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Ukrainer in IrlandAlle Zimmer belegt

Der Tourismus in Ballyvaughan bleibt seit der Ankunft ukrainischer Geflüchtete aus. Rechte Parteien missbrauchen den Unmut für ihre Zwecke.

Willkommen in Ballyvaughan? Foto: David Morrison/YAY/imago

Ballyvaughan taz | Es ist furchtbar, dass man sofort in die rassistische Ecke gestellt wird, wenn man sich kritisch äußert“, sagt Pauline, eine 40-jährige Arzthelferin aus Ballyvaughan, einem Dorf an der irischen Westküste. „Ich bin keine Rassistin, aber das Verhältnis von drei Geflüchteten auf einen Einheimischen geht einfach nicht. Die Regierungspolitik macht unser Dorf kaputt.“

Das frühere Fischerdorf hat sich zum Seglerhafen und Touristenort entwickelt. In der Nähe von Ballyvaughan befinden sich Megalithgräber, Ringforts sowie mittelalterliche Kirchen und Burgen. Aufgrund des enormen Anstiegs der Immobilienpreise bezeichnet man Ballyvaughan als Irlands „Goldküste“.

Es gebe aber kaum noch Übernachtungsmöglichkeiten für Touristen, beklagt Maggie. Sie ist Anfang 50, hat eine Tochter, die bei ihr wohnt, und arbeitet als Sekretärin. „Zwei Hotels sind mit Flüchtlingen belegt, und nun ist auch noch das Drumcreehy House verkauft und in eine Flüchtlingsunterkunft umgewandelt worden“, sagt sie.

Das Haus sei von hohem Niveau gewesen, die Touristen, die dort abgestiegen seien, hätten viel Geld in den örtlichen Restaurants, in den Pubs, im Supermarkt und im Andenkenladen ausgegeben. „Das fällt nun weg, und das ist ein großes Problem für das Dorf.“

700 Buchungen storniert

Das Drumcreehy House, eine am Rand von Ballyvaughan gelegene luxuriöse Pension mit antiken Möbeln und großem Garten, hatte bereits 700 Buchungen für dieses Jahr, als es verkauft wurde. Sie sind storniert worden. Das Integrationsministerium hat das Haus mit 18 Zimmern für 34 Asylbewerber vorerst für ein Jahr gemietet.

Zwei Hotels, die Wild Atlantic Lodge und das Burren Atlantic Hotel, sind mit Geflüchteten aus der Ukraine belegt. Ballyvaughan ist mit blau-gelben Fahnen geschmückt, was nicht unbedingt ein Willkommensgruß für die Ukrainer ist.

Die Farben der Grafschaft Clare, in der Ballyvaughan liegt, sind ebenfalls Blau und Gelb, und wenn das Grafschaftsteam in einer der traditionellen Sportarten ­Gaelic Football oder Hurling antritt, werden die Ortschaften mit den Grafschaftsflaggen geschmückt.

Inzwischen leben weit mehr ukrainische Flüchtlinge als Einheimische in Ballyvaughan, hat die Community Development Group moniert. Sie fordert, dass keine weiteren Flüchtlinge im Ort untergebracht werden, weil die Schule, das Postamt und das medizinische Zentrum bereits jetzt völlig überfordert seien.

Zu viele Patienten

Professor Liam Glynn, der das Medical Centre betreibt, sagte, die Praxis betreue 500 ukrainische Geflüchtete, was zu erheblichen Kapazitätsproblemen geführt habe. Er habe zum ersten Mal seine Türen für neue Patienten schließen müssen.

„Ich glaube, dass unsere Praxis die höchste Anzahl von Ukrainern im Land hat“, sagt er. „Es ist eine schreckliche Situation, in der sich diese Menschen befinden, in einem anderen Land, weit weg von ihrer Heimat, als Folge des Krieges, und ohne die Sprache zu sprechen.“

Eine ukrainische Ärztin arbeitet in der Praxis – als medizinische Übersetzerin, weil die Anerkennung ihres Examens sehr langwierig in Irland ist. Es schürt die schlechte Stimmung, wenn es für die Einheimischen plötzlich sehr lange Wartezeiten für Termine gibt“, sagt Pauline, die Arzthelferin.

Es ist das erste Mal, dass das Thema Einwanderung bei Wahlen eine Rolle spielt. Alle Parteien reden darüber, es kommt beim Wahlkampf für die Europawahlen an den Haustüren zur Sprache, und einige Kandidaten kandidieren explizit auf einer Antiimmigrationsplattform. Die Zahl derjenigen, die sagen, dass sie für einen solchen Kandidaten stimmen würden, ist stark gestiegen – von 30 Prozent im Februar auf 38 Prozent Ende Mai.

Infrastruktur nicht ausreichend

„Die lokale Bevölkerung ist zunehmend frustriert und verärgert über die mangelnde Unterstützung der Regierung“, sagt die Community Development Group. „Wir benötigen Fußwege, Straßenbeleuchtung, soziale und sportliche Einrichtungen und vor allem eine Kläranlage, bevor eine solche Anzahl von Menschen in Ballyvaughan untergebracht werden kann.“ Bisher werden die Abwässer der Dorfbewohner und Geflüchteten sowie der Touristen ungefiltert in den Atlantik geleitet.

Das Trinkwasser hingegen ist hervorragend, wenn man es aus dem Pinnacle Well holt. Das ist ein Brunnen am Rande der Cappanawalla-Berge ein paar Meilen außerhalb Ballyvaughans. Das um 1860 gebaute Brunnenhaus im neugotischen Stil aus grauem Naturstein hat zwei Türmchen. Viele Einheimische holen sich hier ihr Wasser, weil es durch den Kalkstein gefiltert wird und sehr sauber ist.

Eines Tages Ende vorigen Jahres tauchten plötzlich Marien- und Jesus-Statuen, Kerzen und Rosenkränze im Brunnenhaus auf, dazu ein Schild, dass es eine heilige Quelle sei und man Geld hineinwerfen möge, damit ein Wunsch in Erfüllung gehe.

„Abends kamen ein paar ukrainische Männer und fischten das Geld heraus, das Touristen hineingeworfen hatten“, sagt Pauline empört. „Einheimische entfernten die Devotionalien und schrieben auf die Wand, dass es kein heiliger Brunnen sei. So macht man sich keine Freunde im Ort.“

Nährboden für rechte Lügenkampagnen

Rechtsextreme Parteien versuchen, die Stimmung auszunutzen. Die meiste Zeit in der gut hundertjährigen Geschichte war Irland eine ethnisch homogene Gesellschaft. Das hat sich in den vergangenen 20 Jahren geändert. Allein im vorigen Jahr ist die Zahl der Einwanderer im Verglich zu 2022 um rund 450 Prozent gestiegen.

Darauf verweisen die drei rechtsextremen Parteien, die sich im Wahlkreis Ireland South, zu dem Ballyvaughan gehört, Kandidaten aufgestellt haben: The Irish People, Irish Freedom Party und Ireland First. Alle drei arbeiten mit Falschinformationen und glatten Lügen.

Irland sei voll, Migranten bekommen Häuser, Irlands junge Leute dagegen nicht, weshalb sie keine Familien gründen können, sodass die Iren aussterben werden. Sie behaupten, dass vor allem alleinstehende Männer kämen, was gefährlich für die einheimischen Frauen sei. Obwohl Statistiken das Gegenteil belegen, verfängt die Propaganda bei manchen.

Maddy ist Anfang 70 und lebt in Bishops Quarter, nur einen Steinwurf vom Drumcreehy House entfernt. Seit die Asylbewerber dort eingezogen sind, traut sie sich nicht mehr allein zum Strand. „Uns wurde gesagt, dass nur Familien kommen würden, aber jetzt sind viele alleinstehende Männer hier“, sagt sie. „Außerdem ist es ungerecht, was die Flüchtlinge im Gegensatz zu den Einheimischen an Zuwendungen bekommen.“

Bedarfsprüfung soll kommen

Es kursieren viele Gerüchte. Angeblich erhalten die Geflüchteten Taxigutscheine, vier Heimflüge im Jahr, SIM-Karten zum kostenlosen Telefonieren sowie tausend Euro im Monat. Tatsächlich war Irland anfangs viel großzügiger als andere EU-Länder, weshalb viele kamen, die zuvor in andere EU-Länder geflohen waren. Inzwischen sind die Hilfsmaßnahmen gekürzt worden.

Die medizinische Versorgung und Unterkunft sind weiterhin kostenlos, außerdem gibt es 38,80 Euro pro Woche. Das wird ab Juni einer Bedürftigkeitsprüfung unterzogen. Asylbewerber dürfen sechs Monate nach ihrer Ankunft arbeiten. Die Zahlung des Tagegeldes wird eingestellt, wenn der Betreffende über ein Einkommen von 125 Euro pro Woche verfügt.

Das Integrationsministerium hat 1,49 Milliarden Euro für die Unterkunft ukrainischer Flüchtlinge und 640 Millionen Euro für die Unterbringung von Asylbewerbern im vergangenen Jahr ausgegeben. Aber nur eine kleine Anzahl von Unternehmen profitiert davon. Es sind vor allem Hotelketten, für die das Geschäft weitaus lukrativer ist, als Touristen zu beherbergen.

Michael McNamara, ein 50-jähriger Anwalt, der als Parteiloser bei den Europawahlen kandidiert, sagt, dass Ballyvaughan vom Ministerium für Integration respektlos behandelt worden sei: „Öffentliche Vertreter wurden erst spät über die Entwicklung informiert, aber Anwohner, Gesundheitsdienste und Unternehmen, die von Buchungen in dem Gästehaus abhängen, haben vorab keine Informationen erhalten.“

Es gibt in Ballyvaughan aber auch Menschen, die Geflüchtete mit offenen Armen begrüßen. Catherine zum Beispiel, eine Musikerin und alleinerziehende Mutter einer Tochter, schnürt Begrüßungspakete mit typischen irischen Produkten wie Sodabrot und Butlers-Konfekt für die Ankömmlinge. „Es kann einem gar nicht so schlecht gehen“, sagt sie, „dass es anderen nicht noch schlechter gehen könnte.“

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