Ukraine nach Abstimmung: Separatisten wollen zu Russland
Nach dem „Ausdruck des Willens des Volkes“ bei dem Referendum bittet der Separatistenführer um die Aufnahme zu Russland. Die EU hofft auf Dialog.
DONEZK/BRÜSSEL afp/dpa | Die Separatisten in der selbsternannten „Volksrepublik Donezk“ in der Ostukraine haben die Region zum souveränen Staat erklärt und den Beitritt zu Russland beantragt. Nach dem „Ausdruck des Willens des Volkes“ bei dem Referendum vom Sonntag bitte er die Russische Föderation, die Aufnahme der „Volksrepublik Donezk“ zu prüfen, sagte Separatistenführer Denis Puschilin am Montag.
Am Sonntag hatten in einem international nicht anerkannten Referendum nach Angaben der prorussischen Separatisten 89 Prozent der Teilnehmer für eine Abspaltung von der Ukraine votiert.
Die Separatisten folgen mit ihrem Vorgehen dem Beispiel der ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim, die im März nach einem Referendum von Russland annektiert wurde. Am Montag erklärte der Kreml, er respektiere die Ergebnisse der Referenden in Donezk und der Region Lugansk. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die ab Mittwoch einen Runden Tisch plant, gab jedoch an, Moskau habe die Ergebnisse nicht offiziell anerkannt.
Die Europäische Union hofft vor der Präsidentenwahl in der Ukraine am 25. Mai auf eine Entschärfung der Krise durch einen Dialog der Konfliktparteien. Die 28 EU-Außenminister sicherten am Montag in Brüssel dem Vorsitzenden der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), dem Schweizer Bundespräsidenten Didier Burkhalter, Unterstützung für dessen Plan zur Beruhigung der Lage zu.
Sie beschlossen auch Einreiseverbote und Kontensperrungen für insgesamt 13 Personen, die die Annexion der Krim durch Russland unterstützt haben sollen. Damit steigt die Zahl der von solchen Maßnahmen betroffenen Personen auf 61. Erstmals wurden auch zwei von Russland beschlagnahmte Unternehmen auf der Krim auf eine schwarze Liste gesetzt: Mit ihnen dürfen EU-Firmen keine Geschäfte machen. Über die Verhängung noch weiter reichender Wirtschaftssanktionen gibt es nach wie vor Streit innerhalb der Union.
„Runder Tisch“ soll helfen
Steinmeier sagte, ein „Runder Tisch“ in der Ukraine unter dem Ko-Vorsitz des früheren deutschen Botschafters Wolfgang Ischinger solle noch am Mittwoch seine Arbeit aufnehmen. Ungewiss ist noch, ob auch Vertreter der prorussischen bewaffneten Gruppen aus dem Osten und Süden der Ukraine teilnehmen dürfen. Über die Modalitäten müsse die Ukraine entscheiden. Laut Burkhalter wird dies von Russland gefordert. Er denke aber nicht, „dass da Leute mit Waffen kommen“.
Die Beratungen des Runden Tisches sollen durch öffentliche Konferenzen (Town Hall Meetings) in verschiedenen Städten ergänzt werden. Dies soll laut Burkhalter „helfen, die Polarisierung der ukrainischen Gesellschaft rückgängig zu machen“. Dabei müsse es unter anderem um Dezentralisierung, Minderheitenschutz und um den Status der russischen Sprache gehen.
„Wir müssen in diesen nächsten 14 Tagen versuchen, die Absage an Gewalt und Separatismus durchzusetzen“, sagte Steinmeier. Er appellierte an Russland, „alle verfügbaren Kanäle zu den Separatisten im Osten des Landes zu nutzen, damit Gewalt und Abspaltungstendenzen ein Riegel vorgeschoben wird“.
In einer Erklärung der Außenminister heißt es, das sogenannte Referendum vom Sonntag in Teilen der Ostukraine werde nicht anerkannt. Steinmeier sagte, das Referendum sei illegal. „Es steht völlig quer zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben in der Ukraine.“ Angesichts der Berichte über Fälschungen könne er die Abstimmung „nicht einmal ernst nehmen“.
„ESC-Abstimmung glaubwürdiger“
Auch Burkhalter sagte, das Referendum widerspreche der ukrainischen Verfassung. „Die Abstimmung beim Eurovision Song Contest war glaubwürdiger und bedeutungsvoller als jene gestern in Donezk und Lugansk“, sagte der britische Außenminister William Hague.
Die EU-Außenminister erklärten, die geplanten Präsidentenwahlen seien ein entscheidendes Kriterium dafür, ob tiefgreifende Wirtschaftssanktionen folgen. Die EU werde „der Haltung und dem Verhalten gegenüber freien und fairen Wahlen“ eine besondere Beachtung schenken, wenn man über weitere Maßnahmen entscheide. „Das ist eine starke Botschaft“, sagte Hague. Solche Wirtschaftssanktionen müssten für den Fall vorbereitet werden, dass die Wahlen gestört werden, sagte auch Steinmeier. „Niemand will das“, sagte er. Die EU wolle eine Entschärfung der Gesamtlage.
Der österreichische Außenminister bekräftigte seinen Widerstand gegen Wirtschaftssanktionen. Man solle diese Strafen nicht herbeisehnen. „Denn sie würden nicht nur Russland schaden, sondern sie würden definitiv auch uns schaden.“ Österreich plädiere für eine Verhandlungslösung.
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