Uiguren als Zwangsarbeiter*innen: VW prüft Geschäft in Xinjiang
Der deutsche Autobauer steht unter Druck. Es gibt neue Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen gegen die chinesischen Partner.
Das Handelsblatt hatte am Mittwoch über Hinweise berichtet, dass beim Bau einer Teststrecke von VW in der chinesischen Region Xinjiang Angehörige der Minderheit der Uiguren als Zwangsarbeiter*innen eingesetzt worden seien.
Nach „Tipps von VW-Mitarbeitern“, bat das Medium den Soziologen Adrian Zenz, den Fall zu untersuchen. Der für seine Forschung zur Menschenrechtslage der Uiguren bekannte Wissenschaftler durchforstete dafür das chinesische Internet.
Und wurde fündig. Zwischen 2015 und 2019 wurde in Turpan in der Region Xinjiang ein VW-Testgelände für Fahrzeuge gebaut und zusammen mit dem VW-Partner und Staatskonzern SAIC eröffnet. Gebaut wurde die Teststrecke von der China Railway Engineering Corporation (CREC).
„In den Berichten des CREC und des Xinjiang Test Track Project heißt es offen, dass das Xinjiang Test Track Project während des Höhepunkts der Masseninternierungen in den Jahren 2017 und 2018 transferierte uigurische Überschussarbeiter beschäftigte“, schreibt Zenz auf der Online-Plattform X.
Berichte der Bauunternehmen dokumentieren Zwangsarbeit
Dazu veröffentlicht er ein Foto. Darauf sieht man uigurische Arbeiter*innen in militärischen Uniformen. Einige haben rote Blumen in der Hand, „ein typisches Merkmal der Zwangsversetzungen“, schreibt Zenz. In der Bildunterschrift stehe: „Das SAIC Volkswagen und CREC 4th Bureau Xinjiang Test Track Project rekrutiert gemeinsam uigurische und andere ethnische Minderheiten als Arbeitskräfte für das Projekt.“
Weil unabhängige Untersuchungen in der Region Xinjiang von der chinesischen Regierung untersagt werden, ist die Beweislage zu Masseninternierung und Zwangsarbeit von Uiguren in Unternehmen insgesamt dünn. „Das erste Mal gibt es einen direkten Beleg, dass es Zwangsarbeit beim Bau der Teststrecke des Joint Ventures VW/SAIC gab. Bis jetzt galten die Vorwürfe vor allem den Lieferketten“, sagt Hanno Schedler, Referent für Genozid-Prävention bei der Gesellschaft für bedrohte Völker der taz.
Der Druck auf VW wird also stärker: Einige Politiker und Menschenrechtler fordern seit Jahren den Rückzug des Autokonzerns aus der Region Xinjiang. Jetzt sind auch Investoren alarmiert. „Die heutigen Vorwürfe haben eine neue Dimension“, erklärte Nachhaltigkeitschef Janne Werning von Union Investment. „Damit kommt Volkswagen für unsere nachhaltigen Publikumsfonds jetzt nicht mehr infrage.“ Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nannte die Berichterstattung „besorgniserregend“. Das Bundesland ist mit 20 Prozent an VW beteiligt.
Der Autokonzern steht seit Jahren in der Kritik wegen seiner Geschäftsbeziehungen in Xinjiang. Zuletzt stand das Werk Urumqi im Vordergrund, das VW mit dem Partner SAIC betreibt. Vergangenes Jahr hatte der Konzern ein Gutachten vorgelegt, das keine Hinweise auf Zwangsarbeit und Verstöße gegen Menschenrechte auswies.
Menschenrechtler betonten aber, dass es unmöglich sei, ein unabhängiges Gutachten in der Region zu erstellen und selbst eine Reihe von Mitarbeiter*innen der Rechtsanwaltskanzlei, die das Gutachten ausstellte, distanzierten sich kurz danach davon. Wie im Fall des Audits von Urumqi müsse auch eine Überprüfung des Testgeländes mit SAIC abgestimmt und von Behörden vor Ort genehmigt werden, erklärte VW am Mittwoch.
„Es gibt keine unabhängige Presse. Die chinesische Regierung lässt niemanden in die Xinjiang-Region oder der Aufenthalt ist orchestriert. Dass selbst eine UN-Hochkommissarin sich dort nicht frei bewegen kann, zeigt, dass es sehr schwer ist, an Informationen zur Lage der Uiguren zu kommen“, so Schedler.
Die jüngsten Vorwürfe gegen VW kommen kurz nach Veröffentlichung von Recherchen von Spiegel und ZDF, die Hinweise auf Zwangsarbeit durch Uiguren bei zwei Partnerunternehmen vom Chemiekonzern BASF fanden. Auch diese Untersuchungen basieren auf Recherchen von Zenz von öffentlichen Berichten der Unternehmen.
BASF gab daraufhin bekannt, sich von den beiden Joint Ventures Markor Chemical und Markor Meiou Chemical in Xinjiang zu trennen, stellte aber hohe CO2-Emissionen der Werke in den Vordergrund. Dennoch würden die Recherchen „auf Aktivitäten hinweisen, die nicht mit den Werten von BASF vereinbar sind“, so der Konzern. Die beiden Werke beschäftigen zusammen laut BASF 122 Beschäftigte. (mit Reuters)
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