehepartner) aus Russland und EX Sowjetrepubliken mit militärischer, teilweise Eliteausbildung im Einsatz sind. Und ganz gewiß ist sowjetische Technik im Einsatz - auf beiden Seiten. So gibt es bei der ukrainischen Armee noch KAMAZ bzw.Uralfahrzeuge (ganz klar sowjetisch) statt KRAZ (die es bei den Russen btw. nicht mehr gibt. Es sind ganz klar keine nennenswerten russischen Verbände im Einsatz (dafür gibt es humanitäre Hilfe) die wären längst dokumentiert. Nicht ganz ausschließen will ich SPEC OP -aber deren Zeichen ist die Fledermaus und wer hat davon schon eine gesehen ;-)

    • @exigent-x:

      "die Gewissheit, dass ein Russisches Panzerbataillon an den Kämpfen beteiligt war? "

       

      taz übernimmt Agenturnachrichten, die vermutlich von den PR-Abteilungen Kiews mit Meldungen versorgt werden.

       

      Man kann aber davon ausgehen, dass reguläre russische Truppen beteiligt sind. Es liegt an der Qualität der Gegenschläge.

       

      Wäre ja auch eine Schweinerei seitens der Russen angesichts der Angriffe auf die Zivilbevölkerung nicht einzumarschieren.

       

      Unter den Grossmächten der Welt hätten die Russen ihr Gesicht verloren.

      • @Gregor Hecker:

        sonst aber immer fleißig dabei auf die Propagandafreunde von Vinyardsaker zu verlinken. Ich glaube, die bestätigen am laufenden Bande die Angaben der Urkrainer sogar noch viel detailierter und ist die Operation Neurussland erstmal abgeschlossen, Heureka!, kommen sie wie Kai aus der Kiste, am besten in einem Nebensatz Putins , "na klar waren das unsere Leute, war ja anders auch gar nicht mgl" Entweder man ist treudoof oder Bezahlschreiber, was anderes ist mir unbegreiflich!

      • @Gregor Hecker:

        Irgendetwas als Nachricht zu verkaufen von dem irgendjemand davon "ausgeht", dass es so sein könnte, entspricht zumindest nicht meiner Vorstellung von seriösem Journalismus.

        • @exigent-x:

          ich kann sie verstehen. sie haben keine Ahnung, was moderner Krieg ist, was eine Arme ist und können nicht eigenständig Informationen besorgen.

           

          Und da es wohl nie einen seriösen Journalismus über Russland in Deutschland geben wird, haben sie tatsächlich eine Informationslücke diesbezüglich.

    • @exigent-x:

      Es soll auch ein russischer Flugzeugträger beteiligt gewesen sein. Wurde soeben von einer Julia T. aus Kiev getwittert..

  • "Das Wort Eigenstaatlichkeit benutzte Putin jedoch zum ersten Mal. "

     

    Putin lügt, wenn er glaubt, wissen zu können, was er sagt oder nicht,

     

    denn es sind die Nachrichtenagenturen aus Deutschland, die darüber entscheiden, was Putin sagt.

     

    Da braucht sein Pressesprecher nicht zu jammern, er habe das nicht gesagt.

     

    Wenn taz schreibt "Eigenstaatlichkeit", dann hat Putin zu gehorchen!

     

    Und Schweigen wird ihm auch nicht helfen, denn wie man sieht, gibt es genug deutsche Journalisten, die sein Gehirn auswendig kennen, all seiner Bösartigkeit - die wahren Putinversteher!

    • @Gregor Hecker:

      Ähh, hast du mal Intervies mit Putin und sonstige Fehrnsehn Ansprachen gesehen? Die Taz braucht da Putin garnichts in den Mund zu legen.

      Die einzige erklärung die ich zu den EINDEUTIGEN Fehrnsehen Aussagen hätte wäre, sowohl Westliche Medien, wie auch Russisches Staatsfehrnsehen stecken unter einer Decke und fälschen im krassen Ausmass die Berichte, welche in Russland laufen und zeitgleich ist das Internet komplett unter CIA kontrolle, so das die offizelen Russischen Staatssendern nur fälschungen von Putin Ansprachen ins Netzt stellen, oder was?

  • Aus der Äußerung

    >>Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat Russland vor der Annexion einer Landverbindung zur Halbinsel Krim gewarnt. Russische Landbrücken und Korridore wären aber „ebenso völkerrechtswidrig und zu verurteilen wie die Annexion der Krim".