Ukraine-Krieg und Kasachstan: Das Konzert fällt aus
In Kasachstan versucht die Zivilgesellschaft, Auftritte kremlfreundlicher Künstler zu verhindern. Russische Kriegskritiker haben es auch nicht leicht.
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Im vergangenen Juni fiel ein Konzert des russischen Sängers Grigory Leps aus. Zuvor hatten sich Kasachen darüber empört, dass ein Sänger in Kasachstan Geld verdienen wollte, um, wie er versprochen hatte, das russische Militär zu finanzieren.
Leps’ Manager reagierte, indem er Kasachstan als „russophobe Ecke“ bezeichnete und erklärte, der Sänger habe gar nicht vor, dort aufzutreten, da er nicht in „unfreundliche Länder“ reise. Leps erklärte, dass sein Auftritt von „einer Handvoll Leute, die dafür jeweils 20 Dollar bekommen hätten“, abgesagt worden sei.
Doch auch kremlkritische russische Künstler haben in Kasachstan Probleme. Die Konzerte der Rockgruppe BI-2, deren Sänger sich gegen den Krieg ausgesprochen hatte, waren für Sommer 2023 in Kasachstan und Kirgistan geplant. In Kirgistan wurde das Konzert ohne Angabe von Gründen abgesagt.
Paradoxe Lage in Kasachstan, mit Russland als Verbündete
In den kasachischen Städten Almaty und Astana verliefen die Auftritte ohne größere Probleme. In Semei (früher Semipalatinsk) hingegen kam es bereits vor dem Auftritt der Musiker zu Behinderungen durch die örtlichen Behörden. Die Stadt liegt nahe der kasachisch-russischen Grenze. Viele russische Fans hatten geplant, zum Konzert zu kommen, da die Gruppe in Russland nicht mehr auftreten kann. Dies war wohl der Grund für die Entscheidung der Behörden in Semei, das Konzert zunächst abzusagen und nicht, wie es offiziell hieß, die Trauer wegen der zu der Zeit in Kasachstan wütenden Waldbrände. Fast wäre es bei der Absage geblieben. Doch die Öffentlichkeit intervenierte und die Beamten gaben nach.
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Manchmal gelingt es den Behörden trotzdem, Konzerte von russischen Künstlern, die sich gegen den Krieg positionieren, abzusagen. So war es im Fall des bekannten Komikers Maxim Galkin, der den Überfall Russlands auf die Ukraine verurteilt und sein Land verlassen hatte. Auftritte von ihm waren in Almaty und Astana geplant. Einen Monat vorher gaben die Veranstalter in Kasachstan bekannt, dass die Termine angeblich schon anderweitig vergeben seien. Nachdem sich die kasachischen Fans beschwert hatten, stimmten die örtlichen Behörden Ersatzterminen zu. Wenige Tage vor den Auftritten wurden beide Säle jedoch wegen Renovierung geschlossen.
Die Lage in Kasachstan ist paradox. Die Behörden sind gezwungen, dem Druck der Aktivisten nachzugeben und die Konzerte der (kremlnahen) „Z-Künstler“ abzusagen. Aber auch russische Künstler, die sich offen gegen den Krieg aussprechen, können nicht immer auftreten. So versuchen die Behörden vermutlich, zwischen den Interessen der kasachischen Gesellschaft und Russlands, ihres engsten Verbündeten, zu lavieren.
Dass Kasachen wegen abgesagter russischer Konzerte weniger Freizeitmöglichkeiten hätten, stimmt nicht. Der Prozess der Dekolonialisierung, die Suche nach der eigenen Identität und das wachsende Interesse an der kasachischen Sprache – all das hat dazu geführt, dass es viele kasachische Künstler gibt, die die jüngere Generation viel mehr interessieren als ausländische Künstler.
Aus dem Russischen: Gaby Coldewey
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