Ukrainisch-russische Beziehungen: Putins Mann auf Kurzbesuch in Kiew
Boris Gryslow, Berater des russischen Präsidenten, bereitet Gespräche zur Lösung der Krise im Donbass vor – angeblich.
Sofort nach Bekanntwerden des Eintreffens von Gryslow, der Vorsitzender der russischen Staatsduma, Innenminister und Parteivorsitzender von „Einiges Russland“ war, beeilte sich das offizielle Kiew, die Bedeutung des Besuchs herunterzuspielen.
Gryslow halte sich in seiner Eigenschaft als Vertreter Russlands bei den trilateralen Gesprächen von OSZE, Ukraine und Russland in Kiew auf. Seine Reise diene lediglich der Vorbereitung des für den 13. Januar angesetzten Treffens der Kontaktgruppe, wiegelte Alexei Makejew, Sprecher des ukrainischen Außenministeriums ab. Bilaterale Gespräche seien nicht geplant.
Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache. Sofort nach seiner Ankunft traf sich Gryslow mit dem ukrainischen Expräsidenten Leonid Kutschma, der in der trilateralen Kontaktgruppe zur Regelung der Ukrainekrise die Ukraine vertritt. Am späten Dienstagabend folgte ein zweistündiges Gespräch des russischen Politikers mit Poroschenko.
Beobachter in der Ukraine und in Russland sind sich einig, dass Gryslow mit seiner Reise Druck auf die ukrainische Führung ausüben wollte, die im Februar 2015 in Minsk vereinbarte Verfassungsänderung, die eine Dezentralisierung und einen Sonderstatus für den Donbass vorsieht, vom Parlament zeitnah verabschieden zu lassen.
Krawalle vor dem Parlament
Eine derartige Verfassungsänderung ist in der Ukraine allerdings umstritten. Am 31. August 2015 war es bei der ersten Lesung der Reform vor dem Parlament zu Krawallen gekommen, bei denen ein Polizist getötet wurde. Die Zeit drängt. Für den 21. Februar hat die „Volksrepublik Lugansk“ lokale Wahlen angesetzt, Donezk will am 20. April wählen lassen.
Für Moskau sei die entscheidende Frage, so der ukrainische Politologe Wadim Karasew, ob Poroschenko die für die Verfassungsänderung erforderlichen 300 Stimmen im Parlament zusammenbringt. Wenn ja, müssten auch die „Volksrepubliken“ die Wahlen absagen. Anschließend seien Wahlen im Donbass unter der Beobachtung der OSZE und auf der Grundlage ukrainischer Gesetze realistisch.
Es könnte knapp werden. Bei der ersten Lesung hatten nur 265 Abgeordnete für das Autonomiegesetz gestimmt. Bereits jetzt haben die drei Oppositionsparteien, „Samopomotsch“, Timoschenkos Vaterlandspartei und die Radikale Partei, erklärt, dass sie mit Nein stimmen werden. Unterdessen tagte die trilaterale Kontaktgruppe zur Regelung des Ukrainekonflikts am Mittwoch turnusmäßig in Minsk. Es ist die erste Sitzung in diesem Jahr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau