Ugandische Aktivistin über Klimawandel: „Das ist Umwelt-Kolonialismus“
Die ugandische Klimaaktivistin Hamira Kobusingye wünscht den G7-Regierungschefs ein schlechtes Gewissen.
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Etwa fünfzig Menschen, meist schwarzer Hautfarbe, versammeln sich auf der Wiese vor dem Reichstag in Berlin, ein Zwischenstopp auf dem Weg zum G7-Gipfel in Bayern. „We want climate justice now“, rufen sie in die Mikrofone. Eine Gruppe Aktivist*innen des Rise-Up-Netzwerks ist aus Uganda angereist, seit fast einem Monat sind sie schon in Europa auf ihrer „Klimamobilisierungstour“, wie sie es selbst nennen. Sie waren in Schweden und zum Wiener Weltgipfel in Österreich, um den Globalen Norden an seine Verantwortung für die Klimakatastrophe zu erinnern und Solidarität einzufordern.
Unter dem Slogan „Show us the money“ fordern sie von den Ländern des Globalen Nordens, endlich Geld für den Klimaschutz im Globalen Süden auf den Tisch zu legen. Eine der Aktivist*innen aus Uganda ist Hamira Kobusingye. „Es ist so heiß, lass uns irgendwo im Schatten sitzen“, sagt sie, und wir finden einen schattigen Platz unter einem Baum.
Wie hängen Solidarität und Klimagerechtigkeit für dich zusammen?
Ich wuchs mit einer alleinerziehenden Mutter auf. Es war sehr schwer für sie, mich alleine großzuziehen, sie wurde oft schlecht bezahlt, weil sie keine höhere Bildung hatte. Sie hat sehr gelitten und sehr viel aufgegeben. Schon von klein auf wollte ich deshalb, dass alle ein besseres Leben haben. In der Sekundarschule habe ich jüngere Mädchen beraten, wie sie ihr Leben meistern können.
Was waren da die größten Probleme?
Dass junge Mädchen schwanger wurden. In Uganda wirst du dann von der Schule geworfen, und das war’s mit der Ausbildung. So habe ich schon früh verstanden, was Ungleichheit und Ungerechtigkeit sind.
Und das hat dich geprägt?
Ja definitiv. Ich arbeitete bei einer NGO, die Frauen dabei unterstützt, ihr Gemüse selbst anzubauen. Wenn die Familie etwas zu essen hat, bleibt Geld übrig, zum Beispiel für Schulgebühren. Aber dann ist etwas Schreckliches passiert: Ich habe auch von meinem Ersparten in dieses Anbauprojekt investiert, dann kam der Regen nicht, alle unsere Pflanzen sind verdorrt. Es brach mir das Herz, vor allem, weil ich nicht wusste, was ich hätte anders machen können. Und dann kamen auch noch Covid und der Lockdown in Uganda.
Das gab mir die Zeit, intensiv zu lesen, mich weiterzubilden. Ich verstand, dass ich mit meinem Farmprojekt versuchte, an den Symptomen rumzudoktern. Aber was wirklich passiert, ist die Veränderung in den Wetterverhältnissen, des Klimas. Es war nicht so, dass ich meine Pflanzen schlecht betreut habe. Ich hatte nichts falsch gemacht, aber wenn das Klima sich ändert, muss man in anderen Kategorien denken. Auf einmal fühlte der Klimawandel sich für mich sehr konkret an.
Und dann hast du begonnen, dich da zu engagieren?
Ich arbeite immer noch mit lokalen Frauengruppen, auch um ihnen zu zeigen, wie sie durch andere Methoden die Probleme des Klimawandels nicht verstärken. Aber ich habe mich auch mehr und mehr mit fossilen Brennstoffen und ihren Auswirkungen beschäftigt, und auch mit den Kampagnen hier in Afrika, zum Beispiel die Kampagnen im Niger-Delta, in Point Harcourt, gegen die Ölindustrie. Ich lernte jeden Tag mehr über die daraus folgenden Umweltprobleme und Gesundheitsprobleme.
Und wie hat das deinen Aktivismus vor Ort in Uganda beeinflusst?
Ich habe angefangen zu streiken, auf den Straßen Kampalas. Ich fing jeden Tag mit einer Streikstunde an. Ich hatte ein Plakat mit einer Familie aus Port Harcourt, deren Baby schon eine verseuchte Lunge hatte, von dem Ruß und anderen Abgasen. Ich saß auf der Straße und erklärte den Leuten, die vorbeigingen, das Problem. So fing ich an.
War das inspiriert von Greta Thunberg?
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Von Greta habe ich erst später erfahren, aber ich hatte von der ugandischen Klima-Aktivistin Vanessa Nakate gehört, was für eine Kampagne sie gestartet hatte. Ich realisierte, dass das, was im Niger-Delta passierte, auch jederzeit in Uganda passieren konnte, besonders nachdem in Uganda Öl entdeckt worden war. Unsere Leute wären genauso betroffen. Ich fing dann an, Artikel zu schreiben, für Rise Up, aber auch mit anderen Aktivist:innen aus anderen Ländern. So bin ich eine der Stimmen meiner Community. Ich weiß, woran diese leidet, was der Klimawandel für sie im konkreten Alltag bedeutet.
Was erhoffst du dir?
Wenn unsere Geschichten wieder und wieder erzählt werden, als Geschichten einer Gesellschaft, müssen Entscheidungsträger uns anhören. Afrika trägt nur wenig bei zu den globalen Emissionen und ist es nicht fair, uns mit ihren zerstörerischen Folgen alleine zu lassen. Unser Leiden basiert auf dem Imperialismus und dem Wohlstand des Globalen Nordens. Letztlich ist es eine Art Umwelt-Kolonialismus.
Was hofft ihr auf dem G7-Gipfel zu erreichen?
Wir haben keinen offiziellen Platz im Programm. Wir sind Teil der Protestbewegung und ich werde am Zaun eine Rede halten.
Hamira Kobusingye, Klimaaktivistin und Frauenrechtlerin aus Uganda, kam zu den G7-Protesten nach Deutschland.
Denkst du, eure Botschaft wird zu den G7-Regierungschefs durchdringen?
Vielleicht werden sie uns ignorieren, aber sie werden dennoch schlaflose Nächte haben, wenn sie darüber nachdenken, wie viel Elend ihre Entscheidungen auslösen. Das Pariser Klimaabkommen will, dass es eine Finanzierung für die ärmeren Länder gibt. Es wird sich auch für den Globalen Norden rächen, dies zu ignorieren. Letztlich basiert ihr Reichtum auf dem, was sie uns genommen haben.
Und wie steht es mit der politischen Führung Ugandas – wird eurer Bewegung dort zugehört?
Unsere politische Führung ist auch in der Verantwortung und nicht frei von Schuld. Gleichzeitig ist sie eingebunden in ein globales System, das ihnen wenig Handlungsspielraum gibt. Von daher ist es wichtig, das Denken im Globalen Norden zu ändern und Solidarität einzufordern.
Wie spielt der momentane Krieg in der Ukraine hier herein?
Ich verurteile den Krieg. Aber jeder sollte auch wissen, dass während dort Menschen im Krieg sterben, Menschen in Uganda an den Folgen des Klimawandels, an Hunger, Dürre oder Überschwemmungen, sterben. Es macht mich traurig und wütend, wenn ich dort ein unterernährtes Kind sehe. Der Krieg in der Ukraine ist in aller Munde, aber um unsere Toten kümmert sich niemand. Meine größte Enttäuschung ist, dass nun europäische Länder versuchen, fossile Rohstoffe statt aus Russland aus unseren Ländern zu bekommen. Das ist so unfair. Es bringt mich zurück zum Anfang meines Aktivismus: Als europäische Ölkonzerne im Niger-Delta Umweltkatastrophen verursachten, packten sie einfach ein und gingen. Das ist so unfair, denn es ist die lokale Bevölkerung, die mit den Folgeschäden zurückbleibt.
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