Überwachung von Wagenplatz: Es war wohl der Verfassungsschutz
Im Dezember wurde die Überwachung des Bremer Wagenplatzes Querlenker öffentlich. Eine Abgeordnete der Linken vermutet dahinter den Verfassungsschutz.
Hamburg taz | Die linke Bundestagsabgeordnete Martina Renner vermutet, dass der Bundesverfassungsschutz hinter den Überwachungsmaßnahmen gegen einen Wagenplatz in Bremen steckt. Diese Einschätzung stützt sich auf eine Reihe von Antworten, die die Bundesregierung der Abgeordneten auf Fragen zur Überwachung und zur verwendeten Technologie gegeben hatte.
Ende vergangenen Jahres war bekannt geworden, dass der Wagenplatz „Querlenker“, der sich auf einer Brachfläche hinter dem Bremer Güterbahnhof befindet, offenbar überwacht wurde. Unbekannte hatten im gegenüber liegenden „Papageienhaus“, einem Hochhaus in der Friedrich-Rauers-Straße, aufwendige Überwachungstechnik gefunden, die auf den Eingangsbereich des Wagenplatzes gerichtet war, darunter drei hochauflösende Kameras, ein Teleobjektiv sowie Festplatten. Die Geräte waren mit einem Programm der Firma Geutebrück verbunden, das die Bilder mithilfe künstlicher Intelligenz in Echtzeit auswerten kann.
Das „Papageienhaus“ wird auch vom queerfeministischen Zucker-Club-Kollektiv genutzt, das dort den Club „p.ara“ betreibt. Gemeinsam mit den Wagenplatzbewohner*innen protestierten sie im März gegen die „Grenzüberschreitung“ der Behörde, die mindestens ein Jahr lang täglich das Privatleben der Querlenker*innen und ihrer Besucher*innen gefilmt hatte.
Nachdem eine Anfrage der Bremer Linken an den Senat nur ergeben hatte, dass keine bremischen Sicherheitsbehörden an der Überwachung beteiligt waren, fragte Renner die Bundesregierung, wer die Überwachung durchgeführt hatte und zu welchem Zweck dies geschah. Die Regierung weigerte sich zu antworten – um die Arbeitsfähigkeit der Sicherheitsbehörden zu schützen.
Keine Antwort aus Gründen des Staatswohls
Ausführlich antwortete die Bundesregierung auf die Frage, ob Bundesbehörden Produkte der Firma Geutebrück gemietet oder gekauft hatten. Sie verweigerte jedoch aus Gründen des Staatswohls, für das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Bundesnachrichtendienst zu antworten.
Nun fragte Renner die Bundesregierung erneut. Diesmal, ob Bundesministerien oder deren nachgeordnete Stellen Kameras jenen Typs gekauft oder gemietet haben, der bei der Überwachung des Wagenplatzes eingesetzt wurde.
Die Antwort klingt zunächst trocken: Weder ein Bundesministerium noch das Auswärtige Amt hätten Kameras dieses Typs gekauft, heißt es dort. Mit Blick auf das Bundesamt für Verfassungsschutz sei man „nach sorgfältiger Abwägung“ zu der Auffassung gelangt, „dass die Frage nicht beantwortet werden kann“. Diese Nicht-Antwort begründet die Bundesregierung erneut mit dem Staatswohl: Eine mögliche Antwort könne Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes ermöglichen und dessen Arbeit gefährden.
Reihe von Überwachungen linker Projekte
Es „dränge sich auf“, dass der Bundesverfassungsschutz „die Überwachung betrieben hat“, sagt Martina Renner dazu. „Da auch in den Kernbereich privaten Lebens eingegriffen wurde“, fordert sie „Auskunftsrechte für die Betroffenen“ und „eine Auskunft des Inlandsgeheimdienstes, inwieweit die Voraussetzungen für diese Ausspähmaßnahme vorlagen“.
Die Überwachung des „Querlenker“-Wagenplatzes reiht sich in eine Reihe von Überwachungen linker Projekte ein. So wurde etwa 2019 die Überwachung eines linken Wohnprojekts mit Infoladen in Hamburg aufgedeckt, das vom gegenüberliegenden Altersheim aus ausgespäht wurde. Auch zwei Wohnprojekte in Tübingen wurden 2016 einen knappen Monat lang von der Polizei gefilmt. Die Überwachung stellte sich später als illegal heraus. Die Betroffenen haben in der Folge eine Meldestelle für solche Fälle eingerichtet. In Freiburg wurde 2014 ein autonomes Kulturzentrum von einer unbekannten Behörde überwacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste