Ugandas Militäreinsatz in Kongo: Der Nachbar soll es richten
Ugandas Armee will jetzt in der Demokratischen Republik Kongo die ADF-Rebellen zerschlagen. Vor Ort stößt die Intervention auf viel Zustimmung.
„Wir hatten das nicht erwartet, aber wir sind erleichtert“, sagt ein Bewohner von Nobili. „Die mussten doch irgendwann mal kommen, um uns Hoffnung zu geben. Unsere eigenen Soldaten waren überfordert und genervt vom Aktivismus der ADF“ – die islamistische Rebellengruppe Allied Democratic Forces aus Uganda, die seit Jahren in diesem Teil Kongos die Zivilbevölkerung massakriert.
Ugandas Truppen sind willkommen, ist die einhellige Meinung der organisierten Zivilgesellschaft von Watalinga, dem Bezirk der Intervention. „Wir hoffen, dass diese Intervention uns dauerhaften Frieden bringt“, sagt Mabele Musaidi, Vizepräsident des zivilgesellschaftlichen Dachverbandes. „Wir haben so viel gelitten.“
Die „Chefferie“ Watalinga ist größtenteils von dichtem Wald bedeckt, durch den sich der Semliki-Fluss schlängelt, der weiter nördlich die Grenze zu Uganda bildet. Es ist der Nachbarkreis des ugandischen Distrikts Bundibugyo, historisches Ursprungsgebiet der ADF, deren Kämpfer sich problemlos hin und her durch die Wälder bewegen. Die großen ADF-Bastionen befinden sich in den Wäldern von Watalinga, und es ist die einzige Stelle, wo die Miliz unbemerkt die Grenze überschreiten kann.
Mit dem Rest Kongos ist Watalinga hingegen nur durch eine einzige Straße verbunden, die 80 Kilometer durch die Wälder des Virunga-Nationalparks zur Distrikthauptstadt Beni führt, aber in Reichweite von ADF-Angriffen verläuft und viel zu unsicher für normalen Reiseverkehr ist. Um gefahrlos nach Beni zu kommen, muss man einen mehrere hundert Kilometer langen Umweg durch Uganda in Kauf nehmen.
So ist Watalinga automatisch nach Uganda ausgerichtet: Alle Güter des täglichen Bedarfs kommen aus Uganda, die ugandische Währung ist weiter verbreitet als die kongolesische, sogar die kongolesischen Staatsbediensteten schliefen bis zur Schließung der Grenze durch Uganda wegen Covid-19 lieber auf der ugandischen Seite, aus Sicherheitsgründen.
Kongolesisches Gebiet, aber mit Uganda verbunden
Gegen die ADF-Präsenz in Watalinga hat es keine Großoffensiven von Kongos Armee mehr gegeben, seit um Weihnachten 2013 Kamango, der größte Ort der Region direkt neben dem Grenzposten Nobili, von der ADF angegriffen und zerstört wurde, mit über 50 Toten. Die Bevölkerung floh danach in die Wälder – wie immer, wenn die ADF ein Dorf angreift, plündert und Geiseln nimmt.
Nun stoßen Ugandas Soldaten in diese Wälder vor, nachdem sie zunächst mutmaßliche ADF-Basen mit Artillerie und aus der Luft beschossen hatten. Die ugandische „Operation Shujja“ ist eine Reaktion darauf, dass Kongos Militäroperationen gegen die ADF seit 2013 die Gewalt nicht verringert haben. Sogar die Militärbehörden, die seit der Ausrufung des Kriegsrechts in Nord-Kivu und Ituri im Mai die beiden Provinzen regieren, sind an ihre Grenzen gestoßen.
„Wir haben es gesagt und denunziert: Das Kriegsrecht ist ein klarer Fehlschlag“, sagt Jean-Paul Ngahangondi, Abgeordneter des aufgelösten Provinzparlaments aus der Stadt Beni. „Man muss neu denken und etwas Kraftvolles und Ernsthaftes erfinden, das den Bevölkerungen nützt.“
Aber ist diese ugandische Intervention das, was es jetzt braucht? Viele Kongolesen erinnern sich an vergangene Greueltaten Ugandas auf kongolesischem Boden während der Besatzung von 1998 bis 2003 und fragen sich, ob Kongos Regierung überhaupt einen Überblick darüber hat, was Ugandas Armee jetzt treibt. „Haben Kongos Sicherheitsdienste vermerkt, welche Waffenbestände Ugandas Truppen mit ins Land bringen, damit man bei ihrem Abzug vergleichen kann, was sie wieder mitnehmen?“ fragt Edgar Mateso, Sprecher der Koordination der Zivilgesellschaft in Nord-Kivu.
Das politische Bündnis des früheren kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila, die FCC (Front Commun pour le Congo), behauptet sogar: „Heute bekommen die Nachbarn serviert, was ihnen 1998 fehlte: das förmliche Recht, den Osten unseres Landes zu besetzen.“
Richard Ngekeninge, Völkerrechtsdoktorand an der belgischen Universität Antwerpen, meint: „Die Erinnerung an die Besetzung von Teilen unseres Landes durch die Armeen Ruandas und Ugandas ist noch lebendig. Uganda wurde sogar vom Internationalen Gerichtshof für Schadenersatz an Kongo wegen der Verbrechen seiner Armee verurteilt. Die Schlächter von einst können nicht die Befreier von heute sein.“
Aber die meisten lokalen Politiker sind zufrieden. „Wir haben beim Staatschef insistiert, unser Würdenträger haben auch insistiert und wir haben erreicht, dass die ugandische Armee in unser Land eingeladen wurde“, erklärt der Parlamentsabgeordnete Grégoire Kiro aus Beni. „Uns kommt es auf Frieden an – dass unsere Bevölkerungen frei und unbesorgt in ihrer Gegend und in ihrem Alltag leben können. Die Tötungen haben zu lange gedauert.“
Einfacher drückt es ein Bauer aus: „Wir wollen, dass die Massaker im Ostkongo enden. Das ist alles, was uns im Moment wichtig ist.“
„Eine richtige Armee, nicht so wie unsere“
Uganda war zur Jagd auf die ADF in Kongos Wäldern entschlossen, seit eine Reihe von Bombenanschlägen Mitte November die ugandische Hauptstadt Kampala erschütterte. „Es ist keine Überraschung, Uganda hat sich seit Langem vorbereitet“, erklärt der Universitätsprofessor Kahindo Muhesi. „Die anderen Staaten nehmen unsere Sicherheitsprobleme sehr ernst, vor allem seit die USA die ADF als Terrorgruppe gelistet haben. Uganda weiß, was es tut.“
Kongolesen, die die Ugander sehen konnten, äußern sich beeindruckt von ihrer Ausrüstung: schwere Artillerie, Kampfpanzer, Kampfhubschrauber, sogar ein Kampfflugzeug war im Einsatz. „Wir sehen eine richtige Armee, nicht so wie unsere!“, freut sich ein Bewohner von Nobili, der anonym bleiben will. „Mit schweren Waffen, die Angst machen, aber auch Sicherheit geben. Ich glaube, die Rebellen werden nicht lange durchhalten. Die Soldaten sind gut ausgerüstet, sie bringen sogar ihr eigenes Mineralwasser mit, sie belästigen niemanden.“
Was für ein Kontrast mit Kongos Soldaten, die meist auf Versorgung durch die Bevölkerung im Einsatzgebiet angewiesen sind. Man spricht von 1.700 ugandischen Soldaten unter Kommando von Generalmajor Kayanja Muhanga. Ihr logistisches Hauptquartier befindet sich im Dorf Mukakati.
Wenngleich alle sich den Erfolg dieser Intervention wünschen – für Befremden sorgt die Kommunikation von kongolesischer Seite. Die Sprecher von Kongos Armee nehmen keine Anrufe mehr an. Informationen über die Intervention gibt es nur in den ugandischen Medien. Aus ihnen erst haben die Kongolesen erfahren, dass die Intervention „Operation Shujja“ heißt und zwei Monate dauern soll, mit der Option auf Verlängerung.
Aber von kongolesischer Seite gibt es überhaupt keine offizielle Information. Sogar als die ugandischen Soldaten die Grenze überschritten hatten, Fotos und Videos die Runde machten und internationale Medien darüber berichteten, leugnete das Informationsministerium in Kongos Hauptstadt Kinshasa das noch.
„Nicht gut zu kommunizieren, ist ein schwerer Irrtum“, findet Professor Kahindo Muhesi. „Das hat dem Land schon einmal geschadet, als 2009 ruandische Truppen auf Einladung der Regierung auf kongolesisches Gebiet vordrangen“ – er bezieht sich auf die „Operation Umoja Wetu“ gegen die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). „Man muss kommunizieren und die öffentliche Meinung zufriedenstellen.“
Edgar Mateso vom Dachverband der Zivilgesellschaft sagt: „Wir haben berechtigte Fragen. Wir verstehen zum Beispiel nicht, wie das eine gemeinsame Operation mit Kongos Armee sein soll, da unsere Armee in ihren existierenden Stellungen bleibt.“
„Unser Land von den Mördern befreien“
Tatsächlich ist nirgends zu sehen, dass kongolesische Soldaten sich in Bewegung gesetzt hätten, um sich am ugandischen Kampf gegen die ADF zu beteiligen. Es ist wie immer: Die Soldaten bleiben in ihren Basen und schießen höchstens zurück, wenn sie selbst angegriffen werden – aber gegen Massaker an der Zivilbevölkerung bleiben sie untätig. Erst vor wenigen Tagen starben drei Zivilisten bei einem ADF-Angriff in Luna, die letzte Stellung der kongolesischen Armee in Nord-Kivu vor der Grenze in die Nachbarprovinz Ituri. Man hat den Eindruck, dass Kongo die Initiative komplett Uganda überlässt.
Am Sonntag liest der Bischof von Beni-Butembo, Sikuli Paluku, die Messe in Mbau, der Ort, wo die Waldstraße aus Kamango auf die große Fernstraße Richtung Beni trifft. Die katholische Kirche hat in den vergangenen Jahren fünf Priester an die ADF verloren. „Schande auf diejenigen, die sich Söhne Gottes nennen, aber Morde begehen“, predigt der Bischof. „Wir sind dazu aufgerufen, unser Militär und ihre Helfer zu unterstützen an allen Fronten, wo sie sich hergeben, um unser Land von den Mördern zu befreien.“
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