Ukraine-Krieg: Selenskyj bereit zu Gebietsaustausch
Nach Luftangriffen auf Kyjiw hat sich in Brüssel die Ukraine-Kontaktgruppe getroffen. Die Freilassung eines US-Gefangenen sorgt indes für Aufsehen.
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Wenige Minuten später bestätigte das Büro von Andri Jermak, dem Chef der Präsidialadministration, den Angriff mit ballistischen Raketen auf Kyjiw. Drei Menschen sind verletzt worden, einer habe sein Leben verloren, berichtet das Portal strana.news unter Berufung auf staatliche Stellen.
In einigen Stadtteilen kam es aufgrund des Angriffs zu Stromausfällen. Auch Drohnen waren in der Nacht auf Kyjiw geflogen worden. Nach Angaben der ukrainischen Luftstreitkräfte seien von 123 Drohnen 71 abgeschossen worden. Luftangriffe gab es in der Nacht auf Mittwoch auch in den Regionen Dnipropetrowsk, Krywyj Rih, Sumy, Poltawa und Tschernihiw.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist nach eigenen Angaben bereit, Gebiete mit Russland zu tauschen. Bei Verhandlungen könnte das von ukrainischen Truppen kontrollierte Land in der russischen Region Kursk gegen ukrainische Gebiete, die Russland derzeit besetzt halte, getauscht werden. Das sagte Selenskyj dem britischen Guardian.
Russland will von Tausch nichts wissen
In Russland will man von derartigen Ideen nichts wissen. Niemals werde Russland über seine eigenen Gebiete verhandeln, zitiert die ukrainische New Voice Putins Sprecher Dmitri Peskow.
Die Vorschläge der Ukraine zum „Gebietsaustausch“ seien absurd, die einzige Möglichkeit für Kyjiw sich zu erholen, sei, „sich wieder wie Russen zu fühlen“, schrieb Dmitri Medwedew, stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates, auf Telegram.
Unterdessen berichten russische Medien unter Berufung auf den russischen Kriegsberichterstatter Alexander Kots von Misshandlungen russischer Einwohner des Gebietes Kursk durch ukrainisches Militär. Dieses soll in der Ortschaft Russkoe Poretschnoe 22 Zivilisten getötet haben.
Zuvor, so die russische Quellen, seien diese als menschliche Schutzschilde missbraucht worden. Die ukrainischen Behörden bestreiten dies. Die ukrainischen Militärs würden nicht gegen Zivilisten kämpfen, ließ Olexi Dmitraschewski, Sprecher der ukrainischen Besatzungstruppen, verlauten.
Geständnisse von Kriegsgefangenen wertlos
Der ukrainische Dienst von BBC hält es auch nicht für akzeptabel, dass die russischen Anschuldigungen auf Aussagen ukrainischer Kriegsgefangenen fußten. Es werde standardmäßig davon ausgegangen, dass Aussagen von Kriegsgefangenen, die sie selbst belasten, als unter Zwang gemacht gelten.
Kyjiws Bürgermeister Vitali Klitschko hält ein Ende der Kampfhandlungen in einem oder zwei Monaten für möglich. Aber ein damit einhergehender Kompromiss werde sehr schmerzhaft werden, zitiert das ukrainische Portal glavkom.ua den früheren Boxweltmeister.
Am Dienstagabend hatte US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus einen lange erwarteten Besucher zu Gast: der US-Amerikaner Marc Fogel, der in Russland als Lehrer gearbeitet haben soll und unter dem Vorwurf des Drogenschmuggels zu 14 Jahren Haft verurteilt worden war. Er wurde am Dienstag überraschend entlassen und sofort in die USA ausgeflogen.
Seine Freilassung war eingefädelt von einer Sondermission des Trump-Gesandten Steve Witkoff, der persönlich nach Moskau geflogen war. Deshalb spekulieren Beobachter in der Ukraine, dass Witkoff in Moskau Friedensgespräche vorbereitet haben könnte.
US-Verteidigungsminister will keinen Frieden vermitteln
Währenddessen nimmt der neue US-Verteidigungsminister Peter Hegseth erstmals an einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel teil. Einen wie von der Ukraine geforderten US-vermittelten Frieden mit Russland weist er offiziell zurück. Dass die Ukraine zu ihren Grenzen von 2014, vor Annexion der Krim-Halbinsel, zurückkehren kann, halte er für „unrealistisch“.
Hegseth sieht die europäischen Nato-Partner in der Verantwortung, den Frieden in der Ukraine zu sichern. Sie müssten den „überwiegenden Anteil“ der zukünftigen militärischen wie zivilen Hilfe für die Ukraine übernehmen. Mit US-amerikanischen Truppen zur Absicherung eines Friedensschlusses in der Ukraine könne man nicht rechnen.
Die Aussagen des Verteidigungsministers passen in die seit Donald Trumps Amtseintritts angekündigten Forderungen, die Verantwortung der USA zurückzuschrauben.
Daher stimmte die Nato am Mittwoch nach Angaben von Generalsekretär Mark Rutte auch mit US-Präsident Donald Trump überein, dass es mehr Lastenteilung zwischen den USA und den europäischen Verbündeten bei der militärischen Hilfe geben müsse. Mehr als 50 Milliarden Euro stellten die Nato-Mitglieder im vergangenen Jahr zur Verfügung. Mehr als die Hälfte davon kam nach Nato-Angaben von den europäischen Verbündeten und Kanada, der Rest von den USA.
Die Hilfe sei „ein großer Schritt in die Richtung, die Präsident Trump gefordert hat“, sagt Rutte. „Ich stimme mit ihm überein, dass wir die Sicherheitshilfe für die Ukraine angleichen müssen.“ (mit Agenturen)
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